Gemeinsame Pressemitteilung deutscher und österreichischer Organisationen
Dringender Appell anlässlich des Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongresses (DÖAK) vom 20.-22.3. in Wien: Nach dem Ausstieg der USA aus den globalen Maßnahmen gegen HIV/Aids braucht es schnell neue Lösungen.
Die Weltgemeinschaft hatte sich ein Ziel gesetzt: Aids bis 2030 zu beenden. Die globalen Maßnahmen gegen HIV/Aids waren auf einem guten Weg. Doch nun stehen alle Erfolge der letzten Jahrzehnte auf dem Spiel: Mit dem Rückzug der USA fällt die wichtigste Finanzierungsquelle voraussichtlich weitgehend weg. Wird diese Lücke nicht geschlossen, werden die Folgen verheerend sein: Millionen Aids-Tote, Millionen HIV-Neuinfektionen, Millionen neue Aids-Waisen. Es droht die Rückkehr der Aids-Epidemie, die gerade erst weitgehend eingedämmt worden war.
HIV-Behandlung und Prävention sind unverzichtbar
„Es ist ein gravierender Verstoß gegen die Menschenrechte und ethisch wie epidemiologisch unverantwortlich, Menschen die lebensrettende Therapie vorzuenthalten. HIV wird sich dann wieder schneller verbreiten, Aids wieder mehr Menschenleben fordern“, sagt Prof. Dr. Stefan Esser, Vorsitzender der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG). „Epidemien bleiben dabei nicht auf bestimmte Länder beschränkt. Sie müssen global wie national bekämpft werden.“
Dazu sagt Prof. Dr. Alexander Zoufaly, Präsident der Österreichischen AIDS-Gesellschaft und Präsident des Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongresses:
„Aus medizinischer Sicht stehen wir vollends hinter den UNAIDS-Zielen zum Beenden der HIV-Epidemie. Die HIV-Therapie mit anhaltendem Therapieerfolg ist nachgewiesenermaßen die Voraussetzung, um Mortalität und Morbidität bei Menschen mit HIV signifikant zu reduzieren, beziehungsweise zu verhindern. Zusätzlich ist evident, dass unter effektiver Therapie HIV-Neuinfektionen verhindert werden können. Die Verfügbarkeit von HIV-Diagnostik und moderner HIV-Therapie muss daher unbedingt gewährleistet und sogar weiter ausgebaut werden, um von den medizinischen Errungenschaften zu profitieren.“
Medizinisch betrachtet ist HIV heute eine gut behandelbare Infektionskrankheit. Die HIV-Therapie verhindert auch die Übertragung des Virus. Die Zahl der Aids-bedingten Todesfälle und der HIV-Infektionen konnte in den letzten 20 Jahren durch die weltweiten gemeinsamen Anstrengungen drastisch reduziert werden.
Rückzug der USA
Mit ihrem herausragenden Engagement haben die USA bis heute maßgeblich dazu beigetragen, dass die Epidemie beherrschbar geworden ist. Sie betreiben ihr Programm PEPFAR mit einem jährlichen Etat von mehreren Milliarden Dollar und sind die größte Finanzierungsquelle des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria sowie bei UNAIDS. Die HIV-Therapien von schätzungsweise 20 Millionen Menschen weltweit – der Hälfte aller mit HIV Lebenden – hängen von dieser Finanzierung ab.
Nun hat die Trump-Regierung den Ausstieg bei UNAIDS verkündet und alle internationalen Hilfsmaßnahmen ausgesetzt. Für lebensnotwendige Therapien gibt es offiziell eine Ausnahmeregelung, die aber nur bedingt wirkt. Viele Einrichtungen in stark von HIV betroffenen Ländern haben bereits geschlossen, Personal ist entlassen worden, Verträge wurden gekündigt oder pausiert. Die Zukunft des PEPFAR-Programms, das am 25. März ausläuft und erneuert werden müsste, ist mehr als ungewiss.
Viele Menschen haben ihre HIV-Therapie bereits verloren, noch viel mehr Menschen müssen fürchten, bald ohne Behandlung dazustehen. Schätzungen zufolge haben bereits mehr als 20.000 Menschen durch das Aussetzen der Hilfsprogramme ihr Leben verloren, viele weitere könnten bald erkranken und versterben. Unkontrollierte Therapiepausen können bei HIV zudem die Förderung von Resistenzen gegen die Medikamente zur Folge haben.
Millionen Menschenleben bedroht
Fallen die US-Mittel dauerhaft aus, ist laut UNAIDS bis Ende 2029 mit rund 9 Millionen neuen HIV-Infektionen und mehr als sechs Millionen Aids-Toten und etwa dreieinhalb Millionen Aids-Waisen zu rechnen.
Insbesondere Menschen aus besonders stark betroffenen Gruppen und Communitys sind bedroht. Sie haben oft keine anderen Zugänge zu angemessener medizinischer Versorgung inklusive Test-Angeboten sowie Prävention. Dazu zählen im südlichen Afrika vor allem junge Frauen und Mädchen, ansonsten etwa Männer, die Sex mit Männern haben, trans Personen, intravenös Drogen konsumierende Menschen, Sexarbeiter*innen, Menschen in Haft, Migrant*innen aus Ländern mit hoher HIV-Prävalenz.
Benötigt werden Geld, Führung und eine neue Architektur der Hilfe
„Menschen die HIV-Therapie oder ihren Schutz zu entziehen wird in einem humanitären Desaster enden, wenn die vernünftigen Kräfte in der Welt jetzt nicht gemeinsam beherzt handeln“, sagt Stefan Miller vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe. „Um Erfolge abzusichern und Rückschläge zu verhindern, brauchen wir dringend eine neue Architektur der globalen Maßnahmen gegen HIV.“
„Wirtschaftlich starke Nationen wie Deutschland und Österreich müssen führende Rollen übernehmen. Die Welt braucht nicht nur Geld, sondern ein nachhaltiges Engagement und neue Führung“, sagt Sylvia Urban, Sprecherin des Aktionsbündnis gegen Aids aus Deutschland.
Dr. Roger Vogelmann von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä) plädiert vor allem für eine europäische Lösung: „Die USA sind groß, aber das ist Europa auch – wir können nicht einfach dabei zusehen, dass wieder ein Massensterben beginnt.“
„Es war schon ein Skandal, dass bisher immer noch mehr als 600.000 Menschen pro Jahr an Aids verstorben sind, denn die medizinischen Mittel waren da – es fehlte nur an politischem Willen und damit an Geld. Wenn jetzt wieder Millionen Menschen ihr Leben lassen müssen, ist das unverzeihlich – und wirft uns global um Jahrzehnte zurück“, sagt Andrea Brunner, Geschäftsführerin der Aids Hilfe Wien, für die AIDS-Hilfen Österreichs.
Den Globalen Fonds erhalten und ausbauen
Im Herbst steht eine neue Finanzierungsrunde für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria an. Er gibt den Bedarf mit 18 Milliarden Dollar an. Diese Summe zu erreichen, wird ohne die USA sehr schwer. Sollte PEPFAR („The United States President’s Emergency Plan for AIDS Relief“) wirklich ausfallen, wäre der Gesamtbedarf noch sehr viel höher.
Nach einem UN-Beschluss sollte die Entwicklungshilfe 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens betragen, 0,1 Prozent laut WHO für gesundheitsbezogene Entwicklungszusammenarbeit.
Deutschland sollte laut dem Aktionsbündnis gegen Aids einen „fair share“ von 1,8 Milliarden Euro in den Globalen Fonds einzahlen und damit auch ein starkes Zeichen für andere Länder setzen. In Österreich gilt auch in Zeiten des aktuellen Sparzwangs, dass die 0,1% für gesundheitsbezogene Entwicklungszusammenarbeit in Hinblick auf die drohende Notlage zur Verfügung stehen müssen.
Ohne eine Verstärkung der Anstrengungen sind die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zum Thema Gesundheit in höchster Gefahr. Sie sehen insbesondere vor, die Aids-, Tuberkulose und Malaria-Epidemien bis 2030 zu beenden.
Klar ist dabei auch: Eine sich wieder ausweitende Epidemie würde die gesamte Welt und alle Länder sehr viel teurer zu stehen kommen, als jetzt die Lücken zu schließen.
Deutsch-Österreichischer AIDS-Kongress
Beim Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress in der Hofburg in Wien treffen sich ab morgen 650 Mediziner*innen, Präventionist*innen, Menschen mit HIV und andere Fachleute zum Austausch über Neuigkeiten und Strategien im Umgang mit HIV und verwandten Themen.
Alle Infos zum DÖAK hier.
Aktuelle Informationen von UNAIDS zur Finanzierungskrise.
Kontakt:
Deutsche Aidshilfe
Holger Wicht
Tel. +49 30 69 00 87-16
presse@dah.aidshilfe.de
Aids Hilfe Wien
Juliana Metyko-Papousek
Tel. +43 (0)1/59937-82
metyko@aids-hilfe-wien.at
Aktionsbündnis gegen AIDS
Peter Wiessner
wiessner@aktionsbuendnis-aids.de
Tel. +49 (0) 176 82 188 269
dagnä
Daniel Sander
sander@dagnae.de
Deutsche AIDS-Gesellschaft
Dr. Annette Haberl
haberl@med.uni-frankfurt.de
Tel. +49 177 684 30 32
Österreichische AIDS Gesellschaft (ÖAG)
info@aidsgesellschaft.at