Schönbrunn – An Gesunden gibt es nichts zu verdienen. An Toten ebensowenig. Lukrativ sind die dazwischen: die chronisch Kranken. Das Geschäft mit ihnen läuft umso besser, je mehr es davon gibt. Je früher sie es werden. Je länger sie es bleiben. Je mehr medizinische Waren und Dienstleistungen sie währenddessen konsumieren. Dem Geschäft abträglich sind: Wissen um den wahren Nutzen dieser Güter, um das tatsächliche Ausmaß ihrer Nebenwirkungen und Risiken; echte Prävention; und Behandlungsalternativen, wie Natur- und Erfahrungsheilkunde, ganzheitliche und spirituelle Ansätze sie eröffnen.
Längst beherrscht und pervertiert diese zynische Logik unser krankes Gesundheitswesen: Diesen niederschmetternden Befund belegt der Philosoph und Psychologe Harald Wiesendanger, Gründer einer Stiftung für chronisch Kranke, in seinem neuesten Buch. Auf 736 Seiten beleuchtet er „ein System, dem es umso besser geht, je schlechter es uns geht“.
Als Schmiermittel dieses Systems dient: Geld, irrwitzig viel Geld. Über eine Billion Euro setzt die Pharmaindustrie mittlerweile jährlich um. Höchstens 10 bis 15 Prozent davon investiert sie in Forschung. Rund die Hälfte fließt ins Marketing: mehrere hundert Milliarden Euro – pro Jahr. Wem schleierhaft ist, weshalb die sogenannte moderne Medizin mit immer größerem technischem und finanziellem Aufwand immer mehr chronisch Kranke produziert, findet hier die Antwort: „Unser Gesundheitswesen versagt, weil es sich der Ökonomie eines Markts unterwirft, der längst außer Rand und Band geraten ist“, erklärt Wiesendanger. „Auf diesem Markt fällt wenigen Anbietern, weil sie über schwindelerregende finanzielle Mittel verfügen, eine schier grenzenlose Macht zu, Verbraucher über Nutzen und Schaden ihrer Produkte umfassend zu täuschen, Wissenschaftler zu kaufen, die Ärzteschaft und ihre Meinungsführer zu korrumpieren, missliebige Wettbewerber zu diskreditieren, Regulierungen zu verhindern, Gesetze zu umgehen, wirksamen Kontrollen auszuweichen, sämtliche Informationsquellen zu vergiften, Kritiker kaltzustellen, sich alle wichtigen Player gefügig zu machen – zu einem einzigen Zweck: um Gewinne zu maximieren. Unser Gesundheitssystem, man muss es so deutlich sagen, ist weitgehend zu einem Spielball organisierter Kriminalität verkommen – einer wie geschmiert laufenden Versorgungsmaschine, die sich der mit Abstand profitabelste Wirtschaftszweig dieses Planeten, auch zum Entsetzen vieler Ärzte, längst mafiös zurechtstrukturiert hat: die Medizinindustrie.“ Ihren jüngsten Marketing-Coup sieht der Autor in der Einführung einer gesetzlichen Masernimpfpflicht; mit dem sorgsam inszenierten Kampf gegen die Homöopathie steuert sie ihren nächsten an.
Zu einer eher humanitär als monetär ausgerichteten Medizin zurückzukehren, die vorsorgt und heilt, erfordert „mehr als bloß ein paar zaghafte Reförmchen“, macht Wiesendanger klar. „Das Versagen des Systems schreit nach Revolution. Und diese Revolution wird ausbleiben, solange wir sie nicht beharrlich einfordern und mittragen.“
Dazu beitragen will die von Wiesendanger 2005 gegründete Stiftung Auswege. Ihr Name ist Programm: Chronisch Kranken, bei denen die Schulmedizin an Grenzen stößt, versucht sie therapeutische Auswege aufzuzeigen – in unkonventionellen Heilweisen, von Akupunktur und Homöopathie über Heilpflanzen bis hin zu energetischen Massagen und Geistigem Heilen. Dazu vermittelt sie aufwändig vorausgewählte Helfer: aus einem Netzwerk von rund 200 alternativen Ärzten, Heilpraktikern und sonstigen Therapeuten. Sie berät: mit einem telefonischen Infodienst, an dem rund 30 Mediziner ehrenamtlich mitwirken. Und sie behandelt: in neuntägigen „Sommercamps“; seit 2007 fanden schon 30 statt, rund 120 Therapeuten kümmerten sich dort um über 1100 Hilfesuchende.
Dr. Harald Wiesendanger: Das Gesundheitsunwesen – Wie wir es durchschauen, überleben und verwandeln. 736 Seiten, 1. Aufl. 2019.
ISBN 978-3-930147-71-7
39,80 €. Als PDF per E-Mail: 19,90 €
Zu bestellen bei: www.stiftung-auswege-shop.com
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