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Ein Blick ins Herz der Pflege – und über den Horizont

2. Berliner Pflegekonferenz eröffnet

Berlin – Der Rahmen hätte passender nicht sein können: Mitten im Leben, dort, wo einst die Tin Lizzy gebaut wurde und die Berliner ihr Getreide für Notzeiten lagerten – auf dem Westhafengelände, im Westhafen Event und Convention Center, – wurde gestern die 2. Berliner Pflegekonferenz eröffnet. Und der erste Tag war gefüllt von Impulsen internationaler, prominenter und eloquenter Referenten.

„Das Hauptaugenmerk unserer 2. Berliner Pflegekonferenz soll auf den Menschen liegen, die jeden Tag mit dem Thema zu tun haben – den professionell Pflegenden, aber auch den Angehörigen“, sagte Yves Rawiel, Geschäftsführer des Veranstalters spectrumK bei der Eröffnung. „Ich wünsche Ihnen, dass Sie Praxiserfahrungen aufsaugen, austauschen und mit in das Land tragen.“
Der erste Tag war denn auch ein Austausch auf wissenschaftlicher und praktischer Ebene – und immer auch mit einem Blick über den Tellerrand insbesondere ins Partnerland Schweden.
Es habe sich in den letzten Jahren viel in der Pflege getan, betonte Karl Josef Laumann, Pflegebeauftragter der Bundesregierung, in seiner Eröffnungsrede. „Was wir jetzt aber brauchen, ist eine Diskussion über sinnvolle Strukturen in der Pflege.“ Dazu gehöre für ihn auch die Entbürokratisierung. Laumann: „Bürokratie darf keine Selbstbefriedigung der Prüforganisationen, sein, sondern sie muss dem Wohl der Pflegebedürftigen dienen.“ Der Pflegebeauftragte lobte das so genannte Beikirch-Modell: „Überall, wo es im Einsatz ist, ist die Stimmung besser als vorher.“ Es werde viele weitere Veränderungen in der Pflege geben müssen, meinte Laumann. „Aber viel wichtiger als irgendwelche Leistungsfragen, ist, wer die Pflege in Zukunft übernehmen wird.“ Deshalb sei die Überarbeitung des Pflegeberufegesetzes unabdingbar: „Wir brauchen die generalistische Pflegeausbildung – aber auch mit dem mittleren Schulabschluss. Das Abitur wird nicht Voraussetzung für die Pflegeausbildung werden“, betonte Laumann. Laumann sprach sich für einen Ausbau der Tagespflegeangebote, für die Durchsetzung von „Reha vor Pflege“ und für eine stärkere Sensibilisierung der Kommunen für das Thema Pflege aus. „Schließlich haben wir für das, was wir da in der Pflege vorhaben, eine hohe Zustimmung innerhalb der Bevölkerung.“ Wo sonst gebe es bei einer saftigen Beitragserhöhung (um 20 Prozent) keine Widerstände. Laumann: Pflege ist ein Thema, das alle angeht – denn nicht alle Menschen haben Kinder, aber alle Kinder haben Eltern.“
An Laumanns Worte anknüpfend, reklamierte der Botschafter Schwedens in Deutschland, Lars Danielsson, mehr Gerechtigkeit in der Pflege: „Das Gerechtigkeitsprinzip steckt den meisten Schweden im Blut. Gerechtigkeit in der Pflege bedeutet aber nicht, dass alle die gleiche Pflege erhalten können. Pflege muss individuell sein – sie darf aber nicht davon abhängig gemacht werden, wieviel Geld jemand auf dem Konto hat.“ Deshalb habe Schweden eine Gerechtigkeitskommission eingesetzt, die die Situation im Land analysieren soll. „Ich erwarte aus dieser Kommission viele Vorschläge, was wir verbessern können“, so der Botschafter.
Über die internationale Ausrichtung der 2. Berliner Pflegekonferenz freute sich Dr. Hilde Hawlicek, Präsidentin der AGE-Platform Europe. „Wir haben in Europa doch alle ähnliche Herausforderungen – da können wir alle von diesem Erfahrungsaustausch nur profitieren“, so die ehemalige österreichische Ministerin.

Einen tieferen Blick in die schwedische Pflegelandschaft vermittelte Dr. Wilhelmina Hoffmann, Präsidentin des schwedischen Demenzzentrums und Leiterin von Silviahemmet, einer von Königin Silvia ins Leben gerufenen Stiftung zur besseren Versorgung Demenzkranker. Schweden habe bereits im Jahre 2010 Leitlinien zur Versorgung Demenzkranker veröffentlicht. Dabei gehe es im Wesentlichen darum, den Menschen ins Zentrum der sozialen und medizinischen Betreuung zu stellen und die Gesellschaft demenzfreundlich zu gestalten. Als jüngstes Projekt stellte Hoffmann „Zerovision“ vor: „Zerovision soll dazu dienen, Situationen zu vermeiden, in denen freiheits-einschränkende Maßnahmen als mögliche Option erwogen werden“, erklärte die Expertin. Im kommenden Jahr wolle man erste Ergebnisse zur Wirkung der Maßnahmen vorlegen, versprach sie.

Einen ganz anderen Blickwinkel nahm Prof. Dr. Victoria Büsch, Präsidentin der SRH-Hochschule in Berlin, ein. „Auf der einen Seite wissen wir, dass es eine wachsende Nachfrage nach Pflegekräften gibt und dass der Bedarf an Personal schon 2018 nicht mehr gedeckt werden kann.“ Es gebe aber einen Weiterbeschäftigungswunsch vieler Pflegekräfte: Etwa 53 Prozent könnten sich einer Umfrage zufolge vorstellen, im Ruhestand auch noch weiter zu arbeiten. „Diese Potenziale könnten wir noch viel besser nutzen“, so die Demographieexpertin.