Berlin – Der Totensonntag am Ende des Novembers gibt Anlass, sich mit der Endlichkeit des eigenen Lebens auseinanderzusetzen. „In diesem Jahr hat die Corona-Krise das Thema Sterben stärker als in vielen anderen Jahren in den Medien präsent werden lassen: Im Lockdown im Frühjahr sind alte und kranke Menschen allein und teilweise ohne den Beistand ihrer An- und Zugehörigen gestorben. Darüber hinaus konnten Freunde und Verwandte nicht in gewohntem Maße Abschied nehmen, da Trauerfeiern auf wenige Besucher begrenzt waren. Diese Ausnahmesituation rückt die Frage ins Blickfeld, wie unsere Gesellschaft mit dem Thema Tod und Sterben umgeht, wie viel Raum wir ihm im Leben einräumen“, erklärt Christoph Radbruch, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV).
Mehr Todesfälle als Geburten in Deutschland – Tendenz steigend
Seit 1972 überschreitet die Zahl der Sterbefälle die der Geburten. Im Jahr 2019 sind in Deutschland 161.430 mehr Menschen gestorben als geboren wurden.1 Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken, da die geburtenstarken Jahrgänge das Rentenalter erreichen. Doch über den eigenen Tod nachzudenken, ihm einen Platz im Leben einzuräumen, ist keine Selbstverständlichkeit: Jeder Vierte beschäftigt sich nie damit.2 Bei der Frage nach den häufigsten Missständen beim Sterben nannten 75 Prozent der Befragten die Verdrängung dieses Themas. 74 Prozent sind der Ansicht, dass das Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen nicht genug Zeit für Sterbende hat, und 73 Prozent betrachten es als häufigen Missstand, dass Menschen alleine sterben und keine Angehörigen haben, die sich kümmern.
„Diese Zahlen stimmen nachdenklich“, so Radbruch. „Vor allem, wenn man bedenkt, dass zwischen 59 und 66 Prozent der Menschen im Krankenhaus oder Pflegeheim sterben.3 In unseren Krankenhäusern werden Patientinnen und Patienten, die unheilbar krank sind und deren Lebenszeit begrenzt ist, behandelt. Dabei steht nicht nur die gute medizinische und pflegerische Versorgung im Mittelpunkt, sondern auch der Versuch, die Lebensqualität in der letzten Lebensphase zu erhalten. Deswegen ist es unseren Mitarbeitenden wichtig, nicht nur die gesundheitliche Situation des Betroffenen umfassend zu berücksichtigen, sondern den ganzen Menschen zu sehen: Welche Gedanken bewegen ihn? Wie sieht er seine Zukunft und welche Wünsche, aber auch Ängste und Sorgen hat er? Wie sollen nahestehende Personen in die Betreuung einbezogen werden? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, ist es wichtig, sich mit der eigenen Endlichkeit und den Wünschen für das Sterben auseinanderzusetzen“ so Radbruch.
„Durch die Vernetzung unserer Häuser in der lokalen diakonischen Versorgungskette und über die Sektorengrenze hinaus ist es außerdem oft möglich, diese Patienten in für sie passende ambulante und stationäre Betreuungsformen zu vermitteln.“
Eine gute medizinische Versorgung gehört zum würdevollen Sterben
Die Mehrheit der Menschen wünscht sich ein Lebensende ohne Schmerzen und mit guter medizinischer Versorgung.3 Eine Aufgabe, die aktuell unter anderem 250 stationäre Hospize für Erwachsene und circa 330 Palliativstationen in Krankenhäusern übernehmen.4 „Mit 67 stationären Hospizen waren 2015 mehr als ein Viertel dieser Einrichtungen in evangelischer Trägerschaft. Patienten am Lebensende qualifiziert und zuwendungsorientiert zu begleiten, wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen: Familien leben an verschiedenen Orten, Kinder und Enkel sind berufstätig und können die Betreuung nicht oder nicht allein übernehmen und immer mehr Menschen leben allein. Mit Blick auf diese demografische Entwicklung wünschen wir uns eine Stärkung dieses Bereichs und eine angemessene Vergütung dieser umfassenden Leistungen“, erklärt Radbruch.
Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband e.V. (DEKV) vertritt mit 201 evangelischen Kliniken an über 270 Standorten jedes achte deutsche Krankenhaus. Die evangelischen Krankenhäuser versorgen jährlich mehr als 2,5 Mio. Patientinnen und Patienten stationär und mehr als 3 Mio. ambulant. Mit über 120.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 10 Mrd. € sind sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Der DEKV ist Branchenverband der evangelischen Krankenhäuser und Mitglied im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. Der DEKV setzt sich insbesondere für eine zukunftsorientierte und innovative Krankenhauspolitik mit Trägervielfalt, verlässliche Rahmenbedingungen für die Krankenhausfinanzierung, eine Modernisierung der Gesundheitsberufe und für eine zukunftsorientierte konsequente Patientenorientierung in der Versorgung ein.
Vorsitzender: Vorsteher Christoph Radbruch, Magdeburg, stellvertr. Vorsitzende: Andrea Trenner, Berlin, Schatzmeister: Dr. Holger Stiller, Düsseldorf, Verbandsdirektorin: Melanie Kanzler, Berlin.
1 www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Geburten/Tabellen/lebendgeborene-gestorbene.html
2 Institut für Demoskopie Allensbach (2019). Wie wollen wir sterben? Wünsche und Beobachtungen der Bevölkerung. Eine Repräsentativbefragung für das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung. Allensbach, Berlin. In: Auf ein Sterbenswort – Wie die alternde Gesellschaft dem Tod begegnen will. Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, 2. Auflage 2020.
3 Auf ein Sterbenswort – Wie die alternde Gesellschaft dem Tod begegnen will. Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, 2. Auflage 2020.
4 www.dhpv.de/service_zahlen-fakten.html, zuletzt eingesehen am 18.11.2020.