Hamburg – Der Hamburger Senat sowie das Hessische Kabinett haben beschlossen, eine Gesetzesinitiative zur Diamorphinbehandlung in den Bundesrat einzubringen. Damit sollen die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um die diamorphingestützte Substitution als zusätzliche Therapiemöglichkeit bei der Behandlung eines eng definierten Kreises von Schwerstopiatabhängigen in Deutschland anwenden zu können.
Das dem Gesetzentwurf zugrunde liegende Konzept sieht die Diamorphinbehandlung als nachrangige Behandlungsform für Schwerstopiatabhängige vor, bei denen ernsthafte Behandlungsversuche mit herkömmlichen Substitutionsmitteln einschließlich psychosozialer Betreuung nicht zum Erfolg geführt haben. Die Behandlung soll einzelfallbezogen regelmäßig durch externe Experten überprüft und nur in Einrichtungen durchgeführt werden, die über eine Erlaubnis verfügen. Eine take-home-Vergabe von Diamorphin wird ausgeschlossen. In den ersten Monaten der Behandlung soll eine psychosoziale Betreuung obligatorisch sein.
Gesundheitssenatorin Birgit Schnieber Jastram und Sozialministerin Silke Lautenschläger: “Die Modellprojekte zur Diamorphinbehandlung in Hamburg und Frankfurt am Main haben gezeigt, dass Opiatabhängige therapeutisch erreicht werden können. Es konnten beachtliche Erfolge erzielt werden. Die Projektarbeiter haben in beiden Städten gute Arbeit geleistet und wir werden sie in ihren Anliegen weiter unterstützen. Mit einer eng begrenzten und streng kontrollierten Diamorphinbehandlung wollen wir schwerstabhängigen Menschen helfen, bei denen alle anderen Therapiemaßnahmen versagt haben. Eine gesetzliche Regelung ist hier zwingend erforderlich, um einheitliche Qualitätsstandards bei der Behandlung mit Diamorphin zu gewährleisten und eine Überleitung der Behandlung in die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung zu ermöglichen. Die Fortführung der Diamorphinbehandlung im Wege der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen, so wie bisher, ist nur als Übergangslösung vertretbar. Deshalb wollen wir nun gemeinsam möglichst viele andere Bundesländer sowie Abgeordnete des Deutschen Bundestages mit unseren guten Argumenten für eine gesetzliche Regelung und die Fortführung der Diamorphinbehandlung überzeugen.”
Anforderungen der gemeinsamen Bundesratsinitiative Hamburgs und Hessens an eine Diamorphinbehandlung in Deutschland: – Uneingeschränktes Behandlungsziel für die Diamorphinbehandlung ist – analog zur Substitutionsbehandlung mit Methadon oder anderen zugelassenen Substitutionsmitteln – die schrittweise Wiederherstellung der Abstinenz. – Im Unterschied zur herkömmlichen Substitutionsbehandlung sollen jedoch die Einschlusskriterien für eine Diamorphinbehandlung deutlich enger gefasst werden: Zielgruppe für eine Diamorphinbehandlung sind daher ausschließlich Opiatabhängige, deren Abhängigkeit seit mindesten fünf Jahren besteht und mit schwerwiegenden somatischen und psychischen Störungen verbunden ist. Die Patientinnen und Patienten müssen ein Mindestalter von 23 Jahren aufweisen und Heroin zum Zeitpunkt der Indikationsstellung überwiegend intravenös konsumieren. – Eine Diamorphinbehandlung ist nur dann angezeigt, wenn die Patienten zuvor mindestens zwei erfolglose, d.h. abgebrochene bzw. durch mehrere Rückfälle gekennzeichnete, regulär durchgeführte Behandlungsversuche unternommen haben. Eine Diamorphinbehandlung ist außerdem nur angezeigt, wenn derzeit keine drogenfreie Therapie oder Substitutionsbehandlung mit einem anderen Substitutionsmittel durchführbar ist. Die Diamorphinbehandlung muss im Vergleich mit anderen Therapiemöglichkeiten die größte Chance zur Heilung oder Besserung bieten. – Das ärztliche Konzept für eine Diamorphinbehandlung muss mögliche erforderliche psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen sowie Maßnahmen der psychosozialen Betreuung (PSB) einbeziehen. Abweichend zu den Regularien für die herkömmliche Substitutionsbehandlung sind psychosoziale Betreuungsmaßnahmen in den ersten sechs Monaten der Behandlung obligatorisch. – Eine regelmäßige Überprüfung der Behandlung durch einen fachkundigen Arzt, der nicht der behandelnden Einrichtung angehört, ist nach jeweils spätestens zwei Jahren obligatorisch. Die Behandlung ist zu beenden, wenn die Überprüfung ergibt, dass die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. – Abweichend von der herkömmlichen Substitutionsbehandlung soll eine Diamorphinbehandlung nur in solchen Einrichtungen erlaubt werden, die in das örtliche Suchthilfesystem eingebunden sind und über eine zweckdienliche personelle und sachliche Ausstattung einschließlich festgelegter Sicherheitsvorkehrungen verfügen. Die Einrichtungen bedürfen wegen der besonderen Anforderungen an die Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs sowie die Durchführung der Behandlung einer Erlaubnis durch die zuständige Landesbehörde. – Im Unterschied zur herkömmlichen Substitutionsbehandlung sollen take-home-Verordnungen gesetzlich ausgeschlossen werden. Diamorphin darf nur unter Aufsicht sachkundigen Personals injiziert werden. – Zur Bewertung der neuen Behandlungsform soll fünf Jahre nach Verabschiedung der gesetzlichen Neuregelung ein wissenschaftlicher Bericht über die Durchführung und Ergebnisse der Diamorphinbehandlung in Deutschland erstellt werden. Ein entsprechender Beschluss soll im Juli 2007 durch die Gesundheitsministerkonferenz gefasst werden.
Zum weiteren Verfahren Nach der Verabschiedung im Kabinett wird die Vorlage nun dem Bundesrat zugeleitet, mit der Bitte, die gemeinsame Initiative Hessens und Hamburgs in den zuständigen Ausschüssen zu beraten. Eine Befassung im Plenum wäre dann in der ersten Sitzung des Bundesrates nach der Sommerpause im September möglich.
Da die Beratung des Gesetzentwurfs in Bundesrat und Bundestag noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, wurde für die Hamburger Patientinnen und Patienten eine Ausnahmegenehmigung zur Weiterbehandlung im öffentlichen Interesse gemäß § 3 Absatz 2 Betäubungsmittelgesetz beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2008 beantragt.