Berlin – Die Petition der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) zu den Mängeln in der medizinischen und pflegerischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen aufgrund einer verfehlten Bedarfsplanung wurde am 26. Oktober in der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses erörtert.
In ihrer Petition fordert die DAKJ als Dachverband aller kinder- und jugendmedizinischen Gesellschaften und Verbände in Deutschland längst überfällige Verbesserungen der Ausbildung zur Kinderkrankenpflege und der Aus- und Weiterbildung zu Kinder- und Jugendärztin/-arzt bzw. Kinder- und Jugendpsychiater/in. Auf gleich mehreren weiteren Feldern mahnt die DAKJ dringenden Verbesserungsbedarf an.
(Den Wortlaut der Petition finden Sie unter: www.dakj.de/projekte/petition-fuer-bessere-rahmenbedingungen-in-der-medizinischen-versorgung-unserer-kinder-und-jugendlichen/)
In seinem einführenden Vortrag erläutert Prof. Dr. med. Hans-Iko Huppertz, Generalsekretär der DAKJ und Petent, eindrücklich die akute Gefährdung der Versorgungsqualität in den Kinder- und Jugendarztpraxen, Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin sowie im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Kinderchirurgie, die sich im Zuge der Maßnahmen zur Eindämmung der SARS CoV-2 Pandemie noch verschärft haben.
Insbesondere Kinderkliniken sind – infolge einer jahrelangen verfehlten Politik von Bund und Ländern – einem massiven wirtschaftlichen Druck ausgesetzt. „Es muss daher mehr unternommen werden, um ein weiteres Kinderkliniksterben zu verhindern“ fordert Huppertz und begrüßt, dass dieses Problem mittlerweile auch vom Gemeinsamen Bundesausschuss aufgriffen wurde, der festgelegt habe, dass Kinderkliniken zur Daseinsvorsorge gehören und den Anspruch auf Sicherstellungszuschläge auf Krankenhäuser mit Kinderabteilungen ausgeweitet hat. Die bisherige Ausgestaltung dieser Verbesserung ist aber noch unzureichend.
Auch die von der DAKJ seit Jahren beklagten Defizite im öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) hat die aktuelle Pandemie schonungslos offengelegt. Die Initiative mehr Personal einzustellen wird daher ausdrücklich von allen Teilnehmern begrüßt, allerdings fehlt es laut Huppertz immer noch an einem schlüssigen Gesamtkonzept.
Der Zugang zur ambulanten pädiatrischen Versorgung ist für Kinder und Jugendliche ebenfalls nicht regelhaft gewährleistet. Eltern kranker Kinder warten teilweise wochenlang auf Termine. Hinsichtlich des Terminservicegesetzes (TSVG) berichtet Huppertz daher von „gemischten Erfahrungen“. So seien die neuen Möglichkeiten zur Terminvereinbarung insbesondere in vulnerablen Gruppen kaum bekannt, hier müssten Eltern und Kinder über Lotsen durch das Versorgungssystem begleiten werden.
Birgit Pätzmann-Sietas vom Vorstand des Berufsverbandes Kinderkrankenpflege Deutschland und Mit-Petentin erläuterte die schwierige Lage der Kinderkrankenpflege, obwohl, so hebt sie hervor, in der Kinder- und Jugendmedizin Ärzte und Pflege schon lange geeint seien, durch die Sorge um das erkrankte Kind, so leide die Kinderkrankenpflege – ebenso wie die Pädiatrie – unter einem erheblichen Fachkräftemangel. Das neue Pflegeberufegesetz bereite Probleme in der Umsetzung, da kinderpflegerische Vertiefungsansätze unzureichend und das Wahlrecht zur Spezialisierung in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege in den Pflegeschulen einiger Bundesländer gar nicht angeboten werden.
Um den ärztlichen Nachwuchs zu sichern sprach sich der Generalsekretär der DAKJ für eine Steigerung der Medizinstudienplätze um 30% aus und warb zugleich für eine Weiterbildungsförderung in der Pädiatrie analog zu den Programmen in der Allgemeinmedizin.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Dr. Thomas Gebhart (CDU), unterstützt die Forderung der DAKJ. Zwar weise die neue Bedarfsplanung der Bundesregierung bundesweit 408 neue Zulassungsmöglichkeiten für Pädiater aus, dies genüge jedoch nicht, wenn es zu wenig Nachwuchs an Ärzten gebe. „Wer die ärztliche Versorgung in zehn oder zwanzig Jahren sichern möchte, muss heute junge Ärztinnen und Ärzte ausbilden, was Sache der Bundesländer ist, die hier dringend gefordert sind“, betont er.
Ein weiteres Ziel der Eingabe ist es sicherzustellen, dass die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention gerecht wird. Diese sieht Gebhart in Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern als erfüllt an. Es gebe zwar Herausforderungen, die aber angegangen würden. So bestünde die Möglichkeit, Krankenhäuser für die ambulante Behandlung zu öffnen. In „unterversorgten Gebieten“ sei eine solche Öffnung vorgesehen. Das Ziel der Bundesregierung sei es aber, dass auch in ländlichen Regionen die ambulante Versorgung gewährleistet werden kann. Hingegen sieht Huppertz erhebliche Probleme der zukünftigen Aufrechterhaltung der noch ausreichenden ambulanten Versorgung, besonders wegen des Nachwuchsmangels.
Bezüglich der Frage zur vorbeugenden Arzneimittelsicherheit für Kinder habe es von Seiten der EU-Kommission im Sommer eine Evaluation der Gesetzgebung gegeben, die auch Verbesserungsansätze aufzeige, allerdings ließen sich zum aktuellen Zeitpunkt noch keine konkreten Maßnahmen daraus ableiten.
Professor Huppertz beschließt die Anhörung mit den Worten, dass die Bundesregierung mit ihren Bemühungen um eine bessere Gesundheitsversorgung sicherlich den richtigen Weg eingeschlagen habe, dies könne aber die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz nicht ersetzen.
Das abschließende Votum des Petitionsausschusses soll in einer späteren Sitzung erfolgen. Die Aufzeichnung der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses finden Sie unter:
www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw44-pa-petitionen-799862
Birgit Pätzmann-Sietas, Vorstandsmitglied des Berufsverbands Kinderkrankenpflege Deutschland e. V.
Prof. Dr. med. Hans-Iko Huppertz, Generalsekretär der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e. V.