Köln – Die ehemalige Flugbegleiterin Anja Prause (56) aus Leverkusen schenkte 2013 mit ihrer Stammzellspende dem ihr damals noch unbekannten „Düsseldorfer Patienten“ Marc Franke (54) eine zweite Lebenschance. Der Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik litt unter einer akuten myeloischen Leukämie – und unter einer HIV-Infektion. Von beiden wurde er durch Anja Prauses Spende geheilt.
Über eine Kollegin wird Anja Ende 2011 auf die DKMS aufmerksam. Die Crew bereitet sich gerade auf den nächsten Kurzstreckenflug vor, als Anjas Kollegin noch schnell einen Geburtstagsglückwunsch ins Handy tippt. Dieser geht an ein kleines Mädchen, dem sie mehr als zwei Jahre zuvor mit einer Stammzellspende geholfen hatte. „Diese Geschichte hat mich inspiriert, und ich habe mich dann auch sofort bei der DKMS registriert“, erinnert sich Anja. Damals ahnt sie nicht, dass sie schon bald spenden würde.
Sieben Stunden für ein Menschenleben
Als Anja im Dezember 2012 die Anfrage für eine Spende erhält, freut sie sich sehr. „Die Aussicht, vielleicht ein Leben retten zu dürfen, hat mich sehr berührt.“ Einen Tag vor Valentinstag, am 13. Februar 2013, findet die Stammzellspende in Köln statt. Über sieben Stunden ist sie an den Stammzellseparator angeschlossen, der die für Empfänger Marc benötigte Menge an Stammzellen herausfiltert. „Das war schon ganz schön lang“, sagt sie. Und weiter: „Aber was sind schon sieben Stunden an einem Tag für ein ganzes Menschenleben.“
Anja Prause, die verheiratet ist und einen Sohn hat, ist ein positiver Mensch. „Ich genieße das Leben, bin unternehmungslustig und die Spende war für mich eine Selbstverständlichkeit. Auch, als ich ein halbes Jahr später noch einmal Thrombozyten spenden sollte, zögerte ich keinen Moment.“ Marc Franke hatte leider einen Rückfall.
Kurz danach ereilt Anja ein Schicksalsschlag: Brustkrebs. Am Tag ihrer ersten Chemotherapie, im November 2014, erhält sie den ersten anonymen Brief von Marc. Darin bedankt er sich für die Spenden und berichtet, wie er nun endlich wieder in seinen Alltag zurückfindet. Zudem äußert er den Wunsch, sie nach Aufhebung der Anonymität persönlich treffen zu wollen.
„Das hat mich unheimlich gefreut und sehr berührt“, sagt Anja. Damals sagt sie zu ihrem Mann: „Sollte ich den Krebs nicht überleben, kann ich immerhin gut von dieser Welt gehen. Ich habe ein tolles Kind in die Welt gesetzt und ein Menschenleben gerettet.“ Ihre Gefühle fahren Achterbahn. Was für ein Glück für Marc, was für ein Pech für sie.
Doch das Glück kommt zu Anja zurück. Mit Hilfe ihrer Familie und Freunden steht sie die Chemotherapie durch und wird wieder gesund.
Auch Anja hat den Wunsch, Marc persönlich kennenzulernen. Im Sommer 2015 treffen sich die beiden in einem Kölner Restaurant am Rhein.
Marc und sie und auch ihre beiden Ehemänner verstehen sich auf Anhieb. Sie unterhalten sich stundenlang. Dabei erfährt Anja von Marc auch von seiner HIV-Infektion und den vielen Medikamenten, die er damals noch nehmen muss.
Es entsteht eine freundschaftliche Verbindung und sie treffen sich von nun an regelmäßig. „Ich bin froh, dass Anja so ein toller Mensch ist, sagt Marc Franke.
Beide haben es geschafft, dem Krebs die Stirn zu bieten. Dann gibt es eine weitere schöne Nachricht: Das HI-Virus in Marcs Körper ist nicht mehr nachzuweisen. Der Grund: Anja ist Trägerin der Genmutation CCR5Δ32. Diese verhindert, dass das HIV auf den Immunzellen andockt. So kann das humane Immundefizienzvirus Typ 1 (HIV-1) die Zellen nicht infizieren. Träger der Mutation sind deshalb nahezu resistent gegen den Erreger.
„Dass ich über diese Genmutation verfügte, wusste ich nicht und es hat mich umso mehr gefreut, dass ich Marc somit doppelt helfen konnte“.
Anja und Marc ist es nun eine Herzensangelegenheit, über die Wichtigkeit und die Einfachheit der Stammzellspende aufzuklären. „Ich höre immer noch viele Vorbehalte und Ängste. In den meisten Fällen ist die Spende ambulant und eine Registrierung kostet nichts. Jeder gesunde Mensch zwischen 17 und 55 sollte sich bei der DKMS registrieren lassen“, sagt Anja.
Für Marc Franke ist es zudem ein großes Bedürfnis, mit seinem Beispiel die leider immer noch großen Vorurteile gegenüber Menschen mit HIV auszuräumen. „Diese Stigmatisierung muss ein Ende haben. Es sollte mehr Plattformen geben, wo darüber gesprochen wird. Zudem sollte es mehr Angebote geben, sich auf das Virus testen zu lassen. Als ich damals meine Leukämie-Diagnose erhalten habe, war mein erster Gedanke – ‚endlich eine Krankheit, über die ich sprechen kann.‘“
Unter dkms.de/sterntv rufen Anja und Marc gemeinsam mit stern TV zur Registrierung auf. Den Beitrag von stern TV finden Sie hier: youtube.com/sternTV
Mehr zum Thema Stammzelltransplantation bei HIV lesen Sie in unserem Media Center: Im Interview erklärt DKMS-Experte Professor Gero Hütter, warum Marc Franke, der „Düsseldorfer Patient“, gleich doppelt geheilt werden konnte – und warum Fälle wie dieser so selten sind.