Heidelberg – Krebsprävention kann Leben retten und großes Leid verhindern. Doch fristet die Forschung zu Fragen der Krebsprävention oft ein Schattendasein. Um herausragenden Leistungen in der Krebspräventionsforschung Anerkennung zu zollen und ihnen mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen, hat das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) den Deutschen Preis für Krebspräventionsforschung ausgeschrieben. Gestiftet wird die Auszeichnung von der Manfred Lautenschläger-Stiftung.
Der zweigeteilte Preis wurde beim 3. Deutschen Krebsforschungskongress verliehen. Mit dem Hauptpreis ausgezeichnet wird Rita Schmutzler von der Universitätsklinik Köln, eine international anerkannte Pionierin der risikoadaptierten Prävention von Brust- und Eierstockkrebs. Der Nachwuchspreis geht an Jens Puschhof vom DKFZ für seine Entdeckung, wie bestimmte Bakterien Darmkrebs fördern – ein Ergebnis, das neue Möglichkeiten der Prävention aufzeigt.
Experten sind sich einig, dass sich ein nachhaltiger Rückgang der Krebszahlen nur erreichen lässt, wenn das große Potenzial der Krebsprävention besser genutzt wird. Nach heutigem Wissen können Primärprävention und Früherkennung zusammengenommen die Krebssterblichkeit um bis zu 70 Prozent senken.
Doch zu vielen Fragen der Prävention besteht weiterhin Klärungsbedarf: So ist wenig erforscht, ob sich die molekularen Vorgänge, die Zellen zu Krebs entarten lassen, mit Impfungen oder Medikamenten aufhalten lassen. Weitgehend unbekannt ist auch, welche genetischen oder familiären Risikokonstellationen angepasste Früherkennungs-Schemata erfordern oder wie Früherkennungsprogramme ausgestaltet werden müssen, damit sie auf breite Akzeptanz stoßen.
„Forschungsprojekte, die sich Fragen der Krebsprävention widmen, sind innerhalb der Krebsforschung unterrepräsentiert und unterfinanziert. Für junge Wissenschaftler sind sie oft wenig attraktiv, denn Erfolge von Krebspräventionsprogrammen lassen sich meist erst Jahre oder sogar Jahrzehnte nach ihrer Einführung in der Statistik ablesen”, sagt Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums. „Wir danken Manfred Lautenschläger und seiner Stiftung, dass er uns ermöglicht hat, diesen hochkarätigen Preis zu vergeben, mit dem wir einen Anreiz für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schaffen wollen, sich auf diesem lebensrettenden Forschungsgebiet zu engagieren.”
„Der Preis ist eine Anerkennung für exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit ihrer Forschung dazu beitragen, dass weniger Menschen an Krebs erkranken oder der Krankheit erliegen, weil sie zu spät entdeckt wurde”, sagt Manfred Lautenschläger, Gründer und Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats der MLP SE. Der Deutsche Preis für Krebspräventionsforschung wird alle zwei Jahre verliehen. Der Preis ist zweigeteilt. Die Auswahl der Preisträger erfolgte durch eine hochrangige internationale Jury.
Der mit 25.000 Euro dotierte Hauptpreis richtet sich an exzellente, arrivierte Forscherinnen und Forscher; der mit 5.000 Euro dotierte Nachwuchspreis soll jungen Wissenschaftlern ein Ansporn sein. Der diesjährige Hauptpreis für Krebspräventionsforschung geht an die Gynäkologin Rita Schmutzler von der Uniklinik Köln. Sie ist eine international anerkannte Pionierin der risikoadaptierten Prävention von Brust- und Eierstockkrebs. Ziel ihrer Forschungsarbeit ist es, die genetischen Ursachen für die Veranlagung aufzuschlüsseln und betroffenen Frauen risikoangepasste Präventionsprogramme anzubieten, um entweder das Ausbrechen der Erkrankung zu verhindern oder die Krankheit so früh zu erkennen, dass sie heilbar ist.
Rita Schmutzler initiierte und leitete zahlreiche Forschungsprojekte zur Identifizierung von Brustkrebs-Risikogenen. Sie hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die risikoadaptierte Krebsfrüherkennung im Bereich der Gynäkologie in Deutschland auf einem präzisen wissenschaftlichen Fundament aufbauen kann. Von 2005 an koordinierte sie das Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs, ein Netzwerk, an dem mittlerweile 23 universitäre Zentren beteiligt sind. In dieser Rolle setzt sich Rita Schmutzler unermüdlich dafür ein, dass neueste Erkenntnisse der genomischen Medizin in die klinische Versorgung der Patientinnen Eingang finden. Ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass die risikoadaptierte Prävention gynäkologischer Tumoren in Deutschland heute fest etabliert ist und von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert wird.
Nach Medizinstudium und Facharztausbildung in Bonn sowie zwei Forschungsstipendien in den USA übernahm Rita Schmutzler ab 1994 den Aufbau und die Leitung des Zentrums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs an der Frauenklinik Bonn. Seit 2003 ist sie Universitätsprofessorin an der Universität zu Köln und leitet seit 2012 als Direktorin das dortige Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs.
Der Nachwuchspreis für Krebspräventionsforschung geht an Jens Puschhof vom DKFZ. Er ist Experte für so genannte Organoide, kleinste Gewebestrukturen, die in der Kulturschale aus Zellen gezüchtet werden können. Auch Krebszellen aus den individuellen Gewebeproben eines Patienten lassen sich auf diese Weise zu Krebs-Organoiden heranziehen. Der Vorteil dieser Miniorgane und Minitumoren: Die Forscher können in der Kulturschale verschiedene Komponenten der Mikroumgebung, unter anderem auch Bakterien des Darm-Mikrobioms hinzufügen und das Verhalten der Organoide studieren.
Auf diese Weise entdeckte Puschhof an Darm-Organoiden, dass bestimmte E. coli-Bakterien Mutationen auslösen, die die Krebsentstehung fördern können. Solche schädlichen Bakterienspezies könnten sich in Zukunft möglicherweise durch zielgerichtete Therapien verdrängen lassen und so die Krebsentstehung aufgehalten werden. In klinischen Beobachtungsstudien in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Heidelberg untersucht das Team um Puschhof derzeit das Mikrobiom von Patienten mit Krebsvorstufen, um neue Präventionsansätze zu entwickeln.
Nach seinem Studium der molekularen Biotechnologie und der Onkologie in Heidelberg, Harvard und Oxford wechselte Jens Puschhof für seine Doktorarbeit an die Universität Utrecht ins Labor von Hans Clevers. 2022 gründete er die Nachwuchsgruppe „Epithelium Microenvironment Interaction Laboratory” in der Abteilung Mikrobiom und Krebs am DKFZ.
Der 3. Deutsche Krebsforschungskongress findet vom 30. Oktober bis 1. November als Präsenzveranstaltung im DKFZ in Heidelberg statt. Erneut veranstalten die Deutsche Krebsgesellschaft, die Deutsche Krebshilfe und das DKFZ den Kongress gemeinsam mit ihren Netzwerken, dem CCC-Netzwerk, dem Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), dem Nationalen Zentrum für Tumorerkrankungen (NCT) und der AEK. Das Ziel ist, die Leistungsfähigkeit der onkologischen Forschung in Deutschland zu präsentieren.
Fotos der Preisträger stehen zur Verfügung unter:
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(Quelle: Jutta Jung/DKFZ)
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(Quelle: Christian Wittke)
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Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.