Düsseldorf – Die Digitalisierung wird die Gesundheitsversorgung revolutionieren, zunächst aber noch außerhalb der Krankenversicherung. Trotzdem können fortschrittliche Krankenkassen ihren Versicherten heute gute E-Health-Lösungen anbieten, wenn sie mit den neuen und anders denkenden Anbietern digitaler Lösungen eine gemeinsame Arbeitsebene finden. So lautet die Essenz aus den Expertenvorträgen und Praxisbeispielen, die auf dem 2. E-Health-Forum der GWQ ServicePlus AG am 31. Mai in Düsseldorf vorgestellt wurden.
Wie auf anderen Märkten werden neue Anbieter von außen die Strukturen des Gesundheitsmarktes maßgeblich verändern. Eine schnelle Integration auch von einzelnen E-Health-Lösungen in das Leistungsangebot von Krankenkassen ist unter den aktuellen Bedingungen jedoch keine einfache Aufgabe. Dafür sorgen organisatorische wie methodische Innovationsbremsen, wie sie Prof. Dr. Martin Gersch von der Freie Universität Berlin beschrieb. Es gelte weiterhin die Erkenntnis des Sachverständigenrats, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen kein signifikantes Wachstum dieser besonderen Versorgungsform zu erwarten sei.
Der technologische Fortschritt wird dadurch allerdings nicht gebremst, sagen Kenner der Landschaft, wie Dr. Markus Müschenich, Kinderarzt, Vorstand des Bundesverbandes Internetmedizin (BiM) und Managing Partner des Start-up Förderers Flying Health Incubator GmbH. Für ihn steht außer Frage, dass Computer und Roboter bei Diagnose und Behandlung langfristig bessere Ergebnisse liefern werden, als menschliche Ärzte – mit entsprechenden Auswirkungen auf das bestehende Versorgungssystem.
Auf der anderen Seite gibt es heute schon erfolgreiche Angebote, mit denen auch Mediziner neue Wege gehen – und die von den Patienten akzeptiert werden. Netzwerklösungen, so die Luzerner Professorin Dr. Andréa Belliger, böten den Menschen den schnellen Zugang zu Ärztenetzwerken; gesundheitsfremde Unternehmen wie die Schweizer Migros steigen in den Gesundheitsmarkt ein und werden sich womöglich als vertrauenswürdiger Dienstleister rund um Gesundheitslösungen positionieren. In vorhandene Systeme, so Prof. Belliger, ließen sich solche Netzwerke kaum integrieren.
E-Health-Lösungen müssen heute hohe Hürden überwinden, um über Selektivverträge oder die Regelversorgung angeboten zu werden. Wie das funktionieren kann, zeigten die Praxisbeispiele des Forums. Mit den Videosprechstunden hat die Telemedizin mittlerweile den ersten Schritt in die ambulante Regelversorgung geschafft. Dr. Florian Weiß, Geschäftsführer der jameda GmbH, erkennt hier großes Patienteninteresse und die grundsätzliche Bereitschaft auf Seiten der Ärzte. Die steigende Nachfrage durch die digitalen Generationen werde die Verbreitung von Videosprechstunden zwangsläufig vorantreiben. Ähnlich sieht es Dr. Klaus Strömer, Präsident des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen e.V., der die Videosprechstunde selbst anbietet. Allerdings mahnt er bessere Anreize für innovationsbereite Ärzte an und verweist auf den organisatorischen Aufwand.
Möglich ist auch die Integration neuer Angebote über Selektivverträge, wie das Beispiel des GWQ-Produkts „Spielend besser sehen!“ zeigt. Allerdings erforderte die Ergänzung des Regelleistungsangebots für Kinder mit der Sehschwäche Amblyopie durch ein PC-gestütztes Training einen komplexen und aufwändigen Produktentwicklungsprozess. Zusammen mit innovativen Kassen wie der Audi BKK gelang es der GWQ auf diesem Weg, die Interessen der Versicherten, des App-Entwicklers Caterna Vision GmbH und der Augenärzte in einen Vertrag zu gießen, der auch den Anforderungen von Kassen und Aufsichtsbehörden genügt.
GWQ-Vorstand Dr. Johannes Thormählen betonte in seinem Schlusswort, dass die GWQ verstärkt neue Lösungen in das GKV-System bringen wird, weil die Vorteile der Digitalisierung unbestreitbar sind. Er sieht die GWQ als Plattform, die Krankenkassen und Anbieter von digitalen Gesundheitslösungen zusammenbringt und Schnittstellen schafft, über die sie gemeinsam mit der GWQ SGB V-kompatible Lösungen erarbeiten können.
Welchen praktischen Nutzen digitale Lösungen schon heute haben können, hatte zuvor Dr. Youssef Shiban von der Universität Regensburg demonstriert: Sein Team forscht darüber, ob und wie „virtual reality“ für die Behandlung beispielsweise von Zwangsstörungen eingesetzt werden kann. Das Team therapiert unter anderem Flugangst oder Spinnenphobien, indem die Patienten in virtuellen Welten ihre Flugangst bekämpfen oder virtuellen Spinnen begegnen. Das sei nachweislich erfolgreich, so Dr. Shiban, sehr kostengünstig – und einfacher für Patienten wie für Therapeuten.
Die GWQ ServicePlus AG ist ein von Betriebskrankenkassen gegründetes Dienstleistungsunternehmen. Sie versteht sich als Gemeinschaft mittelständischer Krankenkassen, für die sie innovative Lösungen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung entwickelt. Die Verträge und Dienstleistungen der GWQ können von allen Krankenkassen als Aktionärs- oder Kundenkasse in Anspruch genommen werden.