Berlin – Gut ausgebildete Pflegekräfte sind wichtig, denn jede:r kann erkranken oder pflegebedürftig werden. Voraussetzung für eine Tätigkeit in diesem systemrelevanten Beruf ist eine qualifizierte Ausbildung. Mit der seit 2020 modernisierten Pflegeausbildung wurde die Ausbildung zukunftsfähig neu gestaltet: Sie führt die Ausbildungen in der Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege und Gesundheits- und Kinderkrankenpflege in der gemeinsamen Ausbildung zur Pflegefachfrau/zum Pflegefachmann zusammen. Zudem sind primärqualifizierende Pflegestudiengänge eingeführt worden. Damit sollen Pflegende für die Beschäftigung in allen Versorgungsbereichen qualifiziert vorbereitet und eine neue Weiterbildungskultur für Pflege in den Krankenhäusern etabliert werden. Fakt ist aber auch: Je nach Region beenden bis zu 25 Prozent der angehenden Pflegefachpersonen ihre Ausbildung nicht. „Ziel der evangelischen Krankenhäuser, von denen mehr als 80 Prozent in den Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufen ausbilden, ist es, den Anteil derjenigen deutlich zu senken, die ihre Ausbildung wechseln oder vorzeitig beenden“, betont Christoph Radbruch, Vorsitzender des DEKV. Wie das gelingen kann, stand im Mittelpunkt des Parlamentarischen Frühstücks „Pflegeausbildung – durchhalten lohnt!“ des DEKV anlässlich der bundesweiten Aktionswoche „Take care! Zur Attraktivität sozialer Berufe“.
Praxisanleitung stärken
Mit der Einführung der generalistischen Ausbildung ist die Gruppe der Auszubildenden heterogener geworden: Altersstruktur, Leistungsniveau und kultureller Hintergrund unterscheiden sich heute stärker als früher. Die Altersspanne beispielsweise reicht von 15 bis 55 Jahre. Zudem ist der Anteil der ausländischen Auszubildenden in den Gesundheits- und Pflegeberufen von 6,5 Prozent im Jahr 2010 auf 16,6 Prozent im Jahr 2019 angestiegen. Auf diese Veränderungen müssen Praxisanleiter:innen eingehen können, um die Auszubildenden dort abzuholen, wo sie stehen und herausfordernde oder belastende Situationen in der praktischen Ausbildung aufzuarbeiten. Im Rahmen der dreijährigen Ausbildung sind 2.500 Praxisstunden vorgesehen, zehn Prozent davon als Praxisanleitung. Um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden, muss der Anteil der Praxisanleitung auf 20 Prozent (500 Stunden) erhöht werden. Die hinzugewonnenen 250 Stunden sollen flexibel einsetzbar sein und Praxisanleiter:innen ermöglichen, Gespräche flexibel, alters- und leistungsgerecht zu gestalten. Sie bieten zudem die Möglichkeit, betreuungsintensive Auszubildende zu fördern und ermöglichen es, sensibel und adäquat auf die kulturelle Vielfalt unter den Auszubildenden einzugehen. Konsens der Diskussionspartner:innen war es, dass eine gute und umfassende Praxisanleitung ein wichtiger Baustein für eine qualifizierte Ausbildung ist und wesentlich zu dem Ziel beiträgt, Ausbildungsabschlüsse zu stärken.
Berufsorientierung und Praxiseinblick intensivieren
Die Erwartungen an eine Tätigkeit in der Pflege sind vielfältig. Umso wichtiger ist es, vor der Entscheidung für oder gegen eine Ausbildung einen umfassenden Einblick in den Berufsalltag zu erhalten. Das unterstreichen auch die Erfahrungen der ausbildenden Krankenhäuser und der Pflegeschulen: Die meisten Ausbildungswechsel oder -abbrüche erfolgen in der Probezeit oder den ersten eineinhalb Ausbildungsjahren. Daher sind Berufsorientierungstage, Praktika oder auch die längeren Praxiseinblicke in Form eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) wertvolle Erfahrungen, um eine fundierte und individuell passende Entscheidung zu treffen. Dies gilt umso mehr, wenn Praktika fachlich betreut und anschließend gemeinsam reflektiert werden. Daher müssen die Möglichkeiten, vor der Entscheidung für eine Ausbildung in der Pflege Einblicke in die berufliche Praxis zu erhalten, erweitert und in ihrer zeitlichen Dauer flexibler gestaltet werden, beispielsweise in Form eines halb- oder vierteljährlichen FSJs.
Pflegeassistenz und Pflegehelfer bundeseinheitlich regeln
Einen niederschwelligen Einstieg in das Berufsfeld Pflege bietet die Ausbildung zur Pflegehelferin beziehungsweise zum Pflegehelfer oder zur Pflege(fach)assistenz. Seit 2003 sind diese Berufe nicht mehr bundeseinheitlich geregelt, sondern unterliegen der Zuständigkeit der Länder. Die Entwicklungsmöglichkeiten in einem Berufsfeld sind ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für eine Ausbildung. Daher ist in den Pflegeberufen ein durchgängiges Qualifikationsmodell, das sich am europäischen beziehungsweise deutschen Qualifikationsrahmen orientiert, wichtig. Um dieses zu etablieren und eine Durchlässigkeit von der Assistenzqualifikation bis zur Promotion zu erreichen, ist eine bundesweit einheitliche generalistische Regelung der Ausbildung zur Pflegehelferin oder zum Pflegehelfer beziehungsweise zur Pflegeassistenz eine notwendige Voraussetzung. Nur so sind lebenslanges Lernen und attraktive Karrieren im Berufsfeld möglich.
Organisation der Pflegeausbildung flexibilisieren
Alter und Lebenslagen der Auszubildenden sind heute oft heterogen und Lebenswege nicht immer geradlinig. Daher gewinnen flexible Ausbildungsformen an Bedeutung, um den unterschiedlichen Lebenssituationen gerecht zu werden. Die Praxis zeigt schon heute, dass Modelle wie eine Teilzeitausbildung mit verlängerter Ausbildungszeit gut angenommen werden. Das zeigt: Es müssen die Grundlagen für eine weitere Flexibilisierung beispielsweise in Form von Abendschule oder Ausbildungen mit flexibler Zeit- und Urlaubsgestaltung geschaffen werden. Zudem muss eine Unterbrechung der Ausbildung innerhalb der maximalen Ausbildungsdauer von fünf Jahren möglich sein. Neben einer flexiblen Ausbildungsorganisation benötigen die Auszubildenden je nach persönlichem und familiärem Hintergrund weitere Unterstützung, beispielsweise eine seelsorgerische oder sozialpsychologische Betreuung. Daher sollte das in einigen Bundesländern an allgemeinbildenden Schulen etablierte Modell der Schulsozialarbeit auf die Pflegeschulen ausgeweitet und regelhaft finanziert werden.
Entwicklung und Aufstiege in der Pflege konsequent fördern
Wie geht es nach der Ausbildung weiter? Diese Frage nach der beruflichen Perspektive stellt sich spätestens im dritten Ausbildungsjahr. Für Arbeitgeber bietet sie die Chance, Auszubildende über eine Weiterbildungskultur zu binden. Diese muss die gewünschten Perspektiven und die Vielfalt der Pflegekarrieren, beispielsweise in Form von Fachweiterbildungen, Fortbildung in der Praxisanleitung, zur Stationsleitung oder einem Pflegestudium, bereits während der Ausbildung aufzeigen. Auch hier sind flexibel gestaltete Angebote wichtig, um auf die Lebenssituationen der Teilnehmer:innen einzugehen. Durch die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung müssen sowohl die geltenden Fort- und Weiterbildungsordnungen als auch die personellen Anforderungen der Qualitätsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) so überarbeitet werden, dass sie generalistisch anschlussfähig sind.
Rahmenbedingungen in der Pflege verbessern
Gute Rahmenbedingungen in der Pflege fangen in der Ausbildung an: Auszubildende brauchen verlässliche Strukturen, um ihre Fähigkeiten und Kompetenzen zu entwickeln. Daher darf der Fachkräftemangel Ausbildungszeiten nicht negativ beeinflussen. Das bedeutet, Krankenhäuser müssen ein ausbildungssensibles Ausfallmanagement etablieren, um personellen Engpässen zu begegnen. Darüber hinaus brauchen Auszubildende eine emphatische Begleitung durch die Praxisanleiter:innen sowie bei Bedarf unterstützende seelsorgerische sowie soziale Angebote. Für den langfristigen Verbleib im Beruf sind Erfahrungen der Selbstwirksamkeit und eine eigenverantwortliche Tätigkeit wichtig. Eine aktive Einbindung der Pflegefachkräfte in die Abläufe und Organisation der Stationen erhöht die Selbstwirksamkeit und die Wertschätzung für das eigene Tun. Die in der neuen Pflegeausbildung verankerten vorbehaltenen Tätigkeiten unterstreichen die Qualifikation und Eigenverantwortlichkeit der Pflege. Für eine interprofessionelle Teamarbeit aller pflegerischen, therapeutischen und medizinischen Professionen müssen diese vorbehaltenen Tätigkeiten (Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs, Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses sowie Analyse, Evaluation, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege) gestärkt und vom Gesetzgeber konkretisiert werden.
„Pflege ist ein attraktives und zukunftsorientiertes Berufsfeld. Die OECD bezeichnet die Gesundheits- und Sozialdienstleistungen als Boombranche der nächsten Jahrzehnte. Für diese Entwicklung brauchen wir qualifizierte Beschäftigte in der Pflege und eine gute und umfassende Ausbildung ist dafür eine Grundlage. Deshalb müssen Politik, Krankenhäuser, Pflegeschulen und die Gesellschaft als Ganzes zusammen daran arbeiten, die Ausbildung und das Berufsbild Pflege attraktiv zu gestalten. Als evangelische Krankenhäuser setzen wir uns dafür ein, die Ausbildungsabschlüsse in der Pflege zu stärken. Was dazu notwendig ist, haben wir in einem Sechs-Punkte-Plan zur Stärkung von Abschlüssen in der Pflegeausbildung zusammengefasst“, erklärt Radbruch.
Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband e.V. (DEKV) vertritt mit 201 evangelischen Kliniken an über 270 Standorten jedes achte deutsche Krankenhaus. Die evangelischen Krankenhäuser versorgen jährlich mehr als 2,5 Mio. Patientinnen und Patienten stationär und mehr als 3 Mio. ambulant. Mit über 120.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 10 Mrd. € sind sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Der DEKV ist Branchenverband der evangelischen Krankenhäuser und Mitglied im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. Der DEKV setzt sich insbesondere für eine zukunftsorientierte und innovative Krankenhauspolitik mit Trägervielfalt, verlässliche Rahmenbedingungen für die Krankenhausfinanzierung, eine Modernisierung der Gesundheitsberufe und für eine zukunftsorientierte konsequente Patientenorientierung in der Versorgung ein.
Vorsitzender: Vorsteher Christoph Radbruch, Magdeburg, stellvertr. Vorsitzende: Andrea Trenner, Berlin, Schatzmeister: Dr. Holger Stiller, Düsseldorf, Verbandsdirektorin: Melanie Kanzler, Berlin.