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Arzneimittel-Versandhandel: Der Verbraucher bleibt auf der Strecke

Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland / Ausgabe März 2009

Essen – Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland diskutiert im Leitartikel der Ausgabe März den Versandhandel mit Arzneimitteln über das Internet. Namhafte Experten warnten schon vor der Zulassung im Jahr 2004 vor den Gefahren, die mit dieser Vertriebsform einhergehen. Sie blieben ungehört. Die Folge: Der Internethandel mit gefährlichen Arzneimittelfälschungen floriert mehr denn je und gefährdet die Gesundheit der Verbraucher. Mit der für August dieses Jahres geplanten Novellierung des Arzneimittelgesetzes hätte die Politik die Chance gehabt, den Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland wieder zu verbieten: Doch sie lässt sie ungenutzt verstreichen. Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland erscheint monatlich mit einer Auflage von 1 Million Exemplaren und ist kostenlos in Apotheken erhältlich.

Versandhandel mit Arzneimitteln DAS VERSAGEN DER GESUNDHEITSPOLITIK

Es gibt so manche politische Entscheidung, die kaum jemand nachvollziehen kann. Einige sind offensichtlich, andere geschehen – jedenfalls aus Sicht des Verbrauchers – geradezu unbemerkt. Zu diesen Entscheidungen zählt auch die Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln im Jahr 2004. Zahlreiche namhafte Experten haben vor den Gefahren des Arzneimittelversandhandels gewarnt. Sie blieben ungehört. Die Folge: Der Handel mit Arzneimittelfälschungen floriert heute mehr denn je – den Schaden trägt der Patient. Auch das neue Arzneimittelgesetz, das im August dieses Jahres in Kraft treten soll, sieht kein Verbot vor.

Vorab sei gesagt: Der Internethandel mit Arzneimitteln hat noch nicht alle Sektoren erreicht. Ein kleiner Bereich konnte erfolgreich ausgesperrt werden. Kurios, dass es sich dabei ausgerechnet um den Sektor der Tierarzneimittel handelt. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) erklärt die Regelung folgendermaßen: „Diese Vorschrift des Arzneimittelgesetzes dient sowohl dem Tierschutz als auch dem Gesundheitsschutz des Menschen. Beim Kauf in der Apotheke oder beim Tierarzt kann in einem persönlichen Gespräch auf die schädlichen Wirkungen der Medikamente hingewiesen werden. Den Gefahren im Umgang mit Arzneimitteln kann so besser vorgebeugt werden, als es beim Versand möglich ist.“ Bleibt die Frage, warum die Politik die Freigabe des Versandhandels mit Arzneimitteln für den Menschen zulässt. „Die Entscheidung, den Versandhandel mit Arzneimitteln zu erlauben, basierte in erster Linie auf dem Wunsch, den Wettbewerb voranzutreiben“, so Prof. Dr. Theodor Dingermann vom Institut für Pharmazeutische Biologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. „Aus sicherheits- und ordnungspolitischer Sicht ist diese Entscheidung jedoch nicht nachvollziehbar, da sich Arzneimittel nicht für den Wettbewerb eignen.“ Dingermann spricht damit ein Problem an, das auch von anderen Experten auf dem Gebiet der Pharmazie bestätigt wird: Ein gesunder Wettbewerb ist in den meisten Branchen wünschenswert. Bei Arzneimitteln handelt es sich jedoch um sehr besondere Produkte. Ein erhöhter Absatz von Medikamenten bedeutet gleichzeitig auch, dass mehr Menschen Arzneimittel einnehmen. Die „Nimm drei – zahl zwei“-Mentalität ist in der Bekleidungs- oder Lebensmittelindustrie möglicherweise ein gelungener Marketingschachzug: Bei den rein bedarfsorientierten Arzneimitteln sind solche Methoden im Hinblick auf die Gesundheitsvorsorge mehr als nur fraglich.

Ein weiteres, besonders drastisches Problem ist die Zunahme der organisierten Arzneimittelkriminalität. Arzneimittelfälscher haben es seit der Freigabe des Internethandels besonders leicht: Das Internet ist zwar kein rechtsfreier, dafür aber ein schwer zu kontrollierender Raum. Findige Fälscher können die Internetportale seriöser Versender ohne großen Aufwand nachbauen. Wie auch bei anderen kriminellen Aktivitäten im Netz, haben es die Fälscher leicht. Der Server – ein Zentralcomputer, auf dem Internetseiten hinterlegt sind – muss nicht in Deutschland stehen, und alle Angaben auf der Internetseite können gefälscht oder kopiert werden. Somit ist die Behauptung von Verfechtern des Versandhandels, man könne seriöse Internetapotheken an Gütesiegeln oder mit einem Blick in das Impressum erkennen, nicht nachvollziehbar. Die Folgen dieser verbraucherfeindlichen Politik sind nicht absehbar: Eine gefälschte Uhr oder ein gefälschtes Handy belasten nur das private Konto. Ein gefälschtes Arzneimittel kann hingegen drastische Gesundheitsschäden nach sich ziehen.

Doch trotz der Zunahme dieser Probleme sind auch in der Neufassung des Arzneimittelgesetzes, das sich zurzeit im Gesetzgebungsverfahren befindet, keine Änderungen zu erwarten. „Ich bin sicher, dass die Politik das Problem wahrnimmt. Doch Fehler werden nicht gern eingesehen“, so Prof. Dingermann. „Ich habe bereits vor der Zulassung des Versandhandels davor gewarnt, dass sich Dammbrüche in diesem Ausmaß nur schwer rückgängig machen lassen werden.“

Es bleibt abzuwarten, ob in der Neuauflage des Arzneimittelgesetzes wenigstens der Betrieb der sogenannten „Pick-up-Stellen“ untersagt wird. Pick-up-Stellen finden sich schon jetzt in einigen Drogerien, in denen Verbraucher Rezepte abgeben und ihre Arzneimittel einige Tage später abholen können. Handelskonzerne wittern hier ein großes Geschäft und locken den Verbraucher mit Rabatten. Für Experten nicht nachvollziehbar ist die Tatsache, dass es derzeit keine Instanzen gibt, die die Medikamente in den Pick-up-Stellen überprüfen. Apotheken hingegen sind – zu Recht – verpflichtet, strengste Auflagen einzuhalten. Sie werden von den Apothekerkammern regelmäßig kontrolliert. So dürfen Arzneimittel nur von Apothekerinnen und Apothekern bzw. pharmazeutisch-technischen Assistentinnen und Assistenten abgegeben werden. Darüber hinaus muss während der Öffnungszeiten immer ein Apotheker anwesend sein. Für Pick-up-Stellen gelten diese strengen Vorgaben nicht, denn den Apothekerkammern sind aufgrund fehlender Regelungen die Hände gebunden. Fazit: Die Lagerung und Abgabe der Arzneimittel liegt in den Händen ungeschulter Mitarbeiter. Zum aktuellen Zeitpunkt ist es mehr als fraglich, ob Pick-up-Stellen in der 15. Novelle des Arzneimittelgesetzes, die im August beschlossen werden soll, verboten oder wenigstens streng reglementiert werden.

Für die nächsten Jahre wird ein drastischer Anstieg des Handels mit gefälschten Arzneimitteln im Internet erwartet. Die Schweiz sprach jüngst eine Warnung aus, da die vom Zoll beschlagnahmten Fälschungen sich 2008 im Vergleich zum Vorjahr um rund 75 Prozent gesteigert hatten. Und selbst die Niederlande – eigentlich Vorreiter auf diesem Gebiet – sind alarmiert: Das Gesundheitsministerium in Den Haag versucht, die Verbraucher durch eine Kampagne auf die Gefahren aufmerksam zu machen. Eine Sprecherin des Ministeriums wies warnend darauf hin, dass die Internetseiten der Fälscher immer professioneller gemacht und die Plagiate zunehmend schwerer von den Originalen unterscheidbar seien.

Trotz dieser Fakten werden die Gefahren in Deutschland bagatellisiert. Die Chance, den Internethandel generell wieder zu verbieten, hat die FDP als Zünglein an der Waage im politischen Entscheidungsprozess gehabt. Sie hat sie ungenutzt verstreichen lassen. Doch spätestens seit der globalen Finanzkrise weiß der Rest der Republik, dass bei hochsensiblen Produkten und Dienstleistungen zu viel Liberalisierung auch zur Katastrophe führen kann.

FRAGEN SIE IHREN ARZT ODER APOTHEKER … Ein Kommentar der Redaktion

„Alles, was gigantische Formen annimmt, kann imponieren, auch die Dummheit“! Erich Kästner hat das einmal gesagt. Damals gab es das „Magazin für Soziales, Familie und Bildung“ Nr.059 (01/2008) der Bundesregierung noch nicht. Hätte Kästner es gekannt, es hätte ihm sicher unglaublich imponiert. Besonders der Beitrag „Versandhandel mit Arzneimitteln – was man wissen sollte“. Darin macht die Bundesregierung (in wessen Auftrag eigentlich?) unglaublich Werbung für den Versandhandel von Arzneimitteln. Und warnt dann eindringlich vor unseriösen Versandhändlern und Arzneimittelfälschungen. Und sie beschreibt ellenlang, was der arme Verbraucher alles vor einer Bestellung von Medikamenten im Internet prüfen muss, damit er keine gefälschten Medikamente bekommt. Das Impressum soll er prüfen und ob eine verantwortliche Person genannt ist. Oder eine verantwortliche Organisation. Und die Postanschrift soll er prüfen und die berufliche Qualifikation. Und ob der Anbieter einem „Verhaltenskodex“ verpflichtet ist. Und ob die Website „ausgewogene Informationen“ über die Produkte bereithält. Und ob die Seite zuverlässig und noch aktuell ist. Und jetzt kommt’s: am besten „zusammen mit Ihrem Arzt oder Apotheker“. Unglaublich, aber wahr. Kästner wäre unsicher gewesen: eine gigantische Form von Dummheit? Oder einfach bodenlose Frechheit? Armer Verbraucher…