Arzneimittel durchlaufen in ihrem Lebenszyklus weit mehr Kontrollen als jedes andere Produkt in Deutschland. Erst wenn sichergestellt wurde, dass ein Arzneimittel unbedenklich, qualitativ hochwertig und wirksam ist, wird es durch die Behörden zugelassen und darf in Deutschland in die Versorgung. Doch bevor es zum Einsatz kommt, muss jeder Wirkstoff auf dem Weg von der Forschung bis zum fertigen Produkt, erstmal eine Reihe von nicht klinischen Tests und klinischen Prüfungen bestehen. Auch nach der Zulassung wird es kontinuierlich überwacht. Es gibt nur wenige Branchen, in denen die Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität eines Produktes so engmaschig überwacht wird, wie in der Pharmaindustrie. Dafür sorgen nationale und europäische Gesetze – aber auch die pharmazeutischen Unternehmer selbst. Eine gute Nachricht! Dr. Sigrid Lang, Geschäftsfeldleiterin Arzneimittelsicherheit/Pharmakovigilanz beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) gibt einen Überblick, in welchen Bereichen sich der BPI und seine Mitgliedsunternehmen seit vielen Jahrzehnten für die Arzneimittelsicherheit einsetzen.
BPI ist Vorreiter und setzt Meilensteine bei der Arzneimittelsicherheit
- 1969: Der BPI führt die „Rote Hand-Briefe“ ein und lässt die Bildmarke der roten Hand beim Bundespatentamt schützen. „Der Rote Hand-Brief ist bis heute das in Deutschland etablierte Kommunikationsmittel, mit dem pharmazeutische Unternehmen, heilberufliche Fachkreise über neu erkannte, schwerwiegende Arzneimittelrisiken eigenverantwortlich informieren.Mit dem markanten Markenzeichen der Briefe – der erhobenen roten Hand mit der Warnung „Wichtige Mitteilung über ein Arzneimittel“ – können pharmazeutische Unternehmen fehlerhafte Arzneimittelchargen zurückrufen oder sonstige wichtige Informationen zum Arzneimittel mitteilen. Gemeinsam mit anderen Verbänden koordiniert der BPI die Rote Hand-Briefe übergreifend und unterstützt so unsere Mitgliedsunternehmen in ihrer täglichen Arbeit. Als Inhaber des „Rote Hand-Brief“-Symbols verfügen wir im BPI über die Markenrechte der Bildmarke. Wer es nutzen will, muss dies offiziell bei uns anfragen“, erklärt Lang. Zur selben Zeit (1969) verpflichtet sich der BPI selbst, Nebenwirkungen an die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) zu melden. Die rechtlich verbindliche Meldung von Einzelfällen von Nebenwirkungen durch pharmazeutische Unternehmen an die zuständige Bundesoberbehörde wurde erst 1986 eingeführt.
- 1975: Der BPI verpflichtet seine Mitgliedsunternehmen auf eine „Packungsbeilagen-Richtlinie“, die Warnhinweise zu möglichen Nebenwirkungen vorschreibt. Zur Information von Ärzten und Apothekern entwickelt der BPI ab 1979 ergänzend die „Gebrauchsinformation für Fachkreise“, ein verbindlich vorgegebenes Informationssystem speziell für das Fachpersonal.
- 1976: Der BPI begleitet nach der Contergankrise (1957 – 1961) die Erweiterung des ersten Arzneimittelgesetzes (AMG) von 1961 zum zweiten AMG. Für die Zulassung neuer Arzneimittel müssen pharmazeutische Unternehmer erstmals die pharmazeutische Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln nachweisen. Von den Betriebsstätten, über den Vertrieb bis zur Packungsbeilage gibt es nun genaue Verfahrensvorschriften – ein Zugewinn für den Verbraucherschutz. Eingeführt wurde erstmals die Berichtspflicht über nicht klinische Tests und klinische Prüfungen. Das zweite AMG von 1976 stellte eine Anpassung an die europäischen Gesetze zum Arzneimittelrecht dar.
- 1990: Der BPI entwickelt den etablierten Satz mit: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“. Seither ist dieser Satz gemäß des Heilmittelwerbegesetzes zwingend vorgeschrieben und muss bei audiovisueller Werbung in erster Linie für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel außerhalb von Fachkreisen angegeben werden.
Schutz vor Arzneimittel-Fälschungen
Um die legale Lieferkette in der Arzneimittelversorgung noch sicherer zu machen, haben sich vor 15 Jahren die pharmazeutische Industrie, der Großhandel und die Apothekerschaft in der Organisation „securPharm“ zusammengeschlossen. Gemeinsam haben sie das deutsche Schutzsystem gegen Arzneimittelfälschungen aufgebaut, dass europaweit gesetzlich geregelt ist.
Und so funktioniert‘s: In einem quadratischen Data-Matrix-Code, der sich auf dem Großteil verschreibungspflichtiger und einigen nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln befinden muss, ist eine individuelle Seriennummer gespeichert, die der Apotheker vor der Abgabe an den Patienten scannt und auf Übereinstimmung mit den Informationen einer Hersteller-Datenbank prüft. So wird die Echtheit der Packung verifiziert.
Arzneimittel noch sicherer machen
Wie gehen Pharmaunternehmen gegen Fälschungen vor?
„Zum einen haben pharmazeutische Unternehmen viel Zeit, Geld und Energie investiert, um das Fälschungsschutzsystem zu errichten – immer mit dem Ziel vor Augen, dass sie Patientinnen und Patienten mit noch sichereren Arzneimitteln versorgen können. Zusätzlich versehen Hersteller die Packungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel mit einem Erstöffnungsschutz – dem sogenannten Anti-tampering Device –, so dass sie nicht unbemerkt geöffnet werden können. Darüber hinaus statten einige Unternehmen ihre Verpackungen mit zusätzlichen Echtheitsmerkmalen aus. Das kann durch UV-Farben, DNA-haltige Farbstoffe, Hologramme, Mikroschriften oder changierende Elemente geschehen“, erklärt Lang.
„Außerdem geht die pharmazeutische Industrie mit aller Kraft gegen kriminelle Machenschaften vor, die Arzneimittel fälschen, vertreiben oder auf illegalem Weg in den Umlauf bringen. Um Risiken zu vermeiden, sollten Patientinnen und Patienten beim Kauf von Arzneimitteln über das Internet unbedingt die Echtheit einer Webseite prüfen“, rät Lang. Alle offiziellen Internetapotheken sind beim Versandhandels-Register des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistet und mit Prüfsiegeln versehen.
Wird ein Arzneimittel auch nach der Zulassung noch überwacht?
Auch die Anwendung eines Medikaments wird überwacht. Die sogenannte „Pharmakovigilanz“ erfasst und bearbeitet insbesondere Nebenwirkungen sowie andere Arzneimittelrisiken und beugt damit Therapiefehlern vor. Besonders wichtig sind hierbei die Nebenwirkungsmeldungen von Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzten sowie Apothekerinnen und Apothekern an die zuständigen Bundesoberbehörden.
„Pharmazeutische Unternehmen sammeln Daten zu jedem Medikament und reichen regelmäßige Sicherheitsberichte bei den Bundesoberbehörden ein. Auch klinische Studien können nach der Zulassung weitere Daten generieren. Ändert sich die Nutzen-Risiko-Einschätzung werden kurzfristig Maßnahmen ergriffen und zum Beispiel Indikationen eingeschränkt oder besondere Überwachungsmaßnahmen angeordnet“, erklärt Lang.
Wer überwacht die Sicherheitsmaßnahmen der Pharmaunternehmen?
Die Arzneimittelbehörden kontrollieren die Arbeit der pharmazeutischen Unternehmen und ihrer Zulieferer. Sie nehmen beispielsweise selbst Proben und überprüfen die Ergebnisse unternehmenseigener Kontrollen. Außerdem kontrollieren sie die Großhändler, Apotheken und Parallelimporteure. Diese Kontrollen werden von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA, den deutschen Landesbehörden und den Bundesoberbehörden BfArM und Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sowie weiteren Behörden weltweit durchgeführt – auch in Produktionsstätten außerhalb von EU und USA.
„Auch jede eingehende Zulieferung von Vorprodukten, Wirkstoffen oder Hilfsstoffen wird von jedem pharmazeutischen Unternehmen auf Echtheit und Qualität geprüft, bevor sie diese zu einem Arzneimittel zusammenführen“, ergänzt Lang.
Das Pharmakovigilanz-System der Firmen wird von den zuständigen Bundesoberbehörden regelmäßig im Rahmen der Pharmakovigilanz-Inspektionen geprüft und überwacht. Auch pharmazeutische Unternehmer führen regelhaft Audits durch, um die Funktionsfähigkeit ihres Pharmakovigilanz-Systems sicher zu stellen.
Was können Patientinnen und Patienten tun?
„Auch Patientinnen und Patienten können selbst dazu beitragen, ein Arzneimittel noch sicherer zu machen, indem sie mögliche Nebenwirkungen melden“, betont Lang. Das können sie auf unterschiedlichen Wegen tun: Entweder sie wenden sich direkt an die zuständigen Bundesoberbehörden: Auf der gemeinsamen Webseite von BfArM und PEI nebenwirkungen.bund.de können Verbraucherinnen und Verbraucher (auch anonym) direkt online mögliche Nebenwirkungen eingeben.
„Auch wenn unerwünschte Nebenwirkungen nicht immer zwangsläufig ursächlich mit dem Arzneimittel zusammenhängen müssen, können sich Patientinnen und Patienten natürlich auch direkt an Ärzte oder Apotheker wenden. Zudem nehmen auch pharmazeutische Unternehmen Nebenwirkungsmeldungen an. Entsprechende Kontaktdaten finden Patientinnen und Patienten im Beipackzettel“, sagt Lang.
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