Berlin / Hamm, 28. März 2018 – Das DHS Jahrbuch Sucht 2018 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. liefert die neuesten Zahlen, Fakten und Trends zum Konsum legaler und illegaler Drogen sowie zu abhängigem Verhalten.
Alkohol
In diesem Jahrbuch greifen wir erstmals auf eine verbesserte Ermittlung des Gesamtverbrauches an Trinkalkohol in Deutschland zurück. Im Jahr 2015 betrug der Alkoholkonsum 10,7 Liter Reinalkohol pro Bundesbürgerin oder -bürger im Lebensalter ab 15 Jahren. Der Gesamtverbrauch an alkoholischen Getränken sank im Jahr 2016 gegenüber dem Vorjahr um 1,25 % auf 133,8 Liter pro Kopf der Bevölkerung. Auf den gesamten Alkoholkonsum, gemessen in Reinalkohol pro Kopf, entfallen 5,0 Liter auf Bier, 2,3 Liter auf Wein, 1,8 Liter auf Spirituosen und 0,4 Liter auf Schaumwein.
Trotz eines geringen Konsumrückgangs kann keine Entwarnung gegeben werden. Wie die Ergebnisse repräsentativer Umfragen und Hochrechnungen des Statistischen Bundesamtes zeigen, sind insgesamt 3,38 Mio. Erwachsene in Deutschland von einer alkoholbezogenen Störung in den letzten zwölf Monaten betroffen (Missbrauch: 1,61 Mio.; Abhängigkeit: 1,77 Mio.) 74.000 Todesfälle werden jährlich durch Alkoholkonsum oder den kombinierten Konsum von Tabak und Alkohol verursacht.
Die Zahlen der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die in 2016 aufgrund eines akuten Alkoholmissbrauchs in Krankenhäusern stationär behandelt wurden, bleibt weiterhin hoch: Mit 22.309 Patienten zwischen 10 und 20 Jahren ist die Zahl sogar um 1,8 % zum Vorjahreswert gestiegen. Im Vergleich zur Behandlungszahl des Jahres 2000 (ca. 9.500 Behandlungsfälle) entspricht dies einer Steigerung von 134,5 %.
Mit 322.608 Behandlungsfällen wurde im Jahr 2016 die Diagnose „Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol (F 10)“ als zweithäufigste Hauptdiagnose in Krankenhäusern gestellt. Bei Männern war dies die häufigste Hauptdiagnose in Krankenhäusern (234.785 Behandlungsfälle).
Eine aktuelle Untersuchung beziffert die direkten und indirekten Kosten des Alkoholkonsums in Deutschland auf rund 40 Mrd. Euro. Dem stehen Einnahmen des Staates aus alkoholbezogenen Steuern von nur 3,165 Mrd. Euro (2016) gegenüber.
Die Ausgaben für Alkoholwerbung in TV, Rundfunk, auf Plakaten und in der Presse belaufen sich 2016 auf 557 Mio. Euro, ungeachtet der Ausgaben für Sponsoring und Werbung im Internet.
Tabak und E-Zigaretten
Der Verbrauch von Zigaretten und von Pfeifentabak ist 2017 wieder gestiegen: In Deutschland wurden 75.838 Millionen Zigaretten konsumiert. Im Vergleich zu 75.016 Millionen Stück im Vorjahr entspricht dies einer Erhöhung um 1,1 %. Außerordentlich stark zugenommen hat der Konsum von Pfeifentabak. Der Anstieg von 2.521 Tonnen im Jahr 2016 auf 3.245 Tonnen in 2017 entspricht 28,7 %. Der Feinschnittverbrauch sank um 3,7 %, von 25.188 Tonnen auf 24.258 Tonnen. Ebenso ist der Konsum von Zigarren und Zigarillos auf 2.823 Millionen Stück (im Vorjahr 3.049 Millionen Stück; -7,4 %) zurückgegangen.
Einer im Mai 2016 durchgeführten Befragung zufolge hat jede/r achte Deutsche ab 14 Jahren (11,8 %) schon einmal E-Zigaretten probiert. Bei Männern lag der entsprechende Anteil mit rund 15 % gegenüber 9 % deutlich höher als bei Frauen. Bei einem Großteil blieb es jedoch bei einmaligem Konsum: lediglich 1,4 % aller Personen verwendeten E-Zigaretten aktuell zum Zeitpunkt der Befragung, 2,2 % haben in der Vergangenheit regelmäßig E-Zigaretten genutzt.
Im Jahr 2013 starben rund 121.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Das waren 13,5 % aller Todesfälle. Hinzu kommen schätzungsweise 3.300 Todesfälle durch Passivrauchen. Die durch das Rauchen entstandenen Kosten belaufen sich in Deutschland jährlich auf 79,09 Mrd. Euro, davon sind 25,41 Mrd. Euro direkte Kosten zum Beispiel für die Behandlungen tabakbedingter Krankheiten, Arzneimittel etc. und 53,7 Mrd. Euro indirekte Kosten zum Beispiel durch Produktivitätsausfälle.
Psychotrope Medikamente
Im Jahre 2016 wurden in der Bundesrepublik Deutschland rund 1,54 Milliarden Arzneimittelpackungen verkauft (keine Veränderung gegenüber dem Vorjahr). Der Anteil der rezeptpflichtigen und nicht rezeptpflichtigen Mittel hält sich bei den Mengen die Waage, auf die jeweiligen Kategorien entfallen je etwa 50 %, also jeweils um die 750 Mio. Packungen.
Die Umsätze der pharmazeutischen Unternehmer stiegen im Jahre 2016 auf 31,5 Mrd. Euro (+3,1 %), über Apotheken wurden 1,5 Milliarden Packungen verkauft. Die GKV und die privaten Krankenversicherungen sind die „Hauptnachfrager“ rezeptpflichtiger Mittel. Zu Lasten der GKV wurden 2016 für rund 36 Mrd. Euro Arzneimittel in den Apotheken abgegeben (ohne Einrechnung der Rezepturen der Onkologie von knapp 2 Mrd. Euro).
Wenn es um Missbrauch und Abhängigkeit von Arzneimitteln geht, zeigt sich die übliche Situation: Die Langzeitanwendung von Tranquilizern und Schlafmitteln (z.B. mit den Wirkstoffen Lorazepam, Diazepam, Zolpidem und Zopiclon) steht im Mittelpunkt, wenn es um die Ursachen für die Arzneimittelabhängigkeit von etwa 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen in Deutschland geht. Dazu zählen überwiegend ältere Menschen, davon sind die meisten Frauen.
Illegale Drogen
Basierend auf den aktuellsten Bevölkerungssurveys des Jahres 2015 haben in Deutschland etwa 479.000 Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren sowie 14,4 Mio. Erwachsene im Alter von 18 bis 64 Jahren zumindest einmal in ihrem Leben eine illegale Droge konsumiert. Nach wie vor ist Cannabis in allen Altersgruppen die am weitesten verbreitete illegale Droge und wurde von 7,3 % der 12- bis 17-jährigen Jugendlichen und 6,1 % der 18- bis 64-jährigen Erwachsenen im Zeitraum der letzten 12 Monate konsumiert. Über den Zeitraum der letzten 25 Jahre zeigen die Prävalenz des Konsums irgendeiner illegalen Droge sowie die Cannabisprävalenz bei 18- bis 59-jährigen Erwachsenen bei einem wellenförmigen Verlauf einen insgesamt zunehmenden Trend.
Im Jahr 2016 wurden in Deutschland 1.333 drogenbedingte Todesfälle polizeilich registriert. Dies entspricht einem Anstieg von 8,7 % gegenüber dem Vorjahr. Damit ist die Zahl der drogenbedingten Todesfälle im vierten Jahr in Folge erneut gestiegen. Diese Entwicklung steht einem zuvor mehrere Jahre zu beobachtenden rückläufigen Trend drogenbedingter Todesfälle gegenüber.
Pathologisches Glücksspiel
Die Lebenszeit-Prävalenz der Teilnahme an irgendeinem Glücksspiel ist in der Bevölkerung seit 2009 von 87,1 % auf 75,3 % im Jahr 2017 zurückgegangen. Die 12-Monats-Prävalenz hat sich im Vergleich zu der Vorerhebung bei 37,3 % stabilisiert. Nach aktuellen Prävalenzzahlen ist bei 0,56 % der bundesdeutschen Bevölkerung (326.000 Personen) ein problematisches Spielverhalten und bei 0,31 % (180.000 Personen) ein pathologisches Spielverhalten erkennbar.
Die ambulante Beratungsnachfrage durch pathologische Spieler/-innen hat sich leicht erhöht. Ihr Anteil in den Suchtberatungsstellen lag, bezogen auf Einzeldiagnosen, bei 8,0 % (2015: 7,8 %), der Anteil der Hauptdiagnosen betrug 7,0 % (2015: 6,8 %). Eine Hochrechnung auf die Gesamtzahl der betreuten Spieler/-innen in ambulanten Suchtberatungsstellen verweist auf rund 24.100 Fälle mit der Einzeldiagnose „Pathologisches Spielen“ (Hauptdiagnose: 21.000), nach 23.600 im Jahr 2015. Spieler/-innen an Geldspielautomaten bilden mit 72,3 % nach wie vor mit Abstand die größte Gruppe. In stationären Einrichtungen ist nach den Einzel- und Hauptdiagnosen der Anteil pathologischer Spieler/-innen an der Gesamtzahl der Patienten im Vergleich zum Vorjahr von 5,3 % auf 6,9 % bzw. von 2,6 % auf 3,8 % gestiegen.
Die Umsätze (Spieleinsätze) auf dem legalen deutschen Glücksspiel-Markt sind 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 6,3 % auf 45,2 Mrd. Euro gestiegen. Einen Anstieg des Umsatzes und Bruttospielertrags um 8,7 % auf 29,9 Mrd. Euro bzw. 6,85 Mrd. Euro verzeichneten die 264.000 aufgestellten gewerblichen Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben. Seit der Novellierung der Spielverordnung im Jahr 2006, der Erhöhung der Spielanreize und der Expansion des Angebots hat sich der Ertrag um 191,5 % erhöht.
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) stellt fest:
Nach wie vor sind die legalen Drogen Alkohol, Tabak und Medikamente für den größten Teil der Suchtproblematik in Deutschland verantwortlich. Die nur geringfügigen Konsumveränderungen bestätigen zum wiederholten Male die Forderungen der DHS nach effektiven Präventionsmaßnahmen, wie Preiserhöhungen, Angebotsreduzierung und Werbeeinschränkungen. Zudem sind die Optimierung des Jugendschutzes und das Verbot der Abgabe an Jugendliche unter 18 Jahren notwendig. Verhaltens- und Verhältnisprävention müssen flächendeckend und kontinuierlich eingesetzt werden, damit Deutschland endlich die internationalen Spitzenplätze im gesundheitsschädlichen Konsum legaler Drogen verlässt. Darüber hinaus müssen in der Prävention die unterschiedlichen Problemlagen von Männern und Frauen sowie die soziale Benachteiligung stärker berücksichtigt werden.