Berlin – Seit Jahren ist in Politik und Gesellschaft klar, dass exklusive Verträge für die Impfstoffversorgung ein hohes Risiko für Lieferengpässe bergen. Dennoch will die AOK Nordost an ihrer Praxis festhalten, Verträge für die Impfstoffversorgung mit nur einem Hersteller auszuhandeln – und das entgegen dem klaren gesetzgeberischen Willen. „Die Borniertheit, mit der die AOK Nordost das Urteil des Landessozialgerichts Frankfurt auslegt, lässt vermuten, dass es der Kasse in Wahrheit um etwas anderes geht, als um die Versorgungssicherheit“, kommentiert Dr. Martin Zentgraf die jüngsten Äußerungen der Geschäftsleitung der Kasse.
„Die Risiken in dieser Impfstoffvereinbarung sehen nicht nur wir“, so Zentgraf. So hatte die Vergabekammer des Bundes zuletzt die Verträge zwischen der AOK Nordost und den drei Apothekerverbänden ihrer Region für unzulässig befunden, da die Vereinbarungen die Ärzte in ihrer Verschreibungspraxis lenken. Politiker unterschiedlicher Fraktionen forderten die Kasse auf, von ihrer riskanten Praxis exklusiver Impfstoffverträge Abstand zu nehmen. Die Gesundheitsministerkonferenz hat den Preisdruck und die Rabattverträge der Kassen als klare Mitursachen für Lieferengpässe bei versorgungsrelevanten Stoffen ausgemacht und das BMG gebeten, die Notwendigkeit gesetzlicher Änderungen oder anderer Maßnahmen zu prüfen. Der Gesetzgeber formulierte mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) das klare Ziel, die Möglichkeit der Impfstoffausschreibungen zu beenden – nachzulesen auf der Homepage des Deutschen Bundestages. Nun fügt das LSG Hessen mit seiner aktuellen Entscheidung der Debatte eine weitere Facette hinzu. Zentgraf: „Die divergente rechtliche Betrachtung zeigt eines: Hier ist der Gesetzgeber gefordert, schnellstmöglich für klare gesetzliche Regelungen zu sorgen, die die Impfstoffversorgung auf sichere Füße stellen.“
Der BPI hatte die Impfstoffvereinbarung der AOK Nordost kritisiert: Die Vertragskonstruktion der AOK Nordost stellt eine Versorgungssituation her, die in ihrer Wirkung der eines exklusiven Rabattvertrages gleichkommt und mithin auch dieselben Risiken bei Lieferausfällen birgt. Allein die letzte Grippesaison hat gezeigt, wie lebenswichtig eine zuverlässige Impfstoffversorgung ist. Durch die im Rahmen einer komplexen Vertragskonstruktion für Grippeimpfstoffe mit mehreren Beteiligten geschaffene Situation können Apotheker in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern im Ergebnis Grippeimpfstoffe zu einem Pauschalpreis abrechnen, den derzeit nur ein Hersteller anbietet. Hersteller, die zu diesem Preis nicht anbieten können, werden dementsprechend ihre Impfstoffvorhaltung reduzieren.