Schwaikheim – Die bundesweite Patientenvertretung Deutsche DepressionsLiga e. V. reagiert mit Befremden auf die in der SWR-Sendung „Odysso“ in den Beiträgen zum Thema „Kampagne gegen Depression“ durch Ärzte und Forscher aufgestellten Behauptungen und fordert mehr Objektivität bei Berichten über die Volkskrankheit Depression. Ebenso wie bei der Arbeit der Deutschen DepressionsLiga e. V. geht es auch der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und ihren Bündnissen gegen Depression bei allen Kampagnen darum, die Stigmatisierung der Betroffenen in unserer Gesellschaft zu minimieren, ihnen die Scham über ihre Krankheit zu nehmen und zeitnahe Therapie zu ermöglichen.
Als Vertreter von Menschen, die alle das durch eine akute Depression entstehende Leiden aus eigener Erfahrung kennen, sind wir entsetzt über pauschale Aussagen wie die von Professor Bschor: „Bei einem großen Teil der Patienten wirken die Antidepressiva gar nicht.“ Dass Medikamente teilweise bei leichten Depressionen keinen Unterschied zu Placebos zeigen, mag sein. Aus unserer Erfahrung wissen wir aber, dass bei schweren und schwersten Depressionen die Einnahme von Medikamenten es den Betroffenen in vielen Fällen erst ermöglicht, sich kognitiv mit der Krankheit auseinanderzusetzen und eine Psychotherapie zu beginnen.
Herr Rebitschek mag sich mit medizinischen Statistiken gut auskennen. Dann sollte er auch wissen, dass „die Suizidrate bei depressiv erkrankten Menschen im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung deutlich erhöht ist (2,2 bzw. 4 Prozent zu 0,5 Prozent) . Seine Aussagen „Der Kern ist, ich weiß dann nicht, wie viele sich normalerweise das Leben nehmen? Und ich weiß auch nicht, wie viele weniger sich das Leben nehmen. Oder nehmen sich überhaupt weniger das Leben und es sind nur weniger Versuche?“ sind nichtssagend und klingen in den Ohren derer, die selbst unter diese Gedanken gelitten haben oder Menschen durch einen Suizid verloren haben, nur zynisch.
Diese Aussagen werden jedoch noch übertroffen durch die Worte des Soziologen und Psychiaters Fritz B. Simon. Er bemängelt, dass es bei diesen Kampagnen viel zu sehr darum ginge, eine niedergeschlagene Verfassung und schlechte Gefühle als eine Krankheit darzustellen: „In dem Moment, wo ich eine Diagnose habe, verändere ich mein Selbstbild. Dann heißt es: ‚Ich bin krank’. Dann gebe ich gewissermaßen die Verantwortung ab und deponiere die bei Ärzten. Das ist eigentlich das Fatale an der medizinischen Sicht auf psychisches Leid.“
Wir als Betroffene brauchen manchmal Jahre, um uns zuzugestehen, dass wir krank sind. Dass wir nicht einfach nur Versager sind, sondern die Krankheit Depression uns am Leben hindert. Erst dann akzeptieren wir, dass wir Hilfe brauchen und begeben uns auf den langen und mühsamen Weg, einen geeigneten Therapieplatz zu bekommen.
Depression ist nicht „auch mal nicht so gut drauf sein“. Und nein, es macht keinen Sinn, „dieses psychische Leid zu normalisieren und zu sagen: ‚Depressionen hat Jeder‘“. Und nein, es ist nicht „eigentlich was ganz Normales“. Solche verharmlosende Aussagen wie die von Prof. Simon sind schlicht lebensgefährlich!
Es ist Leid, es ist Scham, es ist die Unmöglichkeit, am Leben teilzunehmen!
Je mehr Informationen es über diese Krankheit gibt, desto mehr hilft es den Betroffenen und den Menschen in ihrem Umfeld, die Krankheit zu erkennen, zu behandeln und „Zurück ins Leben“ zu gelangen. Und es wäre sinnvoll, bei Recherchen zu diesem Thema auch die Betroffenen mit ins Boot zu nehmen.