Mainz – 17. Februar 2011. Einem HNO-Arzt ist die Verweisung eines Patienten an einen bestimmten Hörgeräteakustiker ohne sachlichen Grund verboten. Ein Hörgeräteakustiker-Meisterbetrieb hatte gegen einen HNO-Arzt geklagt (Az.: I ZR 111/08). Gegenstand des Verfahrens vor dem BGH war die Frage, ob ein HNO-Arzt Patienten an einen bestimmten Hörgeräteakustiker unerlaubt verwiesen hatte. Außerdem wurde vom Hörgeräteakustiker beanstandet, dass der beklagte Arzt zum Zeitpunkt der Verweisungen als Aktionär an der Hörgeräteakustiker-AG beteiligt war, zu der er die Patienten geschickt hatte. Der BGH knüpft mit seinem Urteil vom 13.01.2011 nahtlos an seine Rechtsprechung der letzten Jahre zur Beurteilung der Kooperation zwischen Fachärzten und Gesundheitshandwerken an. Auch HNO-Ärzten ist es untersagt an bestimmte Hörgeräteakustiker zu verweisen, sofern dafür kein hinreichend sachlicher Grund im Einzelfall vorliegt. Der hinreichende Grund muss sich laut BGH stets im Verhältnis zu den speziellen Bedürfnissen des einzelnen Patienten darstellen lassen. Blaupausen und generelle Rechtfertigungsversuche werden zukünftig nicht mehr von den Gerichten akzeptiert werden. Die in der Vergangenheit immer wieder pauschal angeführten Gründe für eine Verweisung der Patienten im Bereich der Hörgeräteversorgung, wie z. B. größere Bequemlichkeit, Wirtschaftlichkeit, gute Qualität, langjährige Erfahrungen, gelten nach Meinung der BGH-Richter so nicht mehr.
Der BGH hat in diesem Zusammenhang den Fall der unerlaubten Verweisung von Patienten durch den Arzt konkretisiert: Die Wahlfreiheit des Patienten ist schon dann beeinträchtigt, wenn der Arzt dem Patienten von sich aus einen bestimmten Leistungserbringer nahelegt oder auch nur empfiehlt. Damit ist u. a. klargestellt, dass z. B. Plakate, Flyer, Visitenkarten, Gutscheine von Leistungserbringern in der Arztpraxis verboten, sind. Auch für die ärztliche Beteiligung an Geschäften der Hörgeräteakustiker und anderen Leistungserbringern stellt der BGH erstmals Leitlinien auf. Ein Beteiligungsverbot liegt für den Arzt vor, wenn die Zuweisung bzw. Empfehlung des Arztes dazu führt, dass ihm ein Vorteil daraus zufließt. Das dürfte nach Ansicht des BGH jedenfalls der Fall sein, wenn die Gewinnbeteiligung oder sonstige Vorteile des Arztes unmittelbar von der Zahl seiner Verweisungen oder dem damit erzielten Umsatz abhängen.
Dabei kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass ein Beteiligungsverbot selbst dann gilt, wenn ein naher Verwandter die Beteiligung als Treuhänder oder Strohmann hält. Als nahe Verwandte gelten nach Maßgabe des BGH Personen, die in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt sind.
Die Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (biha) begrüßt das Urteil. Die Entscheidung sei für den Patienten- und Wettbewerbsschutz im Gesundheitswesen von großer Bedeutung, kommentierte biha-Hauptgeschäftsführer Jakob Stephan Baschab die Entscheidung. Das Urteil unterstütze die notwendige Klarstellung, dass es Ärzte zu unterlassen haben, Patienten an bestimmte Fachbetriebe zu verweisen. Der BGH hat eine Grundsatzentscheidung gefällt, die das ganze Gesundheitswesen berührt. Damit hat der BGH deutlich gemacht, dass die Grundsatzentscheidungen zum verkürzten Versorgungsweg aus dem Jahre 2000/2001 bei der Bewertung konkreter Zuweisungsfälle so nicht mehr herangezogen werden können, Baschab weiter. Auch der klare Hinweis des BGH, dass der Zufluss von Vorteilen aus der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung von Ärzten an Hörgeräteakustikerbetrieben ein Verstoß gegen die Berufsordnung sein kann, ist wichtig. Wir lehnen Beteiligungsmodelle, bei denen der Arzt seine Patienten in sein eignes Geschäft schleust seit Jahren schon aus moralischen, ethischen und juristischen Gründen ab, so Baschab.
Der BGH hat mit seiner Entscheidung ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung dorthin zurückverwiesen.
Links: Bundesinnung der Hörgeräteakustiker http://www.biha.de