Essen / Köln – Endlich wieder Schwimmunterricht, Fahrradfahren lernen, mit anderen Kindern Abenteuer erleben und in die Schule gehen. Seit Kurzem ist dies für die neunjährige Rosa aus Essen wieder möglich.
Vor einem Jahr sah Rosas Welt allerdings ganz anders aus. Diagnose: Myelodysplastisches Syndrom (MDS). Das Mädchen litt unter einem fiebrigen Infekt und war danach ungewöhnlich lange schlapp und müde. Sie wollte oft getragen werden, was ihre Eltern Ina Gölzenleuchter und Stephan Struck überhaupt nicht von ihrer sonst so lebhaften Tochter kannten. Rosas Kinderarzt überwies die Familie in die Klinik. Eingehende Untersuchungen brachten leider die Gewissheit, dass Rosa MDS, eine chronische Erkrankung des blutbildenden Systems, hatte – eine Vorstufe von Leukämie.
Ursache der MDS sind bösartige, genetische Veränderungen der blutbildenden Zellen im Knochenmark. Um die Dynamik der Veränderung zu stoppen, stand bald fest, dass Rosa eine Stammzellspende benötigen würde.
Familie, Freunde und Nachbarn stellten in kurzer Zeit viel auf die Beine, entwarfen und verteilten Flyer und organisierten gemeinsam mit der DKMS eine große Registrierungsaktion. Unter dem Motto: „Alle für Rosa“ bestellten sich über 1.700 Menschen ein Registrierungsset.
„Unser Kind wird wieder gesund“
„In der ersten Woche, nachdem wir die Diagnose erhalten haben, stand die Welt Kopf. Aber als dann klar war, worum es geht, hatten wir keine Angst mehr. Die Diagnose hat uns die Behandlung vorgegeben. Vielmehr hatten wir das Vertrauen und den Glauben daran, dass unser Kind wieder gesund wird“, sagt Mutter Ina. Als Rosa fragte, ob sie wieder gesund wird, antwortete Ina: „Ja, das wirst Du, aber es wird ein langer Weg.“
„Rosa hat es uns leicht gemacht. Sie ist ein sehr zugewandter Mensch. Ihre Fröhlichkeit und Gelassenheit hat uns sehr geholfen“, sagt Rosas Vater Stephan.
Rosa hatte Glück: Schon ganz bald gab es einen passenden Spender, genauer gesagt sogar zwei Menschen, deren Gewebemerkmale passten. Im Juni 2022 erhielt die Schülerin die Stammzellen. Im Juli durfte sie bereits wieder nach Hause.
Die Zeit im Krankenhaus gestalteten ihre Eltern so angenehm wie möglich. Rosas Zimmer wurde mit vielen bunten Bildern und Familienfotos dekoriert, Dinosaurier zogen ein, und es gab frische Blumen hinter der Glasscheibe. All das trug dazu bei, den Aufenthalt und die Behandlungen etwas bunter zu machen. Die Geburtstage der Eltern feierten sie gemeinsam im Krankenhaus. „Auch im Krankenhaus kann man es sich schön machen“, sagt Ina.
Rosa ließ die Behandlungen und die Transplantation tapfer über sich ergehen. Auch wenn sie einmal schlechte Tage hatte, sie einfach nur schlapp war und schlafen wollte. Sie hielt durch und fand auch wieder zu der für sie typischen Fröhlichkeit zurück.
Zuhause machte sie langsam aber sicher kleine Genesungsfortschritte. Ihren neunten Geburtstag feierte sie im Oktober mit einer Geburtstagsparty draußen, „am Mäuerchen“ mit den Nachbarn und der Familie. Mit ihren Klassenkammerad:innen und den Lehrer:innen stand sie die ganze Zeit über im Kontakt, vor allem digital. Es gab Videokonferenzen, Onlinehausaufgaben und Gespräche mit Mitschüler:innen und Lehrer:innen. Rosa erhielt sogar ein ganz besonderes Zeugnis voller Einsen für ihr Durchhaltevermögen, ihren Mut, ihren Optimismus, ihre Superkräfte und vieles mehr.
Stückchen für Stückchen ging es bergauf, die Blutwerte stiegen, das neue Immunsystem nahm seine Arbeit auf und die Schritte in Richtung Alltag wurden größer. Weihnachten durfte Rosa endlich wieder ein paar mehr Freunde und Familienmitglieder treffen.
Seit Ende März kann Rosa jetzt endlich wieder zurück in die Schule gehen und mit ihren Mitschüler:innen gemeinsam lernen und spielen. Rosa ist in der dritten Klasse.
Kunst mag sie besonders gerne und interessiert sich ansonsten sehr für Geschichte, auch wenn sie das Fach in der Grundschule noch nicht hat. Von ihrer Krankheit spricht Rosa immer in der Vergangenheit: „Ich hatte MDS und bin jetzt wieder gesund“, betont sie. Sie weiß, dass sie neue Stammzellen bekommen hat und stellte kürzlich fest: „Ich hab‘ jetzt besonders fröhliche Zellen. Mit denen kann ich früher aufstehen“.
“Wir haben von allen Seiten Hilfe bekommen”
„Wir blicken dankbar und glücklich in die Zukunft“, sagt Stephan Struck. „Wir haben so viel Unterstützung erhalten. Jeden Tag gab es Post oder kleine Geschenke, darunter Heerscharen von Engeln, die uns beschützen sollten. Die Nachbarn haben für uns mitgekocht, als wir im Krankenhaus waren, und auch sonst gab und gibt es bis heute eine tolle Anteilnahme.“
Wenn die Familie auf das Jahr 2022 zurückblickt, hadert sie nicht. „Das Jahr war für uns nicht schwarz oder grau, sondern bunt und eigentlich ein gutes Jahr. Wir haben erfahren, was es heißt begleitet zu werden. Wir haben von allen Seiten Hilfe bekommen, als wir Hilfe gebraucht haben, und das hat uns durch diese Zeit getragen“, erzählt Ina Gölzenleuchter.
Ina und Stephan, die beide Musiker sind, und für Rosa im Job eine Pause eingelegt haben, wünschen sich, dass sich noch mehr Menschen registrieren lassen. „Wir konnten mit unserer Geschichte viele Menschen bewegen.“
In diesem Jahr zu Ostern gibt es kein Krankenhaus, vielmehr stehen eine Führung durch das Folkwang Museum in Essen, Fahrradfahren lernen, schwimmen gehen und ein Familienbesuch in Darmstadt und Karlsruhe auf dem Plan.
Auch wenn es ein langer Weg war und noch ist, freuen sich Rosa und ihre Eltern über alles, was sie gemeinsam geschafft haben, und blicken positiv und voller Zuversicht in die Zukunft.
„Dass Rosa jetzt wieder in die Schule gehen kann, damit ist ein weiterer großer Schritt in unserem neuen Leben getan. So möge es weitergehen“, sagt Stephan.