Ismaning – Atopische Dermatitis, allergische Rhinokonjunktivitis oder allergisches Asthma: Je nach epidemiologischer Studie sind 25 bis 40 Prozent der Bevölkerung von einer Erkrankung des atopischen Formenkreises betroffen (1 ,2, 3). Trotz dieser Erkenntnis werden noch zu viele Patienten anhand isolierter Symptome behandelt. „Die Erkrankungen des atopischen Formenkreises sollten in der Therapie jedoch in ihrer Gesamtheit betrachtet werden“, sagte der Dermatologe und Allergologe Prof. Dr. Dr. h.c. Torsten Zuberbier, Berlin, auf dem Deutschen Allergiekongress (DAK) in Dresden. Denn die Möglichkeiten einer individualisierten Therapie für Atopie-Patienten sind vielfältig.
Die atopische Dermatitis (AD) ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung, die durch eine gestörte Hautbarriere gekennzeichnet ist. Die Ursachen für die Entstehung einer AD sind vielfältig und das Erkrankungsbild wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Neben der genetisch bedingten Störung der Hautbarrierefunktion können zusätzlich Veränderungen des Mikrobioms, Umwelteinflüsse sowie eine erhöhte Exposition gegenüber Allergenen bereits im frühen Kindesalter die Entstehung der AD begünstigen.
Jeder fünfte Patient mit Heuschnupfen hat auch eine Neurodermitis
Der Begriff Atopie bezeichnet die familiäre Tendenz, Th2-vermittelte Immunantworten auf Umweltantigene zu entwickeln. Damit umfasst das Kollektiv der Atopiker viele Patienten mit Allergien des Subtyps I, aber auch Neurodermitiker ohne IgE-assoziierte Erkrankung (4). Vielfach leiden Betroffene an mehreren atopischen Erkrankungen gleichzeitig und der Juckreiz kann bei Allergikern nicht nur an Auge und Nase, sondern oft auch auf der Haut auftreten: Jeder fünfte Patient mit allergischer Rhinokonjunktivitis hat auch eine Neurodermitis (5). Atopische Erkrankungen können daher oft nicht als alleinstehende Entitäten betrachtet werden. Sie sind in gleicher Weise Organ- wie Systemerkrankungen.
Wirkung einer Spezifischen Immuntherapie (SIT) auf die atopische Dermatitis
Für einen Behandlungserfolg sei es notwendig, Symptome nicht isoliert zu betrachten, sondern interdisziplinär und ganzheitlich zu therapieren, so Professor Zuberbier auf dem LETI-Symposium im Rahmen des DAK 2018 „Patient im Fokus – Aktuelle Herausforderungen für patientenorientierte Therapien“. „Wir stellen bei unseren Patienten mit atopischer Dermatitis fest, dass eine Spezifische Immuntherapie bei Milben-Allergikern und Patienten mit Pollen-Peaks, also Neurodermitis-Schüben bei erhöhtem Pollenflug, die Entstehung der Neurodermitis positiv beeinflussen kann.“ Ob im Einzelfall eine allergisch bedingte Neurodermitis mit TH1-Blockade vorliegt und daher eine SIT sinnvoll ist, kann vorab medikamentös mit Antihistaminika überprüft werden. Eine Studie konnte zum Beispiel zeigen, dass mit einer subkutanen Immuntherapie (SCIT) mit depigmentierten Milbenallergenextrakten bei Patienten mit schwerer AD eine Verbesserung des Schweregrads anhand des SCORAD (SCORing Atopic Dermatitis) erreicht werden kann (6). Ein aktueller Übersichtsartikel zeigt, dass die Behandlung der AD durch eine spezifische Immuntherapie (SIT) mit Aeroallergenen in der Summe funktioniert (7) – auch wenn es sich bisher ausschließlich um kleine Studien handelt, so Zuberbier.
Basistherapie der Haut – Linderung der Allergiesymptomatik
Allergene, die über die geschädigte Hautbarriere eindringen, verursachen nicht nur lokale Hautreaktionen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie auch in anderen Systemen des Körpers allergische Reaktionen auslösen können. Vice versa können über die Schleimhäute aufgenommene Aeroallergene zu Exazerbationen der atopischen Dermatitis führen. Dieser Weg ist derzeit Gegenstand der Forschung. Der Einfluss einer Basistherapie geschädigter Haut auf andere Erkrankungen des atopischen Formenkreises gilt ebenfalls als wahrscheinlich und wird momentan untersucht. Die BEEP-Studie etwa widmet sich der Frage, inwiefern eine frühe Basistherapie der Haut bei Hochrisiko-Kindern im ersten Lebensjahr vor der Entstehung einer atopischen Dermatitis schützt (8). Die Ergebnisse werden im kommenden Jahr erwartet.
Die Regeneration der geschädigten Haut gehört zur Basistherapie einer AD.
Die Basistherapie der Haut kann zu einer Regeneration von Filaggrin führen, dem Strukturprotein im Stratum corneum. Wenn die Filaggrin-Dichte abnimmt, begünstigt dies das Eindringen von Allergenen wie Pollen über die Haut. Bis zu 50 Prozent der Neurodermitis-Patienten, aber auch einige Patienten mit allergischer Rhinitis besitzen Mutationen im Filaggrin-Gen, die mit einer gestörten Hautbarriere und trockener Haut assoziiert sind. Außerdem kann ohne die Mutationen am Filaggrin-Gen eine starke Entzündung bei schwerer Neurodermitis zu einem Filaggrin-Mangel führen (9). Die dermokosmetische Basistherapie kann die Hautbarriere regenerieren: So unterstützt die medizinische Hautpflege LETIAT4 Intensivcreme zusätzlich die Synthese von Filaggrin. Die Filaggrin-Produktion ist nach 5 Tagen Anwendung in vitro auf rekonstruierter humaner Epidermis um 67 Prozent erhöht (10). Dies sei eines von mehreren Beispielen, wie eine therapeutische Regeneration der geschädigten Hautbarriere den atopischen Patienten vor systemischen Auswirkungen seiner allergischen Prädisposition schützen könne, so Zuberbier auf dem Deutschen Allergiekongress.
Ärzte brauchen Adhärenz, Patienten gute Aussichten
In diesen Erkenntnissen steckt zudem eine äußerst wichtige Botschaft für die Patienten, die die bei den langfristigen Allergietherapien so dringend notwendige Adhärenz fördert: „Wenn heute ein verzweifelter Patient mit einer atopischen Dermatitis zu mir kommt, dann kann ich ihm vermitteln: Ich kann Sie zwar nicht heilen, aber ich kann Ihnen ganzheitlich helfen.“ Schon allein diese Aussicht erhöhe die Chance auf den Therapieerfolg, so Professor Zuberbier.
Referenzen
- Schmitz R et al. Bundesgesundheitsbl. 2014; 57: 771–778
- Belgrave DCM et al. PLoS Med. 2014; 11(10): e1001748
- Hong S et al. Environ Health Toxicol. 2012; 27: e2012006
- Wollenberg A et al. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2016; 30(5): 729–747
- Schmitt J et al. Allergy. 2016; 71(6): 850–858
- Novak N et al. J Allergy Clin Immunol 2012; 130(4): 925–931 e4
- Ridolo E et al. Expert Rev Clin Immunol 2018; 14(1): 61–68
- Chalmers JR et al. Trials. 2017; 18(1):343
- Mócsai G et al. Br. J Dermatol. 2014. 170(3): 617–624
- Conte L et al., Poster, 23. Kongr. SEPEAP, Oviedo, Spanien, Okt. 2009