Berlin – Patientenverfügung verfasst und trotzdem herrschen Unklarheiten für medizinisches Personal und Familienangehörige im Falle einer bestimmten Behandlungssituation? Solche möglichen Konflikte am Lebensende können auf ein Mindestmaß reduziert oder ganz ausgeschlossen werden. Die Beratungspraxis des Humanistischen Verbandes zeigt, wie Auseinandersetzungen am Sterbebett sicher zu vermeiden sind.
Die Bundeszentralstelle Patientenverfügung im Humanistischen Verband bietet zwei Varianten einer Patientenverfügung an. Sowohl die Standardvariante wie auch das Optimal Modell bieten präzise und umfassende Aussagen, die beschreiben, was ein_e Patient_in in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Auch die Frage, wer später einen Entscheidungsspielraum haben soll, wird geklärt.
Ein jüngst gefälltes Urteil des Bundesgerichtshofs beschreibt die Anforderungen an eine Patientenverfügung; diese soll so konkret wie möglich sein. Bei einer nicht perfekt formulierten Patientenverfügung läuft man hingegen Gefahr, jahrelang im nicht mehr kommunikationsfähigen Zustand zwangsweise am Leben gehalten zu werden. In einem Streitfall über künstliche Ernährung erklärte der BGH eine vorliegende Patientenverfügung als nicht konkret genug an. Hintergrund war ein Streit unter drei Schwestern über die Behandlung ihrer Mutter. Diese wird seit einem Hirnschlag 2011 von einer Magensonde künstlich ernährt. Nach mehreren epileptischen Anfällen kann sie nicht mehr sprechen. Zuvor hatte die Mutter eine Patientenverfügung nach einer Vorlage der evangelischen Landeskirche in Bayern verwendet. Darin hieß es, dass im Falle eines schweren Dauerschadens ihres Gehirns „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollten und sie „in Würde“ sterben wolle. Über die Frage, ob die Mutter einer künstlichen Ernährung nun zugestimmt hätte, waren sich die Schwestern uneinig, der Fall kam vor Gericht. Im BGH-Urteil, das am 08. August veröffentlicht wurde, heißt es nun: „Von vornherein nicht ausreichend sind allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist.” Ohne Verweis auf bestimmte Maßnahmen oder Krankheiten sei unklar, ob die Ablehnung lebenserhaltender oder lebensverlängernder Maßnahmen auch die künstliche Ernährung umfasse. Zudem hätten die Zusätze in der notariellen Vorsorgevollmacht für Unbestimmtheiten gesorgt, so der BGH.
Gita Neumann, Referentin Lebenshilfe beim Humanistischen Verband äußerte sich wie folgt zu dem Urteil: „Wir von der Bundeszentralstelle Patientenverfügung sehen das Urteil als sehr streng im Sinne des Lebensschutzes an. Viele Menschen sind nun besorgt, ob ihre Patientenverfügung Gültigkeit besitzt und befürchten, Angehörige und Ärzte könnten ihre Patientenverfügung nach eigenem Gutdünken interpretieren. Das Urteil bestätigt uns aber sehr in unserer Arbeit. Beide Varianten unserer Patientenverfügung entsprechen den, vom BGH formulierten Anforderungen. Unsere vielen tausend Kund_innen, die bisher eine unserer Patientenverfügungen unterschrieben haben, können also beruhigt sein.“
Personen, die planten, eine Patientenverfügung zu verfassen rät Gita Neumann den Gang zu medizinisch fachkundigen Beratungsstellen. Der Gang zum Notar oder Rechtsanwalt hingegen sei nicht nur unnötig, sondern manchmal sogar kontraproduktiv, wie der Fall zeige. „Eins ist klar: Eine Patientenverfügung sollte man nicht schnell nebenbei ausfüllen oder von irgendwoher übernehmen. Informieren Sie sich, suchen Sie auch ihre Bevollmächtigten gut aus und sprechen sie sich mit ihnen ab.“
Die Bundeszentralstelle Patientenverfügung in Trägerschaft des Humanistischen Verband Deutschlands ist die erste bundesweit tätige Beratungsstelle in Deutschland. Sie wurde 1993 gegründet, ist gemeinnützig und berät unabhängig.