Frechen – Er will mit seinem Team unter die besten vier der Welt kommen. Bei der internationalen Leistungsdichte im Rollstuhlbasketball ein ehrgeiziges, aber kein aussichtsloses Ziel, wie sich bei den Paralympics in London zeigen wird. Sebastian Wolk (31) aus Fürth im Odenwald ist zuversichtlich. Der Mannschaftskapitän der Auswahl des Deutschen Behindertensportverbands (DBS) ist überzeugt, dass es zu schaffen ist – vielleicht sogar bis ins Endspiel um die Goldmedaille.
„Spaß ist ein elementarer Faktor für Erfolg“, sagt der stets positiv gestimmte und gut gelaunte Rollstuhlbasketballer mit einer fröhlichen Selbstverständlichkeit. Und diesen Spaß versucht der Centerspieler Sebastian Wolk in seiner Rolle als Kapitän seinem Team zu vermitteln. Ein Mann mit Führungsqualitäten, der Routiniers und Youngster mit Menschenkenntnis und positiver Energie zu einem erfolgreichen Kollektiv zusammenschweißen kann.
Bei den Europameisterschaften 2011 im israelischen Nazareth hat das schon bestens funktioniert, als die DBS-Auswahl überraschend bis ins Endspiel kam, aber dann gegen Großbritannien unterlag. Die Briten werden auch bei den Paralympics im eigenen Land favorisiert. „Wir gehören schon jetzt zu den besten sechs Mannschaften auf der Welt, aber wir wollen unter die Großen Vier“, sagt Wolk und stützt damit das Konzept seines Trainers Nicolai Zeltinger. „Er glaubt an unsere Vision, eine Top-Nation der Welt werden zu können“, bestätigt Zeltinger und hat den privat ruhig und ausgeglichen wirkenden Kapitän zu seinem verlängerten Arm im Team gemacht.
Als Kind spielte der sportbegeisterte Hesse Fußball, Handball und Tischtennis in seiner rund 10. 000 Einwohner zählenden Heimat Fürth im Odenwald. Mit 14 Jahren erkrankte Sebastian dann jedoch an einem Tumor in der Hüfte. Im Jahr 2000, fünf Jahre nachdem er seine sportlichen Ziele vorerst aufgeben musste, wurde er bei einer Rollstuhlbasketball-Veranstaltung in Darmstadt vom Frankfurter Bernd Hofscheier entdeckt und zum RSC Frankfurt geholt, dem er bis heute treu geblieben ist. Die Jahrtausendwende war für ihn Beginn einer steilen Karriere in Verein und Nationalmannschaft, die er nun in London krönen möchte.
Seit seinem 18. Lebensjahr trug Wolk das Trikot der deutschen Junioren-Nationalmannschaft. Mitte Juni 2012 im Testspiel gegen die Schweiz absolvierte Sebastian Wolk sein 205. Länderspiel für die deutsche A-Nationalmannschaft, der er seit den Spielen von Athen 2004 angehört. Neben seiner dritten Teilnahme an Paralympics gewann Wolk Bronze und Silber bei den Europameisterschaften 2007 in Wetzlar und 2011 in Nazareth.
Ein Blick auf die geschundenen Hände des Athleten oder auf seinen in Mitleidenschaft gezogenen Rollstuhl verrät, dass Rollstuhlbasketball ein harter Sport ist. Dem Bild eines kämpferischen und zähen Athleten des Typs Wolk setzt Bundestrainer Nicolai Zeltinger die These entgegen, dass sein Kapitän ein höchst sensibler Mensch sei. Auf den ersten Blick scheint das ein Widerspruch. Doch der sportliche Leiter der deutschen Männer- Nationalmannschaft meint damit den Begriff Sensibilität in seiner elementarsten Form: Feinfühligkeit und Gespür für mentale Abläufe, Verständnis für Sorgen und Nöte seiner Mitspieler und Teamkollegen. Und damit liegt Zeltinger richtig – nicht nur in der Beschreibung des Rollstuhlbasketballers Sebastian Wolk, sondern auch bei der Auswahl des Mannschaftskapitäns.
Abseits sportlicher Erfolge auf dem Parkett hat Sebastian Wolk seine Erfüllung in Beruf und Liebe gefunden. Seit zwei Jahren ist er mit Nadine verheiratet, von Beruf ist er Erzieher. Und damit schließt sich der Kreis zur Aussage Zeltingers über seinen sensiblen Kapitän, der seine berufliche Erfahrung im Sport perfekt umzusetzen vermag. Wie zum Beispiel bei der EM 2011 in Nazareth, als in der Vorrunde sein Mitspieler Thomas Gundert nach zwei technischen Fouls im Spiel gegen Polen tief betrübt mit den Schiedsrichtern haderte. Wolk nahm sich des Teamkollegen an, tröstete ihn und richtete ihn mental auf. Keine 24 Stunden später erzielte Gundert den entscheidenden Korb in der Schlusssekunde gegen die Niederlande, womit Deutschland als Gruppenerster ins Viertelfinale gelangte.
Sebastian Wolk selbst ist der stille Star im deutschen Team. Er ist ein stetiger Unruheherd unter dem gegnerischen Korb und nimmt dem Trainer Arbeit ab. „Unter dem Korb muss man nicht nur lang sein, sondern groß spielen“, lautet eine Trainerweisheit Zeltingers. Genau diesen Anspruch verkörpert Sebastian Wolk auf vielfältige Art. Eben ein wahrer Kapitän.
Fakten zu Sebastian Wolk
Geburtsdatum: 31.01.1981
Geburtsort. Fürth im Odenwald
Wohnort. Frankfurt am Main
Sport: Rollstuhlbasketball
Klassifizierung. 4,5 Punkte
Verein. Mainhatten Skywheelers
Aktiv seit: 1999
Länderspiele für Deutschland: 205 Größte Erfolge:
Silber EM 2011 in Nazareth/Israel
Bronze EM 2007 in Wetzlar/Deutschland