Berlin – „Welchen Beitrag können Antikörpertests für das Pandemiemanagement leisten?“ Hierzu gaben in der Pressekonferenz des Verbandes der Diagnostika-Industrie Experten aus Politik, Wissenschaft und Industrie Antworten. Antikörperdiagnostik macht die Immunreaktion des Körpers nach einer durchgemachten Infektion oder nach der COVID-19-Schutzimpfung sichtbar. Im Gegensatz zu anderen Gesundheitssystemen in der EU spielen in Deutschland Antikörpertests im Pandemiemanagement aber noch keine Rolle.
„Alle Maßnahmen sollten das Ziel verfolgen, die Durchimpfung der Bevölkerung möglichst rasch und sicher umzusetzen“, sagte Dr. Thorsten Hilbich, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des VDGH. „SARS-CoV-2-Antikörpertests tragen dazu bei, indem sie die individuelle Erfolgskontrolle der Impfung ermöglichen und somit Vertrauen schaffen. Bei einer bereits durchgemachten Infektion lassen Antikörpertests Schlussfolgerungen zu, ob eine Impfung oder Zweitimpfung erforderlich ist. Für immunsupprimierte Personen oder Menschen mit schlechter Immunkompetenz liefern Antikörpertests entscheidende Hinweise darauf, ob ein geändertes Impfregime erforderlich wird“, fasst Hilbich die wesentlichen Nutzenkomponenten der Antikörperdiagnostik zusammen. Hilbich verwies darauf, dass die Diagnostikaindustrie seit Beginn der Pandemie wesentliche Weiterentwicklungen der Antikörpertests vorgenommen habe. „Der VDGH plädiert dafür, Antikörpertests in die nationale Teststrategie einzubeziehen“, so Hilbich.
„Ohne die Hersteller von Labortests und -geräten und ohne die Pharmaindustrie hätten wir heute die Pandemie nicht im Griff“, betonte Dr. Peter Liese MdEP, gesundheitspolitischer Sprecher der EVP/Christdemokraten im Europäischen Parlament und Mitkonstrukteur des am 1. Juli in Kraft getretenen digitalen COVID-19-Zertifikates der EU. Der Europapolitiker und Arzt erläuterte die Dimensionen des Zertifikates zur Wiederherstellung der Freizügigkeit: Geimpft – genesen – getestet. Liese verwies darauf, dass sich das Europäische Parlament für den Einbezug der Antikörperdiagnostik eingesetzt habe, dies aber unter anderem am Widerstand der EU-Kommission scheiterte. „Ein Kompromiss kann darin bestehen, Antikörpertests, die zu dem inzwischen von der WHO gesetzten Standard referenzieren, als Genesungs- und Testnachweis zuzulassen“, sagte Liese. Die Kommission kann dies in den nächsten Monaten durch untergesetzliche Maßnahmen festlegen. Liese unterstrich, dass er als Arzt Tests neutralisierende Antikörper für bestimmte Risikogruppen und zur Abklärung einer durchgemachten unerkannten Infektion vor Impfung für unverzichtbar hält.
PD Dr. Andreas Ambrosch, Leitender Arzt Zentrallabor und Krankenhaushygieniker am Institut für Labormedizin, Mikrobiologie und Krankenhaushygiene des Krankenhauses Barmherzige Brüder Regensburg, stellte Daten und klinische Erfahrungen zur Impfbegleitung und Immunität vor. Ambrosch spricht sich für den gezielten Einsatz von Antikörpertests vor oder auch nach einer Impfung aus: „Wir führen in unserem Krankenhaus immer eine Bestimmung des Antikörper-Status vor einer Impfung durch“, so Ambrosch, denn „eine Impfung ist nie banal“. Kandidaten mit stumm verlaufenen Infektionen zeigen häufig eine starke Impfreaktion. Vielen Menschen könnten so starke Impfnebenwirkungen erspart bleiben. „Bei 80 Prozent aller Menschen ist eine Infektion stumm verlaufen und es liegen keine PCR-Befunde vor. Für diese Menschen reicht eine Impfung aus“, erläuterte Ambrosch. Unverzichtbar ist es für den Laborarzt, ein besonderes Augenmerk auf ältere Menschen zu richten und auf Risikopatienten, z. B. Organtransplantierte oder hämatologische Patienten. „Bei diesen Gruppen ist die Bestimmung der Impfantwort zwingend erforderlich für das weitere Impfmanagement.“ Auch auf die Frage, wie lange die Immunität nach Infektion anhält, können Antikörpertests Antworten geben. PD Dr. Ambrosch verwies auf Studienergebnisse, die durch Ermittlung des Antikörpertiters und seiner Kinetik unterschiedliche „Immunresponse-Typen“ klassifizieren. Ambroschs kritische Abschlussbemerkung zu übergroßem Antikörper-Skeptizismus: „Wie wollen wir Patienten eingehend zur Impfung beraten, wenn der Immunstatus gänzlich unbekannt ist?“
Der VDGH hat ein Positionspapier „Antikörpertestung fördert effiziente Impfstrategien gegen COVID-19“ veröffentlicht: www.vdgh.de/media/file/38251.VDGH-Positionspapier_Antikoerpertestung.pdf
Der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) vertritt als Wirtschaftsverband die Interessen von mehr als 100 in Deutschland tätigen Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von 5,5 Milliarden Euro im Jahr 2020. Sie stellen Untersuchungssysteme und Reagenzien zur Diagnose menschlicher Krankheiten her, mit denen ein Umsatz von mehr als 2,7 Milliarden Euro erzielt wird, sowie Instrumente, Reagenzien, Testsysteme und Verbrauchsmaterialien für die Forschung in den Lebenswissenschaften, mit denen ein Umsatz von 2,7 Milliarden Euro erwirtschaftet wird.