Tübingen – Heute wurde in Berlin der jährliche HIV/Aids-Bericht der Vereinten Nationen (UNAIDS) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Aktionsbündnis gegen AIDS sieht in dem aktuellen Statusbericht ein Alarmsignal, das auch die Bundesregierung endlich aufrütteln sollte.
Der Bericht zeige, so Christel Rüder, Sprecherin des Aktionsbündnis gegen AIDS, dass die Finanzierung noch immer eine zentrale Schwachstelle ist. Von 18,1 Milliarden US-Dollar, die nach UNAIDS-Schätzungen im Jahr 2007 gebraucht werden, sind aktuell nur 10 Milliarden US-Dollar zugesagt. Während die Zahl der Menschen, die mit HIV/Aids leben, weltweit steigt und HIV/Aids in vielen Ländern die Sterberaten drastisch nach oben treibt, plant der Haushaltsausschuss des deutschen Bundestages für 2007 zugesagte Mittel für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria zu kürzen. Die unzureichende Finanzierung gefährdet eine umfassende und wirksame Aids-Politik.
“Da aktuell deutlich zu wenig Personal und zu wenig Geld zur Verfügung stehen, fallen Geberstaaten oftmals zurück in die fatale Trennung von Prävention und Behandlung”, erklärt Aktionsbündnis-Sprecher Rolf Goldstein. “Prävention gegen Behandlung abzuwägen ist unmenschlich und widerspricht allen bisherigen Erfahrungen, die zeigen, dass sich die beiden Ansätze gegenseitig stärken.” Beratung und HIV-Test stehen weltweit nur für einen von acht Menschen zur Verfügung. Von 6,5 Millionen Aids-Patienten, die in ärmeren Ländern die antiretrovirale HIV-Behandlung brauchen, wird bislang nur ein Viertel behandelt. Am deutlichsten sichtbar sind die Folgen der Epidemie heute in Afrika; 72% der weltweiten Aids-bedingten Todesfälle werden dort verzeichnet.
Der schnellste Anstieg der Neuinfektionen wird in Osteuropa und Zentralasien verzeichnet, in diesem Jahr um 70% im Vergleich zum Jahr 2004. Hauptinfektionsweg ist der intravenöse Drogengebrauch mit unsterilen Spritzen. Beispiele aus Deutschland oder Brasilien zeigen, dass Prävention mit Drogengebrauchenden die Neuinfektionen reduzieren kann. Doch nach wie vor wird in vielen Ländern, insbesondere in Osteuropa, die Ausgabe von sterilem Spritzenbesteck, Zugang zu Beratung und Kondomen für Prostituierte und Gefängnis-insassen durch Verbote unterbunden.
Nur 13% der Aidspatienten in Osteuropa erhalten die lebensverlängernde antiretrovirale Behandlung. Für die Ausweitung der HIV-Behandlung, für Programme zur Tuberkulosetherapie und zur Methadonsubstitution fehlt bislang der politische Wille: Die Ärztedichte in Russland und der Ukraine ist vergleichbar mit Deutschland; mit entsprechenden Schulungsprogrammen könnte zumindest eine Basisversorgung erzielt werden, die den frühen Tod von tausenden Aids-Patienten vermeiden könnte.
Das “AIDS epidemic update 2006” sowie weitere Informationen unter: http://www.aids-kampagne.de
Das Aktionsbündnis gegen AIDS ist ein Zusammenschluss von 100 kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen der Aids- und Entwicklungszusammenarbeit sowie mehr als 270 Basisgruppen. Gemeinsam wollen sie Politik und Pharmaindustrie stärker in die Verantwortung für den Kampf gegen HIV/Aids nehmen. Der Ausbau der finanziellen Ressourcen zur weltweiten HIV-Prävention und Aids-Bekämpfung und der weltweite Zugang zur Therapie sind die zentralen Anliegen der Kampagne des Bündnisses.