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DKMS-Themenwoche: Dr. Elke Neujahr über lebenswichtige Vielfalt im Kampf gegen Blutkrebs
Dr. Elke Neujahr ist Vorsitzende der Geschäftsführung der DKMS gemeinnützige GmbH und Global CEO der DKMS Gruppe

DKMS-Themenwoche: Dr. Elke Neujahr über lebenswichtige Vielfalt im Kampf gegen Blutkrebs

Je bunter und vielfältiger die Datei ist, desto besser

Tübingen – Dr. Elke Neujahr, Vorsitzende der DKMS-Geschäftsführung, berichtet anlässlich des Diversity-Tags 2020 am 26. Mai darüber, was Vielfalt für die gemeinnützige Organisation im Kampf gegen Blutkrebs bedeutet – sowohl im täglichen Miteinander als auch für die Überlebenschancen von Patienten:innen. 900 Mitarbeiter:innen aus mehr als 20 Nationen an den Standorten Deutschland, Chile, Indien, UK, USA und Polen arbeiten gemeinsam daran, jenen Menschen eine Stammzelltransplantation zu ermöglichen, die darauf angewiesen sind.

Liebe Frau Dr. Neujahr, welche Bedeutung hat Vielfalt im Kampf gegen Blutkrebs?

Vielfalt rettet Leben! Das trifft aus medizinischer Sicht für unser Thema zu und macht unsere Arbeit in meinen Augen so besonders wertvoll.

Fakt ist, dass genetische Vielfalt von Stammzellspendern:innen für betroffene Patienten:innen überlebenswichtig ist. Alle 35 Sekunden erhält weltweit ein Mensch diese Schockdiagnose, und für viele sind die Stammzellen von unverwandten Spendern:innen die einzige und damit letzte Chance auf Leben. Das bewegt nicht nur mich, sondern mein gesamtes Team weltweit.

Entscheidend für eine erfolgreiche Transplantation von Blutstammzellen ist die Übereinstimmung der Gewebemerkmale von Patient:in und Spender:in. Diese Gewebemerkmale unterscheiden sich jedoch stark, je nach regionaler und ethnischer Herkunft. Genetische Vielfalt unter den registrierten Spendern:innen ist darum essenziell, weil es die Chancen auf Leben erhöht. Je bunter und diverser unsere Datei ist, desto besser für die Überlebenschancen Tausender Patienten:innen jedes Jahr.

Bei der DKMS handelt es sich schlichtweg um großartige und ebenso diverse Teams, auf die ich unsagbar stolz bin. Mitarbeiter:innen aus mehr als 20 Nationen in sechs Ländern auf drei Kontinenten setzen alles daran, möglichst viele Menschen neu als Spender:innen in die Datei aufzunehmen und die Vielfalt unter den Registrierten zu steigern. Jedes Jahr nehmen wir von den über eine Million potenziellen Spendern:innen rund 400.000 verschiedene Genotypen auf, um möglichst in allen Ländern rund um den Globus zu helfen. In 56 Länder gehen unsere lebensrettenden Produkte. Wir arbeiten in Deutschland, den USA, UK, Polen und Chile und sind seit 2019 auch mit einem Standort in Indien aktiv. Der nächste Staat und Kontinent folgen in Kürze.

Das wertschätzende Miteinander ist uns eine Herzensangelegenheit, darum spreche ich ganz bewusst von der professionell gut aufgestellten „DKMS-Familie“. Alle sind mit Seele und Verstand dabei, jede:r leistet einen Beitrag. Gemeinsam sind wir im Sinne der Patienten:innen und Spender:innen, für die wir uns verantwortlich fühlen, jeden Tag mit aller Kompetenz und qualitativ hochwertig tätig. Mir sind der Austausch von Erfahrungen und der Transfer von Wissen aus allen Bereichen gepaart mit einer aktiven Feedbackkultur ein großes Anliegen. Erst dadurch sind wir mit unserer Mission erfolgreich.

Gibt es Projekte, die beispielhaft dafür stehen?

Vor einiger Zeit ist die Idee einer sogenannten „Hidden Talent List“ entstanden, die mir besonders gefällt. Dazu haben wir die Mitarbeiter:innen eingeladen, Eigenschaften, Hobbys und versteckte Talente einzutragen, die im Kollegen:innenkreis vielleicht noch nicht bekannt waren. Diese bringen sie heute je nach Bedarf auch im Job ein. Natürlich geschieht all das auf freiwilliger Basis, doch die Resonanz ist toll. Dabei kam erst heraus, wie viele kreative, vielfältige Menschen bei uns arbeiten – ein wahrer Schatz.

In der Coronakrise haben wir ein weiteres wichtiges Projekt aus der Taufe gehoben: Wir haben ein Kapazitätenboard kreiert. Dieses bietet allen Mitarbeitern:innen weltweit die Möglichkeit, freie Kapazitäten anzubieten oder eben ganz konkret um Unterstützung zu bitten. Es braucht vor allem Vertrauen untereinander, Flexibilität und den Blick dafür, wo Hilfe benötigt wird und wo jede:r Einzelne auch über ihren bzw. seinen gewohnten Aufgabenbereich hinaus einen Mehrwert schaffen kann. Ich freue mich sehr, dass dies gut angenommen wird und so gut funktioniert. Ob freiwillige Kurierdienste oder Qualifikationen für berufliche Aufgaben in Bereichen, in denen besonderer Bedarf besteht: die Bereitschaft aller ist so hoch, dass mich das sehr positiv berührt. Ich habe dafür gesorgt, dass wir alle ausgelastet werden; das ermöglicht es der DKMS, auch in dieser Gesundheitskrise 100 Prozent der Gehälter weiter zu zahlen und gleichzeitig die Weiterbildung auszubauen.

Gerade in Zeiten von Corona ist die Arbeit über Kontinente hinweg sicherlich eine besondere Herausforderung. Wie erfolgt derzeit die Zusammenarbeit?

Grundsätzlich ist bei uns interdisziplinäres Arbeiten gang und gäbe. Wir besetzen Projektteams weitgehend international, was in Zeiten von Corona besonders wertvoll ist. Von Beginn war unsere Pandemiegruppe arbeitsfähig, weil wir uns schon lange auf eine solche Situation eingestellt haben. Mitarbeiter:innen aus den entscheidenden Einheiten haben die Lage im Blick, sprechen Empfehlungen aus und erarbeiten kontinuierlich in Abstimmung mit der Geschäftsführung Pläne dafür, wie wir auch in einer Pandemie jederzeit handlungsfähig bleiben und unsere Mission fortführen können.

In dieser herausfordernden Zeit halten wir mehr zusammen als je zuvor. Wir wollen gefährdete Mitmenschen, darunter viele Blutkrebspatienten:innen in aller Welt unterstützen und alles in unserer Macht Stehende tun, um unsere Gemeinschaft und Gesellschaft bestmöglich zu schützen und zu unterstützen – Patienten:innen, Spender:innen, Mitarbeiter:innen und alle Partner:innen.

Unsere Mitarbeiter:innen arbeiten zurzeit weitgehend mobil von zu Hause aus und erhalten unseren Betrieb aufrecht. Eben weil wir so vorausschauend gehandelt haben, ist das von Anfang an möglich gewesen.

Konferenzen und Besprechungen finden wie in vielen anderen Organisationen derzeit weitestgehend telefonisch oder per Video statt. Und das läuft richtig gut – dank der großen Einsatzbereitschaft und Professionalität der Kollegen:innen und einer exzellenten IT-Mannschaft. Alle hier bei der DKMS leisten täglich Unglaubliches – das erfüllt mich mit großem Stolz, und das macht mich dankbar. Es spricht für die DKMS-Kultur und die DKMS-DNA, dass hier alle Hand in Hand alles tun – denn Blutkrebs hat nun mal keine Quarantäne.

Wie können Interessierte auch jetzt die Arbeit der DKMS unterstützen?

Das Schöne ist, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, uns zu unterstützen. Jede:r, die/der helfen möchte, ist herzlich dazu eingeladen. Wir registrieren unsere Spender:innen zurzeit ausschließlich online und freuen uns über jede:n, die/der uns ihr/sein Testkit zusendet. Allen Spendern:innen, die bei uns registriert sind, möchte ich herzlich für ihre Bereitschaft danken. Wir sind auch dankbar dafür, wenn potenzielle Spender:innen, die positiv auf COVID-19 getestet waren und jetzt negativ sind, sich bei uns melden. Denn im Kampf für Menschenleben planen wir auch unsere Expertise gegen das Virus einzusetzen.

Gerade jetzt hilft auch jede noch so kleine finanzielle Hilfe. Dankbar sind wir auch für jede:n einzelne:n aktive:n Botschafter:in, die bzw. der unsere Mission weiterträgt und so dazu beiträgt, noch mehr Vielfalt in unsere Datenbank zu bringen, um weltweit Patienten:innen mit Blutkrebs zu helfen.

Wir erleben eine Ausnahmezeit. Egal, wie lange sie dauert, wir nehmen so viele positive Ereignisse daraus mit in unsere Zukunft, das sind Hilfsbereitschaft, eine neue Kultur des Miteinanders und ein Zusammenrücken auf Distanz. Dabei bleiben wir weiter handlungsfähig und geben nie auf. Jede:r Einzelne zählt für uns.

Liebe Frau Dr. Neujahr, herzlichen Dank für das Interview!