Berlin, 14. November 2006 – Mit Blick auf die am 16. und 17. November in Nürnberg tagende Innenministerkonferenz, auf der über eine so genannte Bleiberechtsregelung für seit längerer Zeit in Deutschland lebende Ausländer ohne gesicherten Aufenthaltsstatus beraten wird, erklärt Bundesgeschäftsführer Dr. Luis Carlos Escobar Pinzón:
“Wir fürchten eine massive Verschlechterung der Gesundheitsversorgung für Geduldete und Asylbewerber mit HIV und Aids. Nach den bisher bekannt gewordenen Plänen droht z. B. selbst jenen HIV-infizierten Migranten, die bereits eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen haben, die Herabstufung auf eine Duldung. Damit aber hätten sie automatisch nur noch Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – etwa ein Drittel weniger als das Sozialhilfeniveau und damit ein Drittel unter dem staatlich festgelegten Existenzminimum. Darüber hinaus hätten sie nur noch Anspruch auf medizinische Hilfe in Notfällen, nicht aber auf eine Behandlung in einer HIV-Spezialpraxis, also bei Ärztinnen und Ärzten, die sich wirklich mit der Krankheit und der Behandlung auskennen. Und nicht zuletzt müssten sie wieder in Gemeinschaftsunterkünften wohnen. Da sie aber aufgrund der Tabuisierung der Krankheit mit völliger sozialer Isolation rechnen müssen, wenn ihre HIV-Infektion bekannt wird, verstecken viele die Medikamente, zum Teil außerhalb der Unterkünfte, und nehmen sie heimlich ein. Die so genannte Behandlungstreue ist dadurch fast unmöglich, was zu Resistenzbildungen und letztendlich zum Therapieversagen führen kann – das ist inhuman und für uns nicht akzeptabel.”
Silke Klumb, DAH-Referentin für Frauen und für Migration, fügt hinzu:
“De facto droht denjenigen, die kein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis nachweisen können, eine massive Verschlechterung ihrer Aufenthaltssituation oder gar die Abschiebung, oft in Länder, in denen eine angemessene HIV-Behandlung nicht möglich ist. Meist besteht aber keine realistische Chance, diese Bedingung zu erfüllen: So erteilen die Arbeitsämter keine Arbeitserlaubnisse, obwohl ihnen das möglich wäre. Außerdem werden Arbeitsstellen zunächst für Deutsche oder andere EU-Bürger freigehalten, und Arbeitgeber scheuen vor einer Anstellung zurück, weil sie nicht wissen, wie lange der Arbeitnehmer in Deutschland bleiben kann. Zu diesen Benachteiligungen und der immer noch alltäglichen Diskriminierung z. B. aufgrund der Hautfarbe kommt bei Migranten mit HIV und Aids verschärfend hinzu, dass die Krankheit nach wie vor ein Tabu ist und es viele unbegründete Ängste und Vorbehalte gegenüber Infizierten gibt.”
“Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert die Innenminister und Innensenatoren daher auf, eine prinzipiell begrüßenswerte Bleiberechtsregelung human zu gestalten. Das heißt für behandlungsbedürftige Menschen mit HIV/Aids, ihnen ein dauerhaftes Bleiberecht zu gewähren, ihnen durch Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu schaffen und jenen, die auf staatliche Leistungen angewiesen sind, eine angemessene gesundheitliche Versorgung und ein menschenwürdiges Leben oberhalb des Existenzminimums zu ermöglichen”, erklärt DAH-Bundesgeschäftsführer Dr. Luis Carlos Escobar Pinzón.