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„Der Universitätsmedizin in Baden-Württemberg droht das Abgleiten ins Mittelmaߓ

Deutsche Hochschulmedizin

Berlin – Expertenforum warnt vor verheerenden Auswirkungen von mehr staatlicher Kontrolle und Universitätsbürokratie durch das geplante Universitätsmedizingesetz.

Mehr Staat, mehr Hochschulverwaltung – weniger Wirtschaftlichkeit, Leistung und Qualität: Dies war das Fazit des Expertenforums zum Universitätsmedizingesetz in Baden-Württemberg, am 14. Januar 2011 in Stuttgart, bei dem namhafte Vertreter deutscher Universitäten, aus Hochschulmedizin, Politik und Wirtschaft den Gesetzesentwurf massiv kritisiert haben. Das Gesetz, das Anfang Februar 2011 im Landtag zur Abstimmung steht, müsse gestoppt oder in wichtigen Punkten überarbeitet werden. „Ansonsten droht ein Abgleiten der Universitätsmedizin in Baden-Württemberg von der Spitzenstellung in das Mittelmaߓ sagte Professor Dr. Dieter Bitter-Suermann, Präsident der Medizinischen Hochschule Hannover und des Medizinischen Fakultätentages (MFT).

Das Expertenforum „Hochschulmedizin in Baden-Württemberg: Mehr Staat und mehr Rektor? Roll back oder Rolle vorwärts?“ wurde von der „Deutschen Hochschulmedizin e.V.“, der Dachorganisation des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) und des MFT, veranstaltet.

Spitzenposition wird ohne Not aufs Spiel gesetzt

Die Experten waren sich einig, dass der vorliegende Entwurf Handlungsspielräume einenge und Entscheidungen verlangsame. Auch die Kompetenz von Universität und Politik in wichtigen Entscheidungen zur Krankenversorgung, die ihnen das neue Gesetz abverlangt, wurde kritisch hinterfragt. Die Leistungsfähigkeit der baden-württembergischen Universitätsklinika in Krankenversorgung, Forschung und Lehre, ihre Spitzenposition im Wettbewerb mit Kliniken und internationalen Forschungseinrichtungen, werde ohne Not aufs Spiel gesetzt. Die Universitätsklinika in Heidelberg, Freiburg, Tübingen und Ulm drohten den Anschluss an den positiven Trend in anderen Bundesländern wie Hamburg, Rheinland-Pfalz und Nordhein-Westfalen zu verlieren, die ihren Uniklinika und Medizinischen Fakultäten mehr Freiheit einräumen und sie damit stärken. Führungskräfte aus der ersten Liga der Hochschulmedizin würden künftig einen Bogen um Baden-Württemberg machen.

Minister Frankenberg: Mehr Exzellenz und Aufsicht

Die Bewertung der Experten stand im klaren Gegensatz zu den Ausführungen des baden-württembergischen Wissenschaftsministers Professor Dr. Peter Frankenberg, der eine Stärkung der wissenschaftlichen Exzellenz durch die stärkere Integration der Hochschulmedizin in die Universität erwartet. Außerdem möchte das Land seine Verantwortung für die Uniklinika durch engere Aufsicht und mehr direkte Eingriffsmöglichkeiten ausüben.

Im Zentrum der Expertenkritik stand die Gewährträgerversammlung, ein neues Gremium, das mit Parlamentariern und Ministerialbeamten besetzt ist und die standort-übergreifende Strategie der Hochschulmedizin in Baden-Württemberg, etwa durch die Bewilligung von Krediten für große Baumaßnahmen, bestimmen soll. Die Experten äußerten sich skeptisch zur Fachkompetenz des rein politischen Gremiums und kritisierten seine Anfälligkeit für Lobbyismus. „Die Einführung der Gewährträgerversammlung würde zudem zu schwerfälligen Abstimmungsprozessen führen, ohne Risiken besser steuern zu können“ sagte Professor Dr. Georg Sandberger, langjähriger Kanzler der Universität Tübingen. Auch Professor Dr. George Turner, ehemaliger Wissenschaftssenator von Berlin, warnte vor der Politisierung von Entscheidungen durch die Gewährträgerversammlung. Das Beispiel Berlin zeige, dass politische Gremien für strategische Entscheidungen der Hochschulmedizin nicht geeignet seien.

Keiner stelle in Frage, dass Universität und Land Einfluss auf die Hochschulmedizin nehmen müssten, betonte Professor Karl Max Einhäupl. Entscheidend sei aber, wie man diesen Einfluss so organisiere, dass am Ende schnelle und gute Entscheidungen stünden. Hier setze man im Gesetzentwurf auf die falschen Konzepte.

Keine klaren Zuständigkeiten und schlanken Strukturen durch das Gesetz

Kritik an dem Gesetzesentwurf übte auch der Präsident der Universität Mainz, Professor Dr. Georg Krausch. Er berichtete über positive Erfahrungen mit dem Universitätsmedizingesetz in Rheinland-Pfalz, das allerdings die Zusammenarbeit zwischen Universität, Wissenschaftsministerium und Universitätsmedizin mit klaren Zuständigkeiten und schlanken Strukturen regele. Im baden-württembergischen Gesetzesentwurf sieht er dies nicht umgesetzt. „Das Verteilen von Verantwortung auf mehrere Personen und Gremien ist keine Lösung, sondern ein Problem.“ Wenn in einem Gesetzesentwurf und den Erklärungen mehr als 60mal das „Einvernehmen“ von Gremien und Personen gefordert sei, seien Reibungsverluste vorprogrammiert.

Der Gesetzentwurf sieht folgende zentrale Punkte vor: • Das Wissenschaftsministerium muss dem Wirtschaftsplan sowie vielfältigen weiteren Einzelentscheidungen zustimmen. • Das Wissenschaftsministerium sichert sich weitergehende Rechte zur Bestellung und Entlassung der Vorstände der Hochschulmedizin. • Eine rein staatliche Gewährträgerversammlung, die zur Hälfte aus Landtagsabgeordneten besteht, soll die strategische Gesamtplanung für die Universitätsmedizin Baden-Württemberg übernehmen. • Der Hochschulrektor soll die Hochschulmedizin in Fragen von Forschung und Lehre nach außen vertreten. • Der Hochschulrektor soll bei der Besetzung aller Führungspositionen in der Hochschulmedizin mitentscheiden.