Berlin – Harninkontinenz ist ein immer noch sehr tabuisiertes Leiden. Die Fähigkeit zur Blasenkontrolle wird als Meilenstein der kindlichen Entwicklung und als Indikator für die geistigen und sozialen Fähigkeiten einer Person angesehen. Wer inkontinent ist, also die Blase nicht mehr jederzeit kontrollieren kann, gerät leicht in den Verdacht, auch in der geistigen Leistungsfähigkeit eingeschränkt zu sein und gilt schnell als problematisch im sozialen Umgang. Das neue Heft der Gesundheitsberichterstattung (GBE) mit dem Titel Harninkontinenz fasst auf gut 40 Seiten die wichtigsten Fakten zu Verbreitung, Ursachen, Folgen, Therapie- und Präventionsmöglichkeiten zusammen. Außerdem werden eine Reihe von Vorurteilen und Fehleinschätzungen bei Betroffenen, Medizinern und in der Gesellschaft zu dieser Gesundheitsstörung angesprochen.
Die psychischen und sozialen Folgen von mehr als geringfügiger Inkontinenz können erheblich sein. Dazu gehören Einschränkungen von Alltagsaktivitäten, sozialen Kontakten und Freizeitunternehmungen sowie Belastungen durch Scham- und Minderwertigkeitsgefühle. Insbesondere im Alter kann daraus Vereinsamung und beschleunigter Verfall entstehen. Versuche, das Leiden durch eingeschränkte Flüssigkeitsaufnahme zu beeinflussen, können zu Kreislaufproblemen oder Verwirrtheit führen. Inkontinenz ist zudem ein wesentlicher Grund für Pflegebedürftigkeit, Heimunterbringung und Wundliegen (Dekubitus).
Die Ursachen und Risikofaktoren für Harninkontinenz sind vielfältig. Für manche Risikofaktoren lassen sich Präventionsmöglichkeiten ableiten. Vor allem wegen der anatomischen Unterschiede ist bei Frauen Inkontinenz häufiger als bei Männern. Ihr flexiblerer Beckenboden wird zudem durch Schwangerschaften und Entbindungen stark beansprucht. Das Risiko erhöhen auch manche Krankheiten oder die Einnahme bestimmter Medikamente. Auch medizinische Eingriffe wie die in Deutschland sehr verbreitete Gebärmutterentfernung können eine Harninkontinenz fördern. Mit der Lebensweise verbundene Risiken sind zum Beispiel schwere körperliche Belastungen (vor allem schweres Heben), mangelnde körperliche Fitness, starkes Übergewicht und Rauchen. Im Alter gibt es zusätzliche Risiken, wie zum Beispiel Immobilität, funktionale Einschränkungen und Demenz.
Die Häufigkeit von Inkontinenz steigt mit zunehmendem Alter an, insbesondere durch die Häufung von Risikofaktoren. Der Schweregrad der Inkontinenz und das Ausmaß der Beeinträchtigung sind wichtige Kriterien für den Versorgungsbedarf. Von den Befragten, die beim Telefonischen Gesundheitssurvey 2005 des Robert Koch-Institutes angaben, von unfreiwilligem Harnverlust betroffen zu sein, gab der überwiegende Teil geringe bis mäßige Beeinträchtigungen an.
Es gibt gute hausärztliche Behandlungs- und Beratungsmöglichkeiten bei Inkontinenz, für komplizierte Fälle zudem zahlreiche spezialärztliche Methoden. Für einen Therapieversuch mit nicht eingreifenden (nicht invasiven) Methoden ist keine aufwändige oder unangenehme Diagnostik nötig.
Das GBE-Heft Harninkontinenz kann schriftlich kostenlos bestellt werden (Robert Koch-Institut, Gesundheitsberichterstattung, Seestraße 10, 13353 Berlin, E-Mail: gbe@rki.de, Fax: 030-18754-3513) und ist im Internet unter http://www.rki.de abrufbar.