Eschborn – Der „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg hat den Andorn (Marrubium vulgare) zur Arzneipflanze des Jahres 2018 gewählt. „Die traditionsreiche Arzneipflanze stand aufgrund ihrer herausragenden historischen Bedeutung sowie der umfangreichen Dokumentation ihrer Wirkungen bereits seit langer Zeit im Fokus unserer Forschungen“, begründet Dr. Johannes Gottfried Mayer, Sprecher des Studienkreises, die Wahl. Von der Antike bis weit in die Neuzeit gehörte der stattliche Lippenblütler (Lamiaceae) zu den wichtigsten Arzneipflanzen Europas. „Der Einsatz der krautigen Pflanze bei Katarrhen der Atemwege, insbesondere Bronchitis sowie bei Verdauungsbeschwerden ist bereits seit über 2.000 Jahren dokumentiert“, so der Medizinhistoriker und Experte für Klostermedizin weiter. Die Wirkstoffe aus der Pflanze gibt es in arzneilich wirksamer Form als Presssaft oder als einzigartigen und hochkonzentrierten Andornkraut-Fluidextrakt (MARRUBIN® Andorn-Bronchialtropfen), der nur in Apotheken erhältlich ist. Der Anbau, die Ernte und die Weiterverarbeitung der Arzneipflanze bis hin zum fertigen Arzneimittel erfolgt ausschließlich in Deutschland. Andornkraut wird zur Schleimlösung bei Husten im Rahmen von Erkältungen angewendet. Es wirkt schleimlösend[1] bei festsitzendem Schleim, antientzündlich[2,3] und spasmolytisch[4,5].
Der Andorn ist eine ausdauernde, krautige Pflanze, mit aufrechten, unverzweigten Stängeln, die 30 bis 80 cm hoch werden können. Die kleinen, weißen Blüten stehen in vielblütigen, kugeligen Scheinquirlen. Andorn kommt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum, findet sich jedoch auch in warmen und trockenen Regionen Deutschlands als Auswilderung aus dem früher weit verbreiteten Anbau als Heilpflanze. Arzneilich verwendet wird das sogenannte Andornkraut, das sind die getrockneten Blätter und oberen Stängelteile.
Arzneipflanze mit großer historischer Bedeutung
Für die Wahl des Andorns zur Arzneipflanze des Jahres 2018 war unter anderem die historische Bedeutung der Pflanze ausschlaggebend. Der Andorn zählt zu den besonders bedeutenden Arzneipflanzen der europäischen medizinischen Tradition. Insbesondere im Zeitalter der Klostermedizin (frühes und hohes Mittelalter) sowie über das gesamte Mittelalter und die frühe Neuzeit hinaus gehörte er zu den beliebtesten Heilpflanzen überhaupt. Spätestens seit dem 8. Jahrhundert war er fester Bestandteil der Klosterkräutergärten. Er wurde vor allem bei Lungenerkrankungen und hartnäckigem Husten eingesetzt. Im 19. Jahrhundert konzentrierte sich die Anwendung zunehmend auf die schleimlösende Wirkung in den Atemwegen.
Bittere Medizin = gesunde Medizin
Unter den Arzneipflanzen aus der Familie der Lippenblütler sticht der Andorn durch seine kräftigen Bitter- und Gerbstoffe hervor. Neben dem wirksamkeitsbestimmenden Bitterstoff Marrubiin enthält das Kraut unter anderem Flavonoide, stickstoffhaltige Verbindungen und ätherisches Öl. Andorn wird traditionell bei Bronchialkatarrhen sowie bei Verdauungsbeschwerden und Appetitlosigkeit eingesetzt. Verschiedene Studien belegen die Wirkung des Andornkrauts zur Schleimlösung bei Husten im Rahmen von Erkältungen[1]. Andorn-Bronchialtropfen werden daher bei verschleimten, verkrampften und entzündeten Bronchien erfolgreich angewendet. Das pflanzliche Arzneimittel ist zugelassen für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren.
Die im Andorn enthaltenen Bitterstoffe könnten auch in weiterer Hinsicht von therapeutischer Relevanz für den menschlichen Körper sein. Dies zeigt sich auch bereits darin, dass uns die Natur bekanntermaßen mit jeweils nur einem einzigen Rezeptortyp für süß, salzig, sauer und umami, aber mit 25 verschiedenen Bitterrezeptoren ausgestattet hat, die uns zumindest theoretisch in die Lage versetzen, tausende Bittersubstanzen zu erkennen.
Solche Rezeptoren für Bitterstoffe sind nicht nur z. B. auf der Zunge sowie im Mund- und Rachenraum lokalisiert, sondern wurden auch auf glatten Muskelzellen des Bronchialsystems gefunden. Dort verursacht ihre Aktivierung eine Bronchodilatation[6]. Eine Studie von Wissenschaftlern aus den USA weist außerdem darauf hin, dass die gezielte Stimulation dieser Rezeptoren mit Bitterstoffen eine Stärkung des Immunsystems zu bewirken vermag[7]. Eine verstärkte Stimulation der Bitterrezeptoren könnte einen größeren Schutz vor Infektionen bieten, während eine niedrigere Funktion die Anfälligkeit für Infekte erhöht, schlussfolgern die Forscher.
„Kulturgeschichtlich ist der Andorn eine hochinteressante Pflanze, die besonders auch hinsichtlich ihrer medizinischen Bedeutung leider zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Mit der Wahl zur Arzneipflanze des Jahres 2018 hoffen wir mit dazu beitragen zu können, dass die vielfältigen therapeutischen Einsatzmöglichkeiten des Andorns wieder einen größeren Bekanntheitsgrad erlangen“, sagt Mayer.
Literatur:
Die Quellen 1-23 können auf Wunsch unter folgendem Pressekontakt angefordert werden: