Ismaning – Die spezifische Immuntherapie (SIT) ist die einzige Kausaltherapie IgE-vermittelter allergischer Erkrankungen – ihre Wirksamkeit und Sicherheit ist durch zahlreiche Studien gut belegt. „Allerdings sind Allergien sehr komplexe und heterogene Krankheitsbilder, die durch individuelle genetische und biologische Faktoren beeinflusst werden“, sagte Prof. Dr. Ralph Mösges, Allergologe an der Universität Köln, auf dem LETI Symposium beim Kongress der EAACI (European Academy of Allergy and Clinical Immunology). Molekulare Allergiediagnostik könnte künftig dazu beitragen, Patientengruppen anhand individueller Sensibilisierungsprofile zu charakterisieren. Prädiktive Biomarker geben Hinweise, welche Patient:innen von einer SIT am meisten profitieren. „Zusätzlich brauchen wir mehr Real-World-Evidence, um etablierte Therapien im Praxisalltag zu evaluieren und maßgeschneiderte Empfehlungen für die SIT abzuleiten.“
Individuelle Sensibilisierungsprofile in der Allergiediagnostik
Die Sensibilisierung bei Allergien nimmt weltweit zu, mit neuen Allergenen, stärkeren Symptomen und jüngeren Patient:innen. Dr. Jeronimo Carnés, R&D Director bei LETI Pharma in Tres Cantos, Spanien, stellte Ergebnisse einer Studie vor [1], die individuelle Sensibilisierungsprofile in 19 Regionen Deutschlands mit solchen Spaniens vergleicht, Unterschiede zwischen mono- und polysensibilisierten Patient:innen nachweist und einen Bezug zu den klinischen Symptomen herstellt. Von den insgesamt 500 bzw. 250 untersuchten Patient:innen wiesen die meisten eine Polysensibilisierung auf (Deutschland
77 %, Spanien 83 %). Bei 59–67 % der polysensibilisierten Patient:innen äußerte sich die Allergie in Form einer Rhinitis, etwa ein Sechstel hatte zusätzlich Asthma. Die klinische Symptomatik war auch von der Allergenquelle abhängig. Ein Algorithmus soll künftig die Identifikation geeigneter Patient:innen für die SIT durch molekulare Allergiediagnostik vereinfachen [2].
Optimierung der spezifischen Immuntherapie durch Biomarker
Für die Optimierung der SIT setzt Prof. Dr. Mohammed Shamji vom Imperial College in London auf Biomarker – wie z. B. lymphoide Zellen des angeborenen Immunsystems. Sie können dazu beitragen, Patient:innen zu identifizieren, die von einer SIT am meisten profitieren. Auch für die Identifikation geeigneter Therapien (z. B. SCIT oder SLIT) und Therapieallergene können solche Ansätze nützlich sein. Shamji präsentierte eine Untersuchung, wonach die SCIT mit depigmentierten Allergoiden (im Vergleich zu nativen Allergenextrakten) die Aktivierung von Basophilen und die Histamin-Ausschüttung hemmt. Darüber hinaus wurde die Proliferation inflammatorischer TH2A-Zellen bei Gräserpollen-Allergiker:innen signifikant verringert und die Induktion IL-10-produzierender Immunzellen gefördert. Der Einsatz depigmentierter Allergoide könnte daher bei bestimmten Allergie-Patientengruppen für eine bessere Wirksamkeit und Sicherheit sorgen, so Shamji.
Heterogene Studienlage erfordert eine produktspezifische Bewertung
So heterogen wie die Patient:innen in der Allergologie sind auch die randomisierten kontrollierten Studien, die die Wirksamkeit und Sicherheit der SIT bewerten. Prof. Mösges wies in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung produktspezifischer Bewertungen im Rahmen von Metaanalysen hin, so wie es auch die aktuellen WAO (World Allergy Organization)- und EAACI-Leitlinien empfehlen [3, 4]. In der im Jahr 2019 von Prof. Mösges publizierten Metaanalyse erwiesen sich depigmentierte Allergoide in einer produktspezifischen Bewertung auf höchstem Evidenzniveau als wirksam und sicher. Es wurden Daten von acht placebokontrollierten Studien mit mehr als 900 Patient:innen einbezogen. Über alle Studien hinweg zeigte sich eine signifikante Verbesserung im kombinierten Symptom-Medikationsscore (cSMS) mit einer standardisierten Differenz (SMD) von 1,9 gegenüber Placebo [5] – dreimal stärker als in einer früheren Metaanalyse, deren Ergebnisse auf heterogenen Studiendaten verschiedener Produkte basierten [6].
Real-World-Evidence: Patientenbedürfnisse im Praxisalltag
Zur Optimierung der spezifischen Immuntherapie und zur Evaluation der SIT im Praxisalltag werde es künftig außerdem darauf ankommen, die Evidenz aus produktspezifischen Metaanalysen durch retrospektive, multizentrische Beobachtungsstudien (Real-World-Daten), prospektive Datenbankanalysen und Register zu ergänzen. „Real-World-Daten könnten Wissenslücken schließen und vor allem bei Kindern sowie bei polyallergischen Erwachsenen und Patient:innen mit bestehender Komorbidität zur optimalen Allergietherapie beitragen“, so Mösges.
Literatur
1. Carnés J. Allergic patients: the complexity of personalized medicine; Vortrag im Rahmen des EAACI Hybrid-Kongresses, 10. bis 12. Juli 2021.
2. Incorvaia C, Al-Ahmad M, Ansotegui IJ, et al. Personalized medicine for allergy treatment: Allergen immunotherapy still a unique and unmatched model. Allergy 2021;76(4):1041-52
3. Roberts G, Pfaar O, Akdis CA, et al. EAACI Guidelines on allergen immunotherapy: allergic rhinoconjunctivitis. Allergy 2018;73(4):765-98
4. Bachert C, Larche M, Bonini S, et al. Allergen immunotherapy on the way to product-based evaluation – a WAO statement. World Allergy Organ J 2015;8(1):29
5. Mösges R, Valero Santiago A, Allekotte S, et al. Subcutaneous immunotherapy with depigmented-polymerized allergen extracts: a systematic review and meta-analysis. Clin Transl Allergy 2019;9:29
6. Dhami S, Nurmatov U, Arasi S, et al. Allergen immunotherapy for allergic rhinoconjunctivitis: a systematic review and meta-analysis. Allergy 2017;72(11):1597-631
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