Düsseldorf – Der Hilfsmittelmarkt kommt in Bewegung, und er wird in Bewegung bleiben: Digitalisierung, innovative Produkte und ein veränderter Wettbewerb werden die absehbare Zukunft bestimmen. Diese Einschätzung teilten die Referenten auf dem 2. Hilfsmittel-Forum der GWQ ServicePlus AG in Düsseldorf. Die Beiträge am 18. September zeigten, wie neue Technologien vereinfachte Prozesse und bessere Produkte ermöglichen und wie Innovationen schneller in die GKV-Leistungen integriert werden können. Vor allem aber wurde deutlich, dass ein neuer Preiswettbewerb mittelfristig zu starken Veränderungen auf Seiten der Leistungserbringer führen wird.
Durch neue Technologien können bessere und patientengerechtere Produkte entwickelt werden. Ein Beispiel dafür stellte Philipp Barluschke, Gründer des Start-ups BaluParts 3D, zu Beginn des Forums vor. Mithilfe von 3-D-Druckern designt und produziert er maßgeschneiderte Schäfte für Prothesen, die deutlich leichter, besser haftend, luftiger und hygienischer sind als konventionelle Produkte. Damit löst der Gründer, selbst Prothesenträger und begeisterter Sportler, eines der größten Probleme dieser Hilfsmittel. Prothesen selbst werden zwar immer leistungsfähiger, aber wegen schlechter „Passform“ wird das Tragen schnell zur Qual. Durch die Kombination von Material, Design und Herstellungsprozess erreichen BaluParts 3D-Schäfte eine bislang unbekannte Qualität.
Für derart anwendergetriebene Innovationen mit eindeutigem Patientennutzen sah Klaus-Jürgen Lotz, Präsident des Bundesinnungsverbandes Orthopädietechnik, gute Marktchancen. Allerdings glaubt er nicht an den schnellen Einsatz der neuen Technologien in der breiten Masse. Bei 3-D-Druckern beispielsweise stehe man noch am Anfang der Entwicklung, auch Digitalscans zur Vermessung würden erst in zwei oder drei Jahren Standard werden. Trotzdem erwartet auch er weitreichende Veränderungen, auf die die Orthopädietechnik mit weiterer Spezialisierung reagieren müsste. Mittlerweile würden Auszubildende sowohl in konventionellen, als auch in neuen Technologien geschult, allerdings sei das Innovationsniveau der Betriebe noch sehr unterschiedlich.
Außerdem vertrat Klaus-Jürgen Lotz die These, dass die überfällige Aktualisierung des Hilfsmittelverzeichnisses aufgrund des Zeitdrucks durch die vom Gesetzgeber geforderten Fristen kein gutes Ergebnis gebracht habe. GWQ-Vorstand Dr. Johannes Thormählen hingegen meinte, dass der Status quo trotz möglicher Schwächen für Patienten und Kassen auf jeden Fall besser sei, als die Arbeit mit einem völlig veralteten Hilfsmittelverzeichnis.
Auch Gernot Kiefer, als Vorstand beim GKV Spitzenverband auch für Hilfsmittel zuständig, relativierte die Kritik mit Hinweis auf das künftige Verfahren. Dies sähe nicht nur regelmäßige Aktualisierungen im Fünf-Jahres-Rhythmus vor, sondern stelle zudem sicher, dass Innovationen mit einem echtem Zusatznutzen auch in der Zwischenzeit aufgenommen werden können. Für den Spitzenverband sei es maßgeblich, dass nun transparente Verfahrensregeln für die weitere Entwicklung vorliegen. Besonders hob er die Dokumentationspflicht für die Versichertenberatung hervor, welche nicht zuletzt das Angebot aufzahlungsfreier Hilfsmittel sicherstelle.
Allerdings spielen diese Details für die Entwicklung des Leistungserbringermarktes keine Rolle, folgt man Frank Altmeyer, der Prognosen zu künftigen Entwicklungen des Homecare Marktes erstellt. Er sagt einen harten Preiswettbewerb in der Home-Care-Branche voraus, der zu Konzentration auf wenige Großunternehmen führen werde. Weil 80 bis 90 Prozent der Nachfrage derzeit auf die Standardversorgung entfällt, setzen Unternehmen hier auf Prozessoptimierung statt auf Produktinnovation; mit der Konsequenz, dass sie sich vom Dienstleister zum Logistiker verwandeln – und der Service aus Kostengründen reduziert wird.
Schnellere, einfachere und transparentere Prozesse zwischen den Akteuren waren das Thema von Dorothee Bitters, Leiterin des GWQ-Hilfsmittelmanagements. Anhand eines Beispiels aus dem Familienkreis illustrierte sie den derzeitigen, aktuellen Stand der Versorgungspraxis und leitete daraus ab, was digital gestützte Prozessoptimierung zwischen Kassen, Leistungserbringern und Patienten leisten könnte und sollte. Instrumente wie der GWQ-Hilfsmittelvertragsmanager seien eine erhebliche Erleichterung, aber für das Ausnutzen aller Möglichkeiten fehle es weiterhin an einheitlicher Datenqualität und einer gemeinsamen Plattform.
In der Podiumsdiskussion der Referenten wurde unter anderem thematisiert, vor welchen Entscheidungen die Hilfsmittelversorgung stehen wird. Gernot Kiefer und Dr. Thormählen betonten die Offenheit der Kassenseite für Innovationen. Allerdings sei es notwendig, dass die Hersteller den Mehrnutzen neuer Produkte gegenüber dem aktuellen Stand der Technik dokumentieren; deshalb sei ein Verfahren ähnlich dem Amnog-Prozess sinnvoll. Dr. Thormählen verwies außerdem auf neue Verfahren zur Blutzuckermessung, die laut Frank Altmeyer derzeit mit aller Macht in den Markt gebracht werden. Ein praktisches Produkt, meinte auch Dr. Thormählen, das aber nicht die Ergebnisqualität, sondern in erster Linie den Komfort der Versicherten erhöhe – und damit kein notwendiges Hilfsmittel im Sinne des SGB sei.
Die Frage, welche Innovationen den Hilfsmittelmarkt in Zukunft prägen und hinsichtlich einer Verbesserung der Gesundheits- und Lebensqualität der Versicherten von der GKV angeboten werden sollen, wird die Experten auch weiterhin beschäftigen. Deshalb verabschiedete GWQ-Bereichsleiter Oliver Harks als Moderator der Veranstaltung die Gäste mit dem Ausblick, dass die Innovationsgeschwindigkeit auf dem Hilfsmittelmarkt das nächste GWQ-Hilfsmittelforum vor neue, vielleicht ganz andere Fragen stellen wird.
Zur GWQ: Die GWQ ServicePlus AG ist ein von Betriebskrankenkassen gegründetes Dienstleistungsunternehmen. Sie versteht sich als Gemeinschaft mittelständischer Krankenkassen, für die sie innovative Lösungen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung entwickelt. Die Verträge und Dienstleistungen der GWQ können von allen Krankenkassen als Aktionärs- oder Kundenkasse in Anspruch genommen werden.