Mainz – Die rheinland-pfälzische Landesregierung setzt unter Beteiligung der Menschen mit Behinderungen die UN-Behindertenrechtskonvention mit einem Landesaktionsplan um. Damit ist Rheinland-Pfalz das erste Land bundesweit, das einen eigenen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorlegt. Das erklärten Sozialministerin Malu Dreyer und der Landesbeauftragte für die Belange behinderter Menschen, Ottmar Miles-Paul, bei der Vorstellung des Landesaktionsplans am Vortag des ersten Jahrestages des Inkrafttretens der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland heute in Mainz. Die Bundesregierung beabsichtigt ebenfalls einen Aktionsplan zu erarbeiten.
Aufgabe des Aktionsplanes sei es, dafür Sorge zu tragen, die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention möglichst umfassend in allen Politikfeldern umzusetzen. Mit dem Landesbeirat zur Teilhabe behinderter Menschen wurden Visionen als Leitbild für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention entwickelt. Im Aktionsplan werden dazu konkrete Ziele, Maßnahmen und Zuständigkeiten der einzelnen Ministerien der Landesregierung benannt, um Menschen mit Behinderungen von Anfang an in die Gesellschaft einzubeziehen und die uneingeschränkte Teilhabe, Gleichstellung und Selbstbestimmung zu ermöglichen, unterstrich Dreyer. In einer zweiten Stufe werden auch andere Akteure wie Kommunen, Kirchen, Arbeitgeber, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände und die Selbsthilfe behinderter Menschen aufgefordert, sich am Aktionsplan zu beteiligen und ihre Vorschläge einzubringen, so der Landesbehindertenbeauftragte. Auf diese Weise wollen wir einen umfassenden Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenkonvention für das Land Rheinland-Pfalz schaffen, so Dreyer und Miles-Paul. In Rheinland-Pfalz leben etwa 410.000 Menschen mit Behinderungen. Das sind 10 Prozent der gesamten Bevölkerung. 46 Prozent der behinderten Menschen sind Frauen.
Der Aktionsplan orientiert sich an den grundlegenden Lebensbereichen der Menschen und umfasst annähernd 200 Maßnahmen der Landesregierung zur Umsetzung der Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention für Rheinland-Pfalz mit den Themen: Erziehung und Bildung, Arbeit, Wohnen, Kultur, Sport und Freizeit, Gesundheit und Pflege, Schutz der Persönlichkeitsrechte, Interessenvertretung, Mobilität und Barrierefreiheit, barrierefreie Kommunikation und Information.
Im Bereich der Erziehung und Bildung sei das zentrale Ziel für Rheinland-Pfalz, behinderte und nichtbehinderte Kinder und Jugendliche gemeinsam zu erziehen und gemeinsam zu unterrichten. Für das Land stehe dabei die Inklusion von Anfang an im Mittelpunkt des Handelns, was die Sicherstellung der Frühförderung, die Unterstützung von Elterninitiativen und die Entlastung der Eltern behinderter Kinder umfasse, so Dreyer und Miles-Paul. Aktuell sollen die 172 Schwerpunktschulen unter Einbeziehung aller Schularten kontinuierlich ausgebaut werden. Dabei steht die Unterstützung der Erzieherinnen und Erzieher und der Lehrerinnen und Lehrer durch entsprechende Fortbildungen mit im Vordergrund, nannten die Ministerin und der Landesbeauftragte Beispiele des Landesaktionsplans.
Menschen mit Behinderungen muss das gleiche Recht auf Arbeit gegeben werden damit sie die Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit selbst zu verdienen, wie alle anderen Menschen auch, so Dreyer und Miles-Paul. Deshalb fördere die Landesregierung durch vielfältige Maßnahmen auch weiterhin die gleichberechtigte Beschäftigung, Vermittlung und Fortbildung behinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Als Maßnahme nimmt der Landesaktionsplan den kontinuierlichen Ausbau der bestehenden 70 Integrationsfirmen auf, in denen derzeit über 700 Menschen mit Behinderungen beschäftigt sind, so Dreyer. Der Ministerin und dem Landesbeauftragten ist darüber hinaus die Schaffung von Beschäftigungsalternativen zur Werkstatt für behinderte Menschen wichtig. Das Budget für Arbeit ist dabei ein wichtiges Instrument. Es ermöglicht den Übergang von der Werkstatt für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und soll weiter ausgebaut werden. Zur Zeit nehmen 126 Menschen im Land das Budget für Arbeit in Anspruch.
Um dem Ziel des selbstbestimmten, barrierefreien und integrierten Lebens und Wohnens näher zu kommen, habe die Landesregierung das Landesprogramm Wohnen in Orts- und Stadtkernen entwickelt, das kurz- und mittelfristig mehr barrierefreien Wohnraum schaffen will, so die Ministerin und der Landesbeauftragte. Auch die Umsetzung des im Dezember 2009 verabschiedeten Landesgesetzes über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) sei ein bedeutender Baustein des Landesaktionsplans. Mit Hilfe des Gesetzes soll die Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gemeinschaft gefördert werden. Zusätzlich stärkt es alternative Wohnformen für behinderte und ältere Menschen, so Dreyer und Miles-Paul. Besonders wichtig sei ihnen auch die Reihe von Zukunftsprozessen zur Umwandlung von Behinderteneinrichtungen, durch die das Leben von Menschen mit Behinderungen mitten in der Gemeinde gefördert werden.
Die barrierefreie Nutzung der verschiedenen Angebote, wie der Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen, aber auch von historischen Gebäuden, ist ein Kernziel des Landesaktionsplans der Landesregierung. Vor allem im Bereich des Tourismus sollen die Rahmenbedingungen für mehr Barrierefreiheit geschaffen und die Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Angeboten sichergestellt werden. Als nächste konkrete Projekte stehen die barrierefreie Gestaltung der Bundesgartenschau 2011 in Koblenz, die gleichberechtigte Nutzung von Umweltbildungs- und Informationszentren und die Förderung barrierefreien Naturerlebens auf der Agenda des Landes.
Der Landesaktionsplan habe zum Ziel, dass behinderte Menschen wohnortnah Angebote der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung nutzen können, wie alle anderen auch, so der Landesbehindertenbeauftragte. Dieses Ziel, von dem alle Menschen gleichermaßen profitieren, fördert die rheinland-pfälzische Landesregierung seit vielen Jahren, betonte Ministerin Dreyer und verwies unter anderem auf den Ausbau der 135 Pflegestützpunkte im Land. Weiterhin setzt sich das Land für barrierefreie Arztpraxen und die Barrierefreiheit und Assistenz in Krankenhäusern ein. Auch sei die kontinuierliche Weiterentwicklung der gemeindepsychiatrischen Versorgungsstruktur geplant, damit Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen gleichberechtigt in der Gemeinde leben können. Ein besonderes Anliegen ist der Ministerin die Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen in der Krankenhausversorgung im Rahmen der Novellierung des Krankenhausgesetzes, das am 1. Januar 2011 in Kraft treten soll.
Der Landesaktionsplan greift ebenfalls den Schutz der Persönlichkeitsrechte für behinderte Menschen auf. Mit einer Zielvereinbarung soll zum Beispiel die Zusammenarbeit zwischen behinderten Menschen und der Polizei erleichtert werden, so Dreyer und Miles-Paul. Die Bewusstseinsbildung und Fortbildung über die Belange behinderter Menschen im Bereich der Justiz und des Opferschutzes und über die weitgehende Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen stehe genauso auf der Agenda, wie die Unterstützung und Fortbildung von gesetzlichen Betreuerinnen und Betreuern.
Menschen mit Behinderungen müssen gleichberechtigt mit anderen ihre politischen und öffentlichen Interessen wahrnehmen können. Deshalb sieht der Landesaktionsplan eine enge Zusammenarbeit der Landesregierung mit den Verbänden der Menschen mit Behinderungen vor, beispielsweise bei konkreten Gesetzgebungsverfahren, betonten Dreyer und Miles-Paul. Als ein weiterer Baustein soll die Einrichtung von kommunalen Behindertenbeauftragten und Behindertenbeiräten verstärkt sowie Informationen in leichter Sprache angeboten werden. Auch sollen behinderte Menschen bei Ehrungen und Preisverleihungen gleichberechtigt berücksichtigt und in ihrem ehrenamtlichen Engagement gefördert werden.
Mobilität und Barrierefreiheit in allen Lebenslagen sollen in Rheinland-Pfalz Standard werden, formuliert der Landesaktionsplan das Ziel. Rheinland-Pfalz ist hier auf einem guten Weg. Die Mittelvergabe wird konsequent an die barrierefreie Gestaltung gebunden, so zum Beispiel auch im Rahmen der Maßnahmen des Konjunkturprogramms II, so die Ministerin und der Landesbeauftragte. Kontinuierlich verbessert werden soll auch der barrierefreie Zugang zu Verkehrsmitteln, Dienstgebäuden und Arbeitsstätten. Zudem soll ein einheitliches Signet Barrierefreies Rheinland-Pfalz entwickelt und bekannt gemacht werden.
Als konkrete Maßnahmen zur Förderung einer barrierefreien Kommunikation und Information betont der Landesaktionsplan die Förderung der Verwendung einer bürgernahen und leichten Sprache. Alle Menschen müssen barrierefrei an Informationen und an der Kommunikation teilhaben können, so Dreyer und Miles-Paul. So soll neben einer barrierefreien Verwaltung auch der barrierefreie Zugang zum Internet- und Intranetangebot des Landes konsequent ausgebaut werden.
Die UN-Behindertenkonvention steht für die Achtung der Würde und Selbstbestimmung, für Teilhabe und Einbeziehung in die Gesellschaft sowie für die Achtung der Unterschiedlichkeit und Akzeptanz der Vielfalt. Barrierefreiheit und Gleichberechtigung und nicht zuletzt die Achtung der sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen und ihres Rechts auf Wahrung ihrer Identität sind weitere Schwerpunkte der Konvention, betonten Malu Dreyer und Ottmar Miles-Paul. Diesen Grundsätzen sei die Landesregierung in ihrer Politik für Menschen mit Behinderungen in Rheinland-Pfalz verpflichtet und setze sich seit Jahren aktiv dafür ein. Im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen wird eine Anlaufstelle für die Umsetzung der UN-Konvention innerhalb der Landesregierung eingerichtet, die sich auch im Rahmen der Abstimmung zwischen Bund und Ländern für die Umsetzung der Konvention einsetzt. Der Landesbeauftragte für die Belange behinderter Menschen übernimmt eine zentrale Koordinierungsfunktion für die Umsetzung der Konvention, kündigte Malu Dreyer an.