Berlin – Rechtliche und ethische Aspekte der Präventivmedizin waren Gegenstand der zweiten öffentlichen Abendveranstaltung im Rahmen des “Forums Bioethik” des Deutschen Ethikrates am 25. Februar in Berlin.
Gesundheitsvorsorge könne dazu beitragen, Krankheitsraten zu vermindern und Leben zu verlängern. Dies hob Julika Loss vom Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften der Universität Bayreuth in ihrem einführenden Vortrag hervor. Für zahlreiche Präventionsmaßnahmen sei ein positiver Effekt auf die Gesundheit des Einzelnen belegt. Mittels Information, Aufklärung und Beratung könnten Einstellung und gesundheitsrelevantes Verhalten unter Umständen wirksam beeinflusst werden. Exemplarisch diskutierte die Referentin die Vor- und Nachteile von infrastrukturellen Maßnahmen, Anreizsystemen, aber auch restriktiven Maßnahmen. Dass wirksame Prävention kostenintensiv ist, sei kein Argument für Einsparungen in diesem Bereich.
Der Philosoph am britischen Nuffield Council on Bioethics Harald T. Schmidt beleuchtete in seinem Beitrag die ethischen Dimensionen der Prävention und der Rolle des Staates in diesem Kontext. Er befürwortete eine Kombination von staatlicher Fürsorglichkeit und individueller Selbstbestimmung, um so dem Einzelnen den Zugang zu medizinischer Versorgung zu ermöglichen und dafür zu sorgen, dass Gesundheitsrisiken minimiert werden. Herr Schmidt wies auf die steigende Zahl privater Anbieter genetischer Analyseverfahren und bildgebender Untersuchungen hin, die den Wert ihrer Dienste für eine selbstbestimmte Lebensführung betonten, aber Daten produzierten, deren wissenschaftliche Validität und klinische Relevanz fraglich sei. Es sei zu diskutieren, ob der Staat hier reglementierend eingreifen müsse.
Stefan Huster, Öffentlich- und Sozialrechtler an der Ruhr-Universität Bochum, sprach über rechtsethische Aspekte der Gesundheitsvorsorge. Er betonte, dass für Gesundheit und Gesundheitsgerechtigkeit die Vorsorge von mindestens ebenso großer Bedeutung sei wie die Versorgung und dass eine wirksame Politik der Gesundheitsförderung und Gesundheitsgerechtigkeit sektorenübergreifend und integrativ angelegt sein müsse. Nicht zuletzt hätten auch sozioökonomische Faktoren einen erheblichen Einfluss auf den Gesundheitszustand des Einzelnen, auch wenn es ein weitgehend egalitär ausgestaltetes medizinisches Versorgungssystem gebe. Der Zusammenhang zwischen Versorgung und Vorsorge sei ambivalent: Auf der einen Seite sollten Reformen des Versorgungssystems nicht diejenigen Gruppen der Bevölkerung belasten, die bereits aufgrund anderer Faktoren sozial und gesundheitlich benachteiligt seien. Auf der anderen Seite seien Investitionen in die Gesundheitsvorsorge für die Gesundheitsgerechtigkeit am förderlichsten.
In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum wurden Fragen nach dem Verhältnis von präventiven und kurativen Maßnahmen aufgeworfen. Als Kriterien für den Anspruch auf Gesundheitsvorsorge wurden der Gesundheitseffekt und die Kostenersparnis im Vergleich zu kurativen Maßnahmen genannt. Allerdings sei es schwer, die Kosteneinsparung zu messen und daher ebenso schwer, diesbezüglich politische Entscheidungen zu treffen. Der Forderung nach verstärkten Appellen an die Beteiligung des Einzelnen könne man durch bessere Verzahnung von staatlicher und individueller Verantwortung nachkommen.
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