Berlin – Wegen seiner HIV-Infektion erhielt der damals 24-jährige Chemielaborant Sebastian F. (Name geändert) Anfang Januar 2011 von seinem Arbeitgeber während der Probezeit die Kündigung. Eine Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin verlor er. Jetzt ist der junge Mann mit seinem Anwalt in die Berufung gegangen. Die Deutsche AIDS-Hilfe unterstützt Sebastian F dabei. Dazu sagt Vorstandsmitglied Tino Henn: Menschen mit HIV wegen ihrer Infektion zu entlassen ist ein schwerer Fall von Diskriminierung. Wir hoffen sehr, dass das Gericht in der zweiten Instanz klarstellt: HIV ist kein Kündigungsgrund! Da das Kündigungsschutzgesetz in der Probezeit nicht greift, brauchen wir hier die klare Aussage des Gerichts, dass Menschen mit HIV durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geschützt sind. Ansonsten könnten sich skandalöse Urteile wie dieses wiederholen.
Sebastian F. war von Dezember 2010 bis Januar 2011 bei einer pharmazeutischen Firma in Berlin beschäftigt. Bei einer betriebsärztliche Untersuchung wurde ein HIV-Test verlangt; Sebastian F. teilte daraufhin dem Betriebsarzt mit, dass er HIV-positiv sei. Kurz darauf erhielt er die fristlose Kündigung mit Bezugnahme auf die HIV-Infektion. Ohne jede rationale Grundlage sah der Arbeitgeber durch die Infektion des Mitarbeiters die Gesundheit seiner Kunden gefährdet.
Das Arbeitsgericht Berlin hatte dann zu entscheiden, ob Sebastian F. unter dem Schutz des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) stand, das Kündigungen aufgrund bestimmter Diskriminierungsmerkmale auch während der Probezeit verbietet.
Zu diesen Merkmalen zählt zwar eine HIV-Infektion nicht ausdrücklich, wohl aber eine Behinderung. Nach Auffassung der Bundesregierung, der deutschen Versorgungsämter wie auch der Deutschen AIDS-Hilfe ist eine HIV-Infektion per se eine Behinderung, weil Betroffenen gesellschaftliche Nachteile entstehen: Menschen mit HIV müssen heute nach wie vor mit Ausgrenzung und Diskriminierung rechnen. Der beste Beweis dafür ist die Kündigung von Sebastian F. Diese Kündigung war daher unrechtmäßig.
Das Arbeitsgericht Berlin folgte dieser Argumentation jedoch nicht. Das Landesarbeitsgericht muss darum nun für Klarheit sorgen und Sebastian F. eine angemessene Entschädigung zusprechen. Um ähnlichen Fällen vorzubeugen, fordert die Deutsche AIDS-Hilfe die Bundesregierung auf, chronische Erkrankungen im AGG ausdrücklich als potenziellen Diskriminierungsgrund zu benennen. Die Bundesregierung lehnt eine solche Ergänzung des AGG bisher ab, obwohl sie damit ohne Mühe Rechtssicherheit für Menschen mit HIV und andere chronisch Kranke schaffen könnte.
Wie notwendig gesetzlicher Schutz für Menschen mit HIV sein kann, zeigt die Argumentation des Berliner Arbeitsgerichts in seiner Urteilsbegründung vom 21.7.2011: Es äußerte Verständnis für die Befürchtungen des Arbeitgebers, durch die HIV-Infektion von Sebastian F. seien die Kunden des Unternehmens in Gefahr gewesen.
DAH-Vorstand Tino Henn: Diese Einschätzung entbehrt jeder Grundlage und widerspricht allen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Weitergabe von HIV. Im Arbeitsalltag ist HIV nicht übertragbar, unter Laborbedingungen schon gar nicht. Eine Gefährdung von Kollegen oder sogar Kunden des Unternehmens hat zu keinem Zeitpunkt bestanden. Es ist nur absurd zu nennen, dass eine solche Argumentation vor Gericht bestand hatte. Das Landesarbeitsgericht muss diese Fehleinschätzung nun korrigieren! Eine gerichtliche Klarstellung wäre ein wichtiges Signal für ihn und alle anderen Menschen mit HIV. Mit einem Urteil des Landesarbeitsgerichts wird erst im kommenden Jahr gerechnet.
Weitere Informationen: http://www.aidshilfe.de