Berlin – Neue Erkenntnisse zur Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen, insbesondere bei Personen mit einem hohen Risiko, stehen auf der Agenda der DGK Herztage in Berlin: Zum Beispiel, wie auch Übergewichtige mit regelmäßiger Bewegung ihr Herzrisiko erfolgreich senken können und welche Bewegungseinheiten die aktuelle Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie vorsieht. Neue Diabetes-Medikamente reduzieren die kardiovaskuläre Sterblichkeit und die Gesamtmortalität. Erhöhte Harnsäurespiegel im Blut dürften nicht nur Gichtanfälle verursachen, sondern sind möglicherweise auch für ein erhöhtes kardiales Risiko verantwortlich.
„Bewegung ist die Medizin des 21. Jahrhunderts. Umgekehrt gehört Bewegungsmangel weltweit zu den wichtigsten vermeidbaren Todesursachen“, betonte Dr. Susanne Berrisch-Rahmel, CardioCentrum Düsseldorf, im Rahmen der DGK Herztage in Berlin. „Diese Entwicklung wird Folgen haben. Übergewicht alleine ist zwar kein gesicherter Risikofaktor für die koronare Herzkrankheit, wohl aber für Diabetes Typ 2, und dieser erhöht das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen.“
Die vorbeugende Wirkung von regelmäßiger Bewegung bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Bluthochdruck ist wissenschaftlich gut belegt. Regelmäßiges sportliches Training vermindert das kardiovaskuläre Gesamtrisiko um die Hälfte und reduziert darüber hinaus das Risiko, Krebs oder psychische Erkrankungen zu entwickeln.
150 Minuten Aktivität pro Woche
„Für gesunde Erwachsene werden moderate Aktivitäten von mindestens 30 Minuten pro Tag, fünfmal in der Woche, empfohlen, was einer wöchentlichen Gesamttrainingszeit von 150 Minuten entspricht“, so Dr. Berrisch-Rahmel.
Die aktuelle Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie ESC empfiehlt zumindest 150 Minuten wöchentlich bzw. 30 Minuten fünfmal pro Woche moderate aerobe Aktivität; alternativ 75 Minuten wöchentlich bzw. 15 Minuten fünfmal pro Woche intensive aerobe Bewegung; oder eine Kombination davon. Unter „moderater“ Bewegung nennt die ESC-Empfehlung etwa rasches Gehen (4,8 bis 6,5 km/h), langsames Radfahren, Staubsaugen, Rasenmähen, Golf, Tennis (Doppel), Tanzen oder Wasser-Aerobic. Unter intensive Bewegung fällt etwa Joggen, schnelles Radfahren (über 15 km/h), Tennis (Einzel), Schwimmen oder intensive Gartenarbeit (Umgraben).
Zwar ist ein individuell vom Arzt erstellter Trainingsplan gemäß den Empfehlungen der Fachgesellschaften ideal, doch könne man auch ohne „Sport“ zumindest für den Anfang zu einer gesunden Dosis Bewegung kommen, so die Expertin: „Jeder Schritt zählt und es lässt sich zum Beispiel mit Hilfe eines Schrittzählers gut die tägliche Dosis an Bewegung erhöhen. Zieldosis sind 10.000 Schritte am Tag.“
Blutzucker: Risikoreduktion mit neuen Substanzen
Diabetiker haben ein erhöhtes Risiko, Herz-Kreislauferkrankungen zu entwickeln. Ein erhöhter Blutzuckerspiegel muss schon deshalb unbedingt behandelt werden. „Doch leider haben wir über viele Jahre in zahlreichen Studien gesehen, dass eine Zuckersenkung alleine das Herz-Kreislaufrisiko von Diabetikern nicht reduziert. In einigen Studien gab es bei Patienten, bei denen der Blutzucker besonders deutlich gesenkt wurde, sogar mehr Todesfälle, als bei einer moderateren Einstellung des Diabetes“, erklärte PD Dr. Michael Lehrke vom Universitätsklinikum Aachen. „Mittlerweile wissen wir aber, dass es nicht nur darum geht, ob der Blutzuckerspiegel gesenkt wird, sondern auch darum, wie dies geschieht. Unterschiedliche in der Behandlung des Typ-2-Diabetes eingesetzte Medikamente beeinflussen das Herz-Kreislaufrisiko in unterschiedlichem Maße.“
Zwei der in den vergangenen Jahren neu eingeführte Substanzklassen führen in Studien zu einer signifikanten kardiovaskulären Risikoreduktion: SGLT2-Inhibitoren wirken an der Niere und sorgen dafür, dass überflüssige Glukose mit dem Harn ausgeschieden wird. GLP1-Rezeptoragonisten imitieren die Wirkung des Inkretin-Hormons GLP-1 im Körper. Sie erhöhen die Glukose-abhängige Insulinausschüttung des Pankreas, verlangsamen die Passage von Nahrung durch den Magen und besitzen kardioprotektive Eigenschaften.
PD Lehrke: „Entscheidender Weise treten die günstigen Wirkungen unabhängig von der Blutzuckersenkung auf. Wir dürfen davon ausgehen, dass die neuen Studiendaten den Behandlungs-Algorithmus für Typ-2-Diabetes deutlich verändern werden.“
Unterschätzter Risikofaktor Harnsäure
„Die Hyperurikämie ist ein unterschätzter Risikofaktor. Es liegen mittlerweile zahlreiche Studien vor, in denen sich gezeigt hat, dass die Sterblichkeit mit der Konzentration der Harnsäure im Blut assoziiert ist“, sagte Prof. Dr. Christian Holubarsch, Park-Klinikum Bad Krozingen, im Rahmen der DGK Herztage Berlin. „Das ist zwar im streng wissenschaftlichen Sinne kein Beweis, aber doch ein deutlicher Hinweis.“
Eine Assoziation erhöhter Harnsäurespiegel konnte mittlerweile für den Herzinfarkt, die Herzinsuffizienz, sowie für den Schlaganfall gezeigt werden, sp Prof. Holubarsch: „Auch wenn die Evidenz noch nicht klar ist, gibt es doch Studiendaten, die indirekte Hinweise liefern und dafür sprechen, dass hier ein kausaler Zusammenhang besteht.“
Prof. Holubarsch: „Letztlich werfen solche Ergebnisse vor allem die Frage auf, ob die in epidemiologischen Studien beobachteten Assoziationen von Harnsäure und Risiko kausaler Natur sind, oder ob die Harnsäure nicht vielleicht nur ein Marker für einen insgesamt schlechteren Gesundheitszustand ist.“
In den ESC Leitlinien zur Prävention wird die Harnsäure nicht erwähnt. Die Leitlinie zur Herzinsuffizienz erwähnt die Assoziation von Harnsäure und erhöhtem Risiko, betont aber, dass es aus kardiologischer Sicht keine Evidenz zu Nutzen und Risiken einer medikamentösen Harnsäuresenkung gibt. Unbestritten indiziert ist die Harnsäuresenkung bei Patienten mit Gicht. Nun sollen große, kontrollierte Studien Klarheit schaffen. „In der Studie CARES werden die kardiologischen Wirkungen von Allopurinol und Febuxostat in der Therapie der Gicht untersucht. Eine ähnliche Fragestellung verfolgt die Studie FAST“, berichtet Prof. Holubarsch. „Seit 2014 läuft auch eine große Outcome-Studie mit kardiovaskulären Endpunkten, die Allopurinol mit Placebo vergleicht. Ergebnisse liegen noch nicht vor.“
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