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AOK-Tag in Kiel: Krankenhausreform muss endlich kommen – Behandlungsqualität stärken, Fachkräftemangel entgegenwirken

Pressemitteilung

Kiel – 06.09.2023

Transformationskosten nicht aus Beitragsgeldern der Versicherten und Arbeitgeber

Die von Bundesgesundheitsmister Karl Lauterbach auf den Weg gebrachte Krankenhausreform kann nur gelingen, wenn Bund und Länder an einem Strang ziehen. Die bundesweite Vergütungsreform und die Krankenhausplanung der Länder müssen Hand in Hand gehen. Die Ausrichtung an Leistungsgruppen und die daran geknüpften Qualitätskriterien dürfen dabei nicht verwässert werden. Das forderte heute die AOK-Verwaltungsratsspitze vor mehr als 100 geladenen Gästen aus Politik und Gesundheitswesen im Experten-Talk beim ‚AOK-Tag 2023‘ in Kiel. „Wir brauchen dringend eine Krankenhausreform, die eine zukunftsfähige, qualitäts- und patientenorientierte Versorgung schafft“, sagt Johannes Heß, alternierender AOK-Verwaltungsrats-vorsitzender und Arbeitgebervertreter bei der AOK NordWest. „Durch Spezialisierung und Leistungskonzentration müssen die Behandlungsqualität gestärkt und der Ressourceneinsatz optimiert werden. Die Patienten müssen darauf vertrauen können, dass Behandlungen nur dort erfolgen, wo die bestmöglichen Voraussetzungen dafür gegeben sind“, sagt Lutz Schäffer, alternierender AOK-Verwaltungsratsvorsitzender und Versichertenvertreter.

Gelingt der Ampel-Koalition mit der Krankenhausreform der große Wurf? Der mit den Ländern ausgehandelte Kompromiss steht auf wackeligen Füßen. Für Prof. Dr. Norbert Roeder (Roeder & Partner, DRG Research Group) ist die von Bundgesundheitsminister Lauterbach mit großen Vorschusslorbeeren angekündigte Krankenhaus-Strukturreform unbestreitbar notwendig, um die historisch gewachsenen Krankenhauskapazitäten an den aktuellen und zukünftigen stationären Versorgungsbedarf anzupassen. Doch die zwischen Bund und Ländern ausgehandelten Eckpunkte für die Reform zeigen nach Roeders Einschätzung derzeit keinen Weg für eine geordnete Neustrukturierung auf. „Aktuell ist nicht erkennbar, wie sich durch die Reform die Versorgung, aber auch die wirtschaftliche Absicherung der zukünftig benötigten Versorger verbessern soll“, sagt Roeder.

Verbindliche Qualitätsanforderungen definieren

Für AOK-Vorstandschef Tom Ackermann sind in Zukunft Kliniken gefragt, die sich auf ihre Stärken besinnen und dafür die entsprechende Finanzierung erhalten. „Oberstes Ziel ist es, die Versorgungsqualität zu erhöhen“, so Ackermann. Je komplexer die Leistungen, desto mehr Expertise und Spezialisierung seien erforderlich. Dieser Kerngedanke müsse sich künftig in der Krankenhausplanung und in der Vergütungssystematik widerspiegeln und dürfe in der weiteren Debatte nicht aufgeweicht werden. „Wir sprechen uns deshalb für verbindliche Qualitätsanforderungen und eine einheitliche Leistungsgruppensystematik aus. Diese müssen die Grundlage für konkrete Versorgungsaufträge in den Regionen bilden“, so Ackermann.

Der AOK-Chef warnte davor, den stationären Sektor losgelöst vom ambulanten zu betrachten. „Wir brauchen künftig eine bessere Vernetzung und Kooperation der Sektoren vor Ort, um Versorgung genau dort gemeinsam mit den Akteuren zu gestalten. Dazu müssen innovative digitale Versorgungskonzepte wie Telemonitoring weiter ausgebaut werden.“

Klarheit müsse nach Auffassung von AOK-Verwaltungsrat Heß auch über die Finanzierung der Transformationskosten hergestellt werden. „Bund und Länder müssen endlich Farbe bekennen, wie viel ihnen die Reform wert ist und wie sie die notwendigen Mittel bereitstellen wollen“, so Heß. Weitere Finanzmittel aus der Gesetzlichen Krankenversicherung lehnt der AOK-Verwaltungsrat vehement ab. „Die Zeche dürfen nicht erneut die beitragszahlenden Versicherten und Arbeitgeber zahlen“, so Lutz Schäffer.

Bund muss Übergangsfinanzierung sicherstellen

Landesgesundheitsministerin Prof. Dr. Kerstin von der Decken betonte: „Nur mit einer Krankenhausreform wird es möglich sein, die Krankenhauslandschaft angesichts der vielen strukturellen Herausforderungen im Gesundheitswesen nachhaltig weiterzuentwickeln. Wir brauchen jedoch konkretere Informationen des Bundes zur Umsetzung und den Folgen. Die sind bislang weiterhin weitgehend unklar. Darüber hinaus fehlt es bisher an einer verbindlichen finanziellen Zusage des Bundes für eine notwendige Umstrukturierung. Schleswig-Holstein wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass klare Verhältnisse in Bezug auf die Systematik der vorgesehenen Leistungsgruppen sowie der Qualitätskriterien geschaffen werden und der Bund eine Übergangsfinanzierung sicherstellt. Auf Landesebene werden wir gemeinsam mit den Beteiligten weiter an der Sicherung und Weiterentwicklung der stationären Versorgung arbeiten und dabei die Besonderheiten Schleswig-Holsteins im Fokus haben. Offene Punkte der Reform müssen vom Bund bald geklärt werden, um die notwendigen Anpassungen zum Erfolg zu führen.“

Wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser stabilisieren

Für Patrick Reimund, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein (KGSH), macht allein der demographisch bedingte Fachkräftemangel, der sich in den kommenden Jahren noch verschärfen wird, eine Reform der Krankenhausversorgung notwendig. Die Reform könne aber nur in einem geordneten Prozess gelingen, in den die Krankenhausträger eingebunden und die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Kurzfristig müsse die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser stabilisiert werden. „Die Umsetzung der Reform wird zudem massive Investitionen erfordern, um Spezialisierung, Ambulantisierung und sektorenübergreifende Versorgung zu ermöglichen. Der bürokratische Misstrauensaufwand muss dringend und deutlich reduziert werden“, sagt Reimund.

Fehlanreize des DRG-Systems endlich beenden

Prof. Dr. Henrik Herrmann als Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein erwartet von der Krankenhausreform, dass die Fehlanreize des DRG-Systems beendet werden. Dies beinhalte insbesondere die Übernahme von Vorhaltekosten außerhalb des DRG-Systems, eine stringente Krankenhausplanung durch die Bundesländer und eine Zentrierung von hochspezialisierten Leistungen, bei denen auch längere Wegstrecken zumutbar sind. „Wichtig ist jedoch, dass in ländlichen Bereichen eine ausreichende stationäre Grundversorgung mit einer Notaufnahme rund um die Uhr sichergestellt ist“, so Herrmann. Der Stellenwert der stationären Einrichtungen ohne Notaufnahmen sei noch zu definieren, was deren personelle und infrastrukturelle Ausstattung anbelange. Hier sei dringend darauf zu achten, dass eine Überwindung der Sektoren erreicht werde.