Berlin – Zur aktuellen Kritik einzelner Pharmaverbände, Nachahmerpräparate (sogenannte Generika) wären nicht austauschbar und würden die Patientensicherheit gefährden, meldet sich jetzt die AOK zu Wort und weist die Vorwürfe als unnötige Panikmache der Pharmalobby zurück: Wir lassen es nicht zu, dass die Pharmalobby mit ihren Angriffen den Arzt als Therapieverantwortlichen in Frage stellt und dazu noch die Patienten verunsichert, so Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvize der AOK Baden-Württemberg und bundesweiter Chefunterhändler der AOK-Arzneirabattverträge am Montag (20.07.2009) in Stuttgart.
Wer von seinem Arzt ein Medikament verordnet bekomme, muss und kann sich darauf verlassen, dass die Auswahl der Arznei vom Arzt stets unter Berücksichtigung des Krankheitsbildes erfolgt. Hermann: Wer hieran zweifelt, unterstellt dem gesamten ärztlichen Berufsstand mangelnde Verantwortung und Inkompetenz. Außerdem würden sich Patienten mit Recht massenhaft beschweren, was nicht der Fall ist. Im Gegenteil: Die bestehende Arzneimittelsicherheit wird durch die AOK-Rabattverträge noch gestärkt, weil zwei Jahre lang ein Wechsel der Produkte entfallen kann.
Die Pharmalobby betreibe ein paradoxes Spiel: Einerseits wolle sie den Austausch von wirkstoffgleichen Medikamenten verhindern, weil Beipackzettel rabattierter wie nicht rabattierter Arzneimittel bei gleichem Arzneiwirkstoff nicht komplett identische Anwendungsgebiete ausweisen würden. Andererseits habe die Pharmaindustrie den Austausch wirkstoffgleicher Arzneimittel selbst forciert. Hermann: Jedes Pharmaunternehmen hat doch ein eigenes Interesse daran, mit seinem Generikum möglichst alle wesentlichen Krankheiten abzudecken, für die sich der jeweilige Wirkstoff bewährt hat. Fälle, in denen der Patient im Beipackzettel sein Anwendungsgebiet nicht findet, können deshalb nur Ausnahmefälle sein. Sollte das vorkommen, muss der Hersteller den Arzt umfassender und schneller informieren.
Im Praxisalltag hat der Arzt seinen Patienten im Blick und nicht vorrangig Verordnungsregeln. Mittlerweile müsste es doch jedem klar sein: Das Generikum enthält den exakt identischen Wirkstoff wie das Originalmedikament, sagt Dr. Franz Ailinger, Allgemein-arzt im schwäbischen Lichtenstein. Selbstverständlich gehöre es zur Sorgfalt des Arztes, Arzneimittel zu verschreiben, deren Wirkstoffe für die jeweilige Therapie zugelassen sind. Ailinger: Bei Generika, deren Gleichwertigkeit zum Originalarzneimittel nachgewiesen ist, besteht deshalb kein therapierelevantes Problem, wenn ein einzelnes Anwendungsgebiet im Beipackzettel nicht aufgeführt ist. Verordne ich so ein Medikament oder eines, das durch die Apotheke entsprechend ausgetauscht werden soll, so kläre ich den Patienten selbstverständlich hierüber auf. Es ist doch einfach Unsinn, aufgrund einer fehlenden Nennung im Beipackzettel, das ganze Generikasystem der Austauschbarkeit in Frage zu stellen. Vielmehr muss sich doch der Hersteller schnellstens bemühen, eine Zulassung seines Präparates für dieselben Anwendungsbereiche wie das Originalarzneimittel zu erhalten oder aber bereits bestehende Zulassungen auch im Beipackzettel zu berücksichtigen.
Hierbei hat der Arzt das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Seite. Dort wird die Rechtsauffassung aktuell nochmals bestätigt, was auch jedem Laien klar sein müsste: Generika sind aufgrund ihrer absoluten Gleichwertigkeit zum Originalarzneimittel auch in denselben Anwendungsgebieten wie das Original wirksam. Oft kommen sie sogar aus derselben Produktionslinie. Deshalb steht der Austauschbarkeit wirkstoffgleicher Arzneimittel nichts im Wege. Die Frage der Information des Patienten ist eine ganz andere Frage, die an die Ärzte und Pharmahersteller zu richten ist, so Franz Knieps, zuständiger Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium.
Für AOK-Chefunterhändler Hermann muss deshalb dringend mehr Klarheit und Sachlichkeit in das Thema, wenn schon über Austauschbarkeit und Anwendungsgebiete von Generika diskutiert werde: Jeder Austausch von Argumenten führt ins Leere, wenn die zwei Grundfragen ‘Für welche Anwendungsgebiete wirkt das Generikum?’ und ‘Wie wird der Patient darüber aufgeklärt?’ so miteinander vermischt werden, wie das die Pharmalobby tut. Der Arzt habe alle Möglichkeiten, die Verordnung von Medikamenten ganz auf den Patienten auszurichten. Hermann: Falls der Arzt im Bereich der Generika ausnahmsweise trotz Wirkstoffidentität ein bestimmtes Arzneimittel wegen einer Nischenindikation verordnen will, kann er den Austausch durch den Apotheker ausschließen.
Im Übrigen haben laut Hermann, die jetzt hauptsächlich von den zwei bisherigen Generika-Marktführern über den Branchenverband Pro Generika geäußerten Bedenken an der Austauschbarkeit fatale Folgen für die Generikaindustrie insgesamt: Sehr häufig finden sich in den alten Zulassungsunterlagen der Originalanbieter unbedeutende Anwendungsgebiete, die kaum Therapierelevanz besitzen und die in keinem Beipackzettel eines Generikums zu finden sind. So hätten Firmen wie Hexal, Ratiopharm und alle anderen in diesem Markt keine Perspektive mehr, denn das Geschäftsmodell der Generikaindustrie, das auf Austausch basiert, wäre am Ende.
Hinweis für die Redaktionen: Zur weiteren Information ist eine Übersicht über die Verordnungsmöglichkeiten des Arztes beigefügt.
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