Berlin/Gütersloh – Der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) hat gestern in Berlin 26 geförderte Projekte zu der in 2016 ausgeschriebenen zweiten Welle der neuen Versorgungsformen bekannt gegeben. Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe mit Sitz in Gütersloh hat eine Förderzusage für ein einzigartiges Schlaganfall-Versorgungsprojekt in ihrer Heimatregion erhalten.
Gemeinsam mit zahlreichen Partnern aus dem Gesundheitswesen sollen 2.000 Schlaganfall-Patienten aus der Region in den kommenden drei Jahren durch Schlaganfall-Lotsen betreut werden. Das Fördervolumen für das Projekt STROKE OWL wird rund 7 Millionen Euro betragen.
Die Mittel stammen aus dem Innovationsfonds der Bundesregierung. Mit ihm sollen zukunftsweisende Projekte in der Gesundheitsversorgung gefördert werden. Ziel des Fonds ist es, die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zu verbessern, vor allem über die Grenzen der einzelnen Gesundheitssektoren hinaus. Ambulante und stationäre Versorgung, Kliniken und niedergelassene Ärzte und Therapeuten sollen besser kooperieren, zugunsten ihrer Patienten.
Voraussichtlicher Projektstart im Herbst
Vor der endgültigen Förderzusage muss die Deutsche Schlaganfall-Hilfe ihre Projektplanung noch einmal überarbeiten und einige Positionen kürzen. Dr. Michael Brinkmeier, Vorstandsitzender der Stiftung, erwartet aber keine wesentlichen Hürden. Er rechnet mit einem Projektstart im Herbst 2017.
In OWL erleiden pro Jahr 6.000 bis 7.000 Menschen einen Schlaganfall. Jährlich 1.000 von ihnen sollen künftig durch 15 Schlaganfall-Lotsen betreut werden. Zum Hintergrund: Akut werden Schlaganfall-Patienten in Deutschland auf mehr als 300 zertifizierten Stroke Units (Schlaganfall-Spezialstationen) hervorragend versorgt. Auch die neurologische Rehabilitation hat ein hohes Qualitätsniveau. Probleme bereitet den Patienten unser komplexes Gesundheitssystem in der Nachsorge, wenn sie mit den Folgen ihrer Erkrankung leben müssen. Vielen fehlt es an Begleitung, Beratung und an der Organisation ihrer Versorgung.
Lotsen beraten und koordinieren
Schlaganfall-Lotsen kommen aus einem Gesundheitsberuf (Pflege, Therapie oder ähnlich) und absolvieren eine Zusatzqualifikation in „Case Management“. Ein solches Fall-Management folgt einem klaren Ablaufschema. Es bietet sich immer dann an, wenn die Versorgung besonders komplex wird und viele Beteiligte über einen längeren Zeitraum hinweg koordiniert werden müssen: Akutklinik, Rehaklinik, Hausarzt, Neurologe, verschiedene Therapeuten, das Sanitätshaus, die Krankenkasse, die Rentenversicherung. Die meisten Patienten sind damit überfordert, diesen Prozess selbst zu steuern. Ihre Hausärzte sind es in der Regel allein zeitlich. Integrierend, koordinierend und anwaltschaftlich setzen sich die Schlaganfall-Lotsen für ihre Patienten ein. Sie sorgen für reibungslose Abläufe und für einen Kommunikationsfluss, beraten die Patienten und schalten sich insbesondere bei Problemen ein.
Uni Bielefeld leitet die Studie
Verbunden mit dem Projekt ist eine wissenschaftliche Studie, durchgeführt durch die Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. Dazu werden zu Beginn und am Ende der Betreuung viele Daten der Patienten erhoben, zum Beispiel Blutdruck-, Blutzucker- und Cholesterinwerte. Gemessen werden auch die Lebensqualität und die Selbständigkeit der Patienten. Alle Werte werden mit zwei Vergleichsgruppen von Patienten aus dem Siegerland verglichen, deren Alter und Lebensbedingungen den ostwestfälischen Patienten ähneln. Erwartet wird, dass die OWL-Gruppe gesünder abschneidet und vor allem deutlich weniger wiederholte Schlaganfälle erleidet.
Auch die Fachwelt begrüßt das Projekt der Schlaganfall-Hilfe.
„Deutschland soll weltweit nicht nur in der Akutversorgung des Schlaganfalls einen Spitzenplatz einnehmen, sondern künftig auch in der Nachsorge. Dazu kann dieses Projekt einen wichtigen Beitrag leisten“, sagt der Berliner Neurologe Prof. Dr. Darius Günther Nabavi. Als Vorsitzender der Stroke Unit Kommission der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft ist er zuständig für die Qualitätskriterien in der klinischen Akutversorgung des Schlaganfalls.
Nahezu alle in der Region sind beteiligt
Die meisten Krankenkassen in OWL beteiligen sich an dem Projekt, ebenso wie nahezu alle neurologischen Akut- und Rehabilitationskliniken. Sollten sich die Annahmen der Deutschen Schlaganfall-Hilfe bestätigen, werden die Krankenkassen voraussichtlich die Finanzierung der Schlaganfall-Lotsen in Ostwestfalen-Lippe dauerhaft übernehmen. Das wäre modellhaft für ganz Deutschland, andere Regionen werden nachziehen. Ziel der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe ist es, dass Schlaganfall-Lotsen generell in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen werden und allen Patienten in Deutschland zur Verfügung stehen. Darüber hinaus wäre das Modell möglicherweise auf andere Krankheitsbilder übertragbar.
Projekt STROKE OWL
Antragsteller und Projektleitung:
- Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe
Konsortialpartner (Mitantragsteller):
- Universität Bielefeld / Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie
- TK
- IKK classic
- OFFIS Institut für Informatik Oldenburg
Weitere Projektpartner:
- Stroke Units (Schlaganfall-Spezialstationen) in OWL
- Neurologische Rehabilitationskliniken in OWL
- Verschiedene Ärztenetze in OWL
- Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe
- AOK Nordwest
- Barmer GEK
- DAK
- Arbeitsgemeinschaft der Betriebskrankenkassen in Ostwestfalen-Lippe (BKK OWL)