München – Die Versicherten und Patient*innen profitieren in Deutschland von einem hoch entwickelten Gesundheitssystem, das eine Vielzahl von Behandlungs- und Präventionsoptionen bietet. Diese durchaus positive Lage stellt die Versicherten zugleich vor die Herausforderung, innerhalb eines sehr komplexen Gesundheitssystems die für sie richtigen Wege im Sinne ihrer Gesundheit zu finden.
Mündige Entscheidungen werden Patient*innen schwer gemacht
Diese Herausforderung wird für die Patient*innen durch einige lang bekannte Probleme verstärkt:
- Geringe Gesundheitskompetenz: Zahlreiche Studien* belegen immer wieder, dass es vielen Versicherten schwer fällt, vertrauenswürdige Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen und für ihre Zwecke zu nutzen. Diese gering ausgeprägte Gesundheitskompetenz erschwert eine informierte und mündige Entscheidung für die eigene Gesundheit.
- Komplexe Strukturen und mangelnde Vernetzung: Die Zusammenarbeit zwischen Ärzt*innen sowie zwischen den Sektoren (zum Beispiel zwischen Klinik und Reha-Einrichtungen) ist seit Jahren eine Baustelle des Gesundheitswesens, deren Ursache unter anderem in der schleppenden Digitalisierung liegt. Für Patient*innen bedeutet diese mangelnde Zusammenarbeit Informationsverluste von einem Behandler zum anderen. Zudem sind sie beim Übergang von einem Sektor zum anderen (beispielsweise von der Reha in die Pflege) weitestgehend auf sich allein gestellt. Viele – auch gut informierte – Patient*innen überfordert dies regelmäßig, wie wir aus zahlreichen Schilderungen unserer Versicherten aus erster Hand wissen.
- Mangelnde Einbindung der Patient*innen in den Gesundheitsprozess: Das deutsche Gesundheitssystem ist traditionell nicht darauf ausgerichtet, die Patientin oder den Patienten aktiv in Gesundheitsentscheidungen einzubeziehen. Vielmehr ist es Usus, dass die Betroffenen von ihrer Ärztin oder ihrem Arzt fertige Therapiekonzepte vorgelegt bekommen. So ist es den Versicherten nur schwer möglich, alternative Wege zu kennen und eine mündige Entscheidung über den besten Weg zu treffen.
* vgl. SBK-Befragung: „Aufklärung erreicht Mehrheit der Kranken nicht“
Unsere Forderung: Rahmenbedingungen für eine optimale Begleitung der Versicherten durch die Krankenkasse schaffen
Um Patient*innen auf dem Weg zu informierten und mündigen Entscheidungen besser zu unterstützen, fordert die SBK, die Rahmenbedingungen für eine aktivere Rolle der Krankenkassen in der Begleitung der Versicherten zu schaffen. In einer solchen Rolle kommt den Krankenkassen zugute, dass sie eine vertrauenswürdige Stellung gegenüber den Versicherten haben: Sie arbeiten als Treuhänder ihrer Versicherten nicht gewinnorientiert und haben gleichzeitig qua ihres Auftrags einen umfassenden Überblick über die Versorgungssituation ihrer Versicherten. Trotz dieses besonderen Verhältnisses zwischen Versicherten und Krankenkasse wird die Möglichkeit, den Krankenkassen eine aktivere Rolle zu geben, in aktuellen Reformvorhaben häufig nicht mitgedacht. Das sollten wir ändern.
Konkret sehen wir für die Rolle des Versichertenbegleiters den Ausbau von drei zentralen Handlungsfeldern als essenziell. In diesen Feldern leisten Krankenkassen bereits heute einen wichtigen Beitrag, um Versicherte dabei zu unterstützen, die für sie passende und beste Versorgung erhalten:
1. Beratung und Entscheidungsunterstützung
Insbesondere Versicherte, die sich in einer schwierigen gesundheitlichen Situation befinden, haben viele Fragen. In der Rolle des Versichertenbegleiters berät sie die Krankenkasse, wenn sie das möchten, umfassend zu allen Fragen rund um Prävention und Versorgung. Sie gibt insbesondere auch Auskünfte zu Leistungen und deren Bezahlung, zur Sinnhaftigkeit von weitergehenden, nicht durch die GKV finanzierten Angeboten (sogenannte IGeL) sowie zu Möglichkeiten der digitalen Therapie(unterstützung). Ebenfalls berät sie bei der Wahl von Leistungserbringern und Therapieeinrichtungen.
Ziel einer solchen Beratung ist es, den Versicherten zu mündigen und informierten Entscheidungen zu verhelfen. Die Beratung zeigt Möglichkeiten auf und erläutert möglichst evidenzbasiert Vor- und Nachteile. Sie greift nicht in die Entscheidungsfreiheit der Versicherten und in die Therapiehoheit der Leistungserbringer*innen ein.
2. Individueller Gesundheitskompetenzaufbau
Durch den engen Kontakt zu den Versicherten kennen die Krankenkassen deren gesundheitliche Situation. Das versetzt sie in die Lage, individuelle Angebote zum Aufbau von Gesundheitskompetenz zu machen. So können zum Beispiel einem frisch diagnostizierten Diabetespatienten gezielt Schulungsangebote zu Ernährung und Bewegung gemacht werden. Eine Patientin mit Rückenschmerzen profitiert dagegen beispielsweise eher von einer DiGA (digitale Gesundheitsanwendung) für Rückengesundheit oder von einer Ergonomieberatung für das Homeoffice. Solche gezielten Angebote leisten einen großen Beitrag zum Aufbau von Gesundheitskompetenz und legen damit die Grundlage für mündige Entscheidungen auf Augenhöhe.
3. Vernetzung und Zugang
Der Übergang zwischen den Sektoren ist für Patient*innen häufig besonders herausfordernd. Gleichzeitig ist es auch für das medizinische Fachpersonal aufgrund fehlender Vernetzung häufig schwierig, sich ein umfassendes Bild von der Situation von Patient*innen zu machen. Das gilt insbesondere dann, wenn diese Patient*innen bereits viele Stationen innerhalb der Versorgung hinter sich gebracht haben. Beginnt man nach einer längeren stationären und ambulanten Therapie – beispielsweise aufgrund eines schweren Unfalls – eine Reha-Maßnahme, kennt das medizinische Personal dort häufig nicht alle Befunde und bereits ergriffenen Therapiemaßnahmen. Dieser Mangel an Information führt entsprechend oft zu Über- und Mehrfachbehandlungen.
Bei den Krankenkassen laufen die Informationen zu den Versicherten zusammen. Das versetzt sie in die Lage, die Vernetzung aller Akteure im Gesundheitswesen zu unterstützen und die Zusammenarbeit zu koordinieren. Auf Wunsch der Versicherten kümmern sie sich auch um den Zugang zu Versorgungsangeboten wie Kliniken, Pflegeeinrichtungen oder Ärzt*innen und Therapeut*innen.
Die Rolle des Begleiters auch im Sozialgesetzbuch
Auch das SGB schreibt der Krankenkasse die Rolle als Berater zu. Nach § 1 SGB V sind die Kassen zur „Förderung der gesundheitlichen Eigenkompetenz und Eigenverantwortung der Versicherten“ verpflichtet. Sie sollen durch „Aufklärung, Beratung und Leistungen“ die Versicherten beim aktiven Mitwirken für ihre Gesundheit unterstützen.
Damit die Krankenkassen die hier beschriebene Rolle gut ausfüllen können, müssen insbesondere zwei Voraussetzungen geschaffen werden.
1. Ausweitung der Beratungsrechte
Versicherte müssen ihrer eigenen Krankenkasse eine umfassende (selbstverständlich jederzeit widerrufbare) Generaleinwilligung zur Beratung geben können. Bisher können Versicherte nur Einzeleinwilligungen zur Beratung zu bestimmten Angeboten geben. Insbesondere in komplexen gesundheitlichen Situationen – also dann, wenn eine Beratung besonders wichtig ist – steht so ein Flickenteppich aus Einwilligungen einer umfassenden Beratung im Sinne des oder der Versicherten im Wege.
2. Schaffen einer guten Datengrundlage
Um die Versorgungslage einer oder eines Versicherten für die individuelle Beratung einschätzen zu können, brauchen die Krankenkassen eine aktuelle und vollständige Datengrundlage zu ihren Versicherten. Das bedeutet, dass sie Diagnosedaten taggleich von den Leistungserbringern übermittelt bekommen (bisher dauert diese Übermittlung bis zu neun Monate) und Versicherte ihnen Einblick in ihre elektronischen Patientenakte geben können (das ist bisher nicht vorgesehen). Eine entsprechende Aufforderung zum schnelleren Datenaustausch zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen hat der Gesetzgeber bereits erlassen. Nun liegt der Ball also bei den Verbandsvertretern der Krankenkassen und Ärzt*innen, die diesen gesetzlichen Auftrag im Sinne der Versicherten schnell umsetzen müssen. Dazu braucht es pragmatische Lösungen für kurze Übermittlungsfristen.
Krankenkassen als Begleiter fördern mündige Entscheidungen der Versicherten
Patient*innen haben es unter den aktuellen Bedingungen schwer, wahrhaft mündige Entscheidungen zu treffen. Indem die Krankenkassen die Rolle eines aktiven Begleiters ihrer Versicherten in allen Gesundheitsbelangen einnehmen, bekommen die Patient*innen eine starke Partnerin an die Seite. Sie ist die entscheidende Unterstützung, um informierte und mündige Entscheidungen auf Augenhöhe zu treffen. Gleichzeitig ist diese begleitende Rolle ein wichtiger Baustein, um Gesundheitskompetenz individuell nach den Bedürfnissen der Versicherten aufzubauen. Diese Gesundheitskompetenz ist die Voraussetzung dafür, dass Patient*innen aktiv und selbstbestimmt im Sinne ihrer Gesundheit handeln und entscheiden können.
Über die SBK
Die SBK Siemens-Betriebskrankenkasse ist die größte Betriebskrankenkasse Deutschlands und gehört zu den 20 größten gesetzlichen Krankenkassen. Als geöffnete, bundesweit tätige Krankenkasse versichert sie mehr als eine Million Menschen und betreut über 100.000 Firmenkunden in Deutschland – mit mehr als 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 86 Geschäftsstellen.
Seit über 100 Jahren setzt sich die SBK persönlich und engagiert für die Interessen der Versicherten ein. Sie positioniert sich als Vorreiter für einen echten Qualitätswettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung. Voraussetzung dafür ist aus Sicht der SBK mehr Transparenz für die Versicherten – über relevante Finanzkennzahlen, aber auch über Leistungsbereitschaft, Beratung und Dienstleistungsqualität von Krankenkassen. Im Sinne des Kunden vereint die SBK darüber hinaus das Beste aus persönlicher und digitaler Welt und treibt die Digitalisierung im Gesundheitswesen aktiv voran.