Hamburg/Ahrensburg – Prof. Dr. Christian Schmidt ist Humanmediziner, Lehrbeauftragter, Manager und Referent im Gesundheitswesen. Im April dieses Jahres wurde er zum neuen CEO der GHD Unternehmensgruppe berufen. Als Deutschlands größter Anbieter für medizinische Komplettversorgung im häuslichen Raum steht die GHD GesundHeits GmbH Deutschland hierzulande für eine Transformation der medizinischen Versorgung. Ein Gespräch über Veränderungen in Medizin und Pflege und die richtigen Impulse für häusliche Krankenversorgung.
Herr Prof. Dr. Schmidt, seit April sind Sie neuer CEO der GHD. Das Unternehmen steht für eine ambulante Komplettversorgung von Patienten. Welche Geschichte verbirgt sich hinter diesem Konzept?
Prof. Dr. Schmidt: Die GHD ist vor 30 Jahren als Unternehmen aus dem Homecare-Bereich gestartet und hat sich in der Anfangszeit ausschließlich auf die Versorgung bei spezifischen Beschwerden konzentriert, etwa von Patienten mit künstlichem Darmausgang oder Harninkontinenz. Später stand immer mehr die generelle Frage im Raum, welche Maßnahmen für Patienten in häuslicher Umgebung besonders relevant sind. Entsprechend wurden die Leistungen der GHD sukzessive ausgebaut, so dass sich nach und nach der Unternehmensfokus immer mehr in Richtung eines ganzheitlichen Versorgungsansatzes erweiterte. An diesem Ansatz hat sich bis heute nichts geändert: Die GHD steht für eine vollumfängliche Versorgung aus einer Hand von Menschen in ihrer häuslichen Umgebung und im Pflegeheim. Heute ist der Fokus der GHD auch, wie dieser Versorgungsansatz mit digitalen Techniken unterstützt werden kann.
In diesem Zusammenhang fällt oft der Begriff Überleitungsmanagement. Was ist damit gemeint?
Prof. Dr. Schmidt: Mit Überleitungs- oder Entlassmanagement wird ein Prozess bezeichnet, der Aufnahme und Entlassung von Patienten aus den Krankenhäusern sowie eine Anschlussversorgung organisiert. Dieser Bereich ist immer wichtiger geworden, weil die generelle Verweildauer hierzulande im europäischen Vergleich sehr hoch ist: Deutsche Patienten bleiben im Schnitt mit 7,2 Tagen doppelt so lange in Kliniken wie beispielsweise in Dänemark. Da Kliniken zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen kommen, ist eine schnellere Entlassung und gute Organisation der Weiterversorgung für Krankenhäuser unerlässlich.
Und die GHD unterstützt und organisiert diesen Prozess?
Prof. Dr. Schmidt: Richtig. Die GHD deckt ein breites Versorgungsspektrum ab und unterstützt Patienten in ihrer häuslichen Umgebung optimal mit Maßnahmen, die auch Krankenhäuser anbieten. Dieses Konzept klingt bei uns in Deutschland vielleicht noch revolutionär, ist aber in den USA unter dem Begriff „hospital@home“ schon lange Standard. Gerade in Corona-Zeiten hat es sich zudem bewährt, nicht jede Maßnahme mit einem Präsenztermin zu verbinden.
Welche Bereiche werden heute von der GHD Unternehmensgruppe abgedeckt?
Prof. Dr. Schmidt: Neben einer Reihe von Angeboten zur Standard- und Spezialrehabilitation unterstützt die GHD Patienten mit Stomata, Inkontinenz, Tracheostoma, Wunden und chronischen Schmerzzuständen. Ein weiterer bedeutender Bereich ist die häusliche Versorgung von körperlich oder psychisch beeinträchtigten Kindern. Wir fertigen beispielsweise Spezialorthesen für Kinder an, welche der GHD ein Alleinstellungsmerkmal geben. Außerdem stehen Schmerztherapie, onkologische Versorgung, enterale und parenterale Ernährung und eine Reihe von medikamentösen Therapien auf dem Programm. So kann mit der GHD beispielsweise eine Parkinsontherapie oder die Versorgung bei multipler Sklerose zuhause durchgeführt werden.
Ist das alles?
Keineswegs, weitere Leistungen der GHD sind beispielsweise die orthopädische Schuhherstellung und die Anfertigung von Spezialprothesen. Neben dem Homecare-Bereich verfügt die GHD über einen pharmazeutischen Großhandel, Compoundingbetriebe zur Herstellung von sterilen Infusionslösungen und ein Werk zur Herstellung von Stomabeuteln. Alles in allem ein umfassendes Angebot für Menschen, die mit einer bestimmten Erkrankung zuhause so gut versorgt wie möglich leben möchten.
Arbeitet die GHD Unternehmensgruppe auch mit Pflegediensten und Selbsthilfegruppen zusammen?
Prof. Dr. Schmidt: Pflegedienste und Selbsthilfegruppen sind bedeutende Partner der GHD. Eine Ergänzung einer Basisversorgung durch die Pflegedienste hilft dabei, Klinikaufenthalte nach Möglichkeit zu vermeiden. Die Einbindung von Selbsthilfegruppen ist dabei für uns auch deshalb wichtig, weil wir von den Betroffenen lernen, welche Themen im Alltag relevant sind und wie wir ein selbstbestimmtes Leben und die Lebensqualität durch unsere Produkte und Dienstleistungen verbessern können. Vor allem für Rollstuhlfahrer ist dies wegweisend, denn von Betroffenen und Spezialisten gleichermaßen zu lernen, ist für deren Lebensmotivation von entscheidender Bedeutung.
Wie hat sich die Patientenversorgung generell in den vergangenen Jahren verändert?
Prof. Dr. Schmidt: Die deutschen Kliniken sind wie das Gesundheitssystem heute sehr stark reguliert und haben in den letzten Jahren tiefgreifende Veränderungen erfahren. Und natürlich hat auch das digitale Zeitalter die medizinische Versorgung verändert: Neben den Präsenzterminen spielt die digitale und telefonische Betreuung eine wachsende Rolle. Damit sind etwa Videosprechstunden und ein breites Sortiment an Online-Angeboten gemeint.
Die Qualitätssicherung nimmt im medizinischen Bereich eine zentrale Rolle ein. Wie gewährleistet die GHD ihre Produkt- und Servicequalität?
Prof. Dr. Schmidt: Mehr als 90 Prozent unserer Patienten sind von Therapiebeginn an in unserer Betreuung, weshalb eine hohe Qualität und entsprechend zufriedene Kunden für die GHD enorm wichtig sind. Wir bleiben daher mit allen großen Kernlieferanten im Austausch, die auch im Krankenhaus vertreten sind. Auch in unserem eigenen Sortiment achten wir auf Nachhaltigkeit und hohe Qualität. Die FORLIFE – unser Produktionsstandort in Berlin für die Herstellung von Stoma-Hilfsmitteln – ist dafür ein gutes Beispiel: Sie bezieht alle Rohprodukte aus Deutschland und ist somit unabhängig von Lieferengpässen aus Fernost.
Seit 2021 gibt es in der GHD auch einen Patientenbeirat. Wie setzt sich dieser zusammen und welche Funktionen nimmt er innerhalb der Unternehmensgruppe ein?
Prof. Dr. Schmidt: Durch den Patientenbeirat stehen wir in engem Austausch mit betroffenen Patienten, denn wir wollen die Bedürfnisse unserer Kunden noch besser verstehen und kennenlernen. Die Mitglieder des Patientenbeirats haben u.a. die Diagnose Querschnittslähmung, chronisch-entzündliche Darmerkrankung (Stoma) oder eine beidseitige Unterschenkelamputation aufgrund einer Sepsis. Der Austausch ist für uns von großer Bedeutung, um unsere strategische Ausrichtung zu diskutieren und sicherzustellen, dass wir die Bedürfnisse der Betroffenen nach einem selbstbestimmten Leben und nach Lebensqualität bedienen. Zu erfahren, was diese Patienten bewegt und was beispielsweise auch im Rollstuhl für großartige Reisen unternommen werden können, hilft uns zusätzlich, anderen Betroffenen und ihren Angehörigen Mut zu machen. Das ist in solchen Lebenslagen unbezahlbar und daher möchte ich an dieser Stelle dem Patientenbeirat für seine Unterstützung danken.