Berlin – Der Bundestag hat heute das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) beschlossen. Mit dem Gesetz werden weitere Bereiche der Gesundheitsreform umgesetzt. Die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen für den Gesundheitsfonds stehen, so dass dieser planmäßig zum 1. Januar 2009 eingeführt werden kann.
Die Krankenkassen werden zum Start des Gesundheitsfonds entschuldet sein. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die künftig geltende Insolvenzfähigkeit aller Krankenkassen. Bislang konnten nur bundesweit tätige Kassen insolvent werden. Die Krankenkassen treten damit unter gleichen Bedingungen in einen fairen Wettbewerb. Neben der Insolvenzfähigkeit und den Regelungen über die Zuweisungen, die die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds bekommen, enthält das Gesetz weitere Bestimmungen, die die Patientenversorgung verbessern.
Die wichtigsten Neuregelungen im Überblick:
Insolvenz
Bislang sind nur Kassen unter Bundesaufsicht insolvenzfähig. Zum 1. Januar 2010 werden auch die Krankenkassen insolvenzfähig, die unter der Aufsicht der Länder stehen. Diese Ungleichbehandlung wird damit aufgehoben. Alle Kassen müssen ab diesem Zeitpunkt ihre Bücher nach einheitlichen und gleichen Vorschriften führen, die stärker an das Handelsgesetzbuch angepasst sind. Das erhöht die Transparenz.
Die Krankenkassen werden verpflichtet, für ihre Versorgungszusagen an die Beschäftigten ein ausreichendes Deckungskapital im Zeitraum von längstens 40 Jahren zu bilden.
Im Interesse der Versicherten und der Beschäftigten enthält das GKV-OrgWG Maßnahmen, um eine Insolvenz oder Schließung einer Kasse zu vermeiden. Dazu gehören freiwillige vertragliche Regelungen über Finanzhilfen innerhalb der Krankenkassen der Kassenart und finanzielle Hilfen zu Fusionen durch den Spitzenverband.
Sozialmedizinische Nachsorge für schwerkranke Kinder
Ein unverzichtbarer Baustein in der Versorgung von schwerkranken Kindern ist die sozialmedizinische Nachsorge. Initiativen wie der Bunte Kreis bieten Familien Hilfe, wenn ihr schwerkrankes Kind aus dem Krankenhaus entlassen wird und weiter ambulant behandelt und betreut werden muss. Der bisherige Ermessensanspruch auf sozialmedizinische Nachsorge wird in einen Rechtsanspruch umgewandelt. Außerdem wird die Altersgrenze dafür von 12 auf 14 Jahre angehoben.
Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern
Zur Verbesserung des Kinderschutzes haben viele Bundesländer gesetzliche Regelungen auf den Weg gebracht. Ziel ist: die Teilnahmequoten an den Früh-erkennungsuntersuchungen zu erhöhen. In dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung ist darüber hinaus vorgesehen, dass die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen mit den zuständigen Stellen der Länder (z. B. Gesundheits-/ Jugendämter) Rahmenvereinbarungen schließen, um möglichst alle Kinder und Jugendlichen zu erreichen.
Enterale Ernährung
Der Leistungsanspruch auf enterale Ernährung wird präzisiert. Der Gemeinsame Bundesausschuss erhält den Auftrag, eine neue Liste der verordnungsfähigen Produkte zur enteralen Ernährung zu erstellen. Damit wird klargestellt, welche Produkte unter welchen Voraussetzungen von der/m Ärztin/Arzt verordnet werden können. Bis diese Liste fertig ist, besteht der Leistungsanspruch auf enterale Ernährung wie bisher.
Hilfsmittelversorgung
Im Hilfsmittelbereich werden praktische Schwierigkeiten beseitigt und die Kontinuität der Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln auf hohem Qualitätsniveau gesichert. So wird es künftig Empfehlungen geben, wann Ausschreibungen im Hilfsmittelbereich sinnvoll sind. Außerdem wird klargestellt, dass die Krankenkassen nicht um jeden Preis ausschreiben müssen. Mit der Gesundheitsreform wurde geregelt, dass die Kassen nur noch Hilfsmittel der Anbieter erstatten, mit denen Verträge geschlossen worden sind. Die Übergangsfrist für diese Regelung wird von Ende 2008 auf Ende 2009 verlängert. Weitere Regelungen zielen darauf ab, unzulässige Praktiken in der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Hilfsmittelerbringern bei der Versorgung der Versicherten zu verhindern.
Altersgrenze für Ärztinnen und Ärzte
Die Altersgrenze für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte wird aufgehoben. Künftig können Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten auch nach Vollendung des 68. Lebensjahres ärztlich tätig sein. Damit wird nicht nur dem Wunsch vieler Betroffener entsprochen, sondern auch der Tatsache Rechnung getragen, dass einige Praxen in ländlichen Regionen nicht nachbesetzt werden können. Diese Regelungen treten rückwirkend zum 01.10.2008 in Kraft.
Quoten für psychotherapeutisch tätige Leistungserbringer
Die Mindestquote für überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärztinnen und Ärzte wird auf 25 Prozent festgelegt. Diese Quote entspricht im Wesentlichen dem Versorgungsanteil, den diese Ärzte bereits heute in vielen Regionen erreichen. Die neu vorgesehene bedarfsplanungsrechtliche Mindestquote für psychotherapeutisch tätige Leistungserbringer, die ausschließlich Kinder und Jugendliche betreuen, wird von 10 auf 20 Prozent erhöht (z. B. Kinder- und Jugendpsychotherapeuten). Die Quote wird damit dem Anteil von Kindern und Jugendlichen an der Bevölkerung angeglichen.
Hausarztzentrierte Versorgung
Die hausarztzentrierte Versorgung wird mit dem Gesetz neuen Schwung bekommen. Den Krankenkassen wird eine Frist bis zum 30. Juni 2009 gesetzt, um Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Hausärzte vertreten. Damit wird das eigenständige Verhandlungsmandat von Hausärzten bei der hausarztzentrierten Versorgung gestärkt.
Konvergenz
Das Gesetz sieht vor, dass Krankenkassen in Ländern mit bisher überdurchschnittlichen Beitragseinnahmen und Ausgaben in einer Übergangsphase zusätzliche Mittel aus dem Gesundheitsfonds erhalten. Diese Mittel sollen aus der Liquiditätsreserve des Fonds finanziert werden. Durch diese Regelung wird sichergestellt, dass die Strukturen in den betroffenen Ländern schrittweise an die neuen Finanzierungswege angepasst werden.
Neuregelung der Vergabebestimmungen
Für Einzelverträge der gesetzlichen Krankenkassen gilt in Zukunft das materielle Vergaberecht. Je nach Ausgestaltung sind die Krankenkassen damit verpflichtet, die Verträge europaweit auszuschreiben. Die vergaberechtliche Nachprüfung erfolgt vor den Vergabekammern, die gerichtliche Überprüfung vor den Landessozialgerichten. Durch diese eindeutigen Regelungen werden Unklarheiten beseitigt, die den Abschluss sinnvoller Verträge (z. B. Arzneimittel-Rabatt-verträge), die zur Verbesserung der Versorgung der Versicherten beitragen, behindert haben.
Die Regelungen des Gesetzes, die zur Verbesserung der Patientenversorgung beitragen, treten bereits am 01.01.2009 in Kraft.
Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.
Weitere Infos unter: http://www.bmg.bund.de.