Eschborn – Die zunehmende Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen wird zur gesundheitspolitischen Herausforderung globalen Ausmaßes, wie der aktuelle DAK-Gesundheitsreport zeigt[1]. Die Gefahr einer postantibiotischen Gesellschaft, in der Menschen wieder an einfachen Zahninfektionen und Blasenentzündungen sterben, ist laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein reales Szenario[2]. Offizielle Schätzungen[3] gehen bereits heute alleine in Deutschland von 7.500 bis 15.000 Todesfällen jährlich aus, die durch multiresistente Keime verursacht werden. Zunehmend in den Fokus geraten gefährliche Darmkeime wie Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) und ESBL-bildende Bakterien wie E. coli und Klebsiellen, die zu den häufigsten Verursachern von Blasenentzündungen zählen. Aber auch atemwegsrelevante Erreger zeigen europaweit teils dramatische Resistenzen gegenüber antimikrobiellen Substanzen[4,5]. Einen Weg zur Entschärfung des Resistenzproblems sieht Professor Uwe Frank, Heidelberg, im alternativen Einsatz von effektiven Pflanzeninhaltsstoffen wie den Senfölen (Isothiocyanaten) aus Kapuzinerkresse und Meerrettich (ANGOCIN® Anti-Infekt N). Der Einsatz des Phytotherapeutikums bei unkomplizierten Atem- und Harnwegsinfekten sei eine gute Option, um die Ausbreitung resistenter Keime zu bremsen. „Unsere Untersuchungen mit den Isothiocyanaten haben gezeigt, dass diese Pflanzenstoffe sowohl gegen relevante Erreger von Blasenentzündungen als auch gegen die häufigsten Verursacher bakterieller Atemwegsinfektionen hochwirksam sind“, so der Mikrobiologe und Leiter der Sektion „Krankenhaushygiene“ am Universitätsklinikum Heidelberg.
Die starke und globale Zunahme der Resistenzen gegen Antibiotika stellt mittlerweile ein weltweites Problem dar. Die Gründe hierfür sind bekannt: Die übermäßige und häufig unkritische Verwendung von Antibiotika in der Medizin – bei banalen Infektionen, bei viral bedingten Erkältungskrankheiten und nicht sicher bakteriologisch verursachten Infektionen in der täglichen Praxis – sowie der Einsatz in der Tiermast.
Hohe Resistenzraten bei urologisch- und atemwegsrelevanten Erregern
Bei Patienten mit Infektionen des Urogenitaltraktes sind Antibiotika immer häufiger unwirksam. So ist seit 2010 die Zahl der VRE-Fälle um 40 Prozent gestiegen[6]. Gegen diese Keime – neben E.Coli, Proteus ssp. und Klebsiellen Auslöser von Blasenentzündungen – wirken oft nur noch ein oder zwei Arten von Reserve-Antibiotika[7]. Doch in jüngster Zeit wurden selbst gegen diese Wirkstoffe Resistenzen beobachtet[8,9]. Bedenklich ist ebenfalls die Zunahme von Enterobakterien, die resistent gegenüber Cephalosporinen der dritten Generation sind[10]. Hinsichtlich der Resistenzenzsituation bei den atemwegsrelevanten Keimen sieht es nicht besser aus: M. catarrhalis, H. influenzae und S.pneumoniae – die Erreger zählen zu den häufigsten Auslösern von bakteriellen Atemwegsinfektionen – zeigen europaweit mittlerweile teils dramatische Resistenzen gegenüber ß-Laktamen, aber auch Makroliden und Tetracyclinen[4,5].
„Es ist daher dringlicher denn je, neue Antibiotika bereitzustellen“, sagt Frank. Doch neue Wirkstoffe können nicht mehr schnell genug entwickelt werden, es mangelt vor allem an den finanziellen Ressourcen. Zwar förderte die Regierung die Entwicklung neuer Antibiotika 2014 mit etwa 10 Millionen Euro. Doch Fachleute beziffern die Entwicklungskosten für ein einziges neues Antibiotikum bis zur Markteinführung auf 800 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro[6].
Therapeutische Wirkung der Isothiocyanate umfassend belegt
Frank plädiert daher dafür, bei einfachen unkomplizierten Infektionen, wie zum Beispiel Erkältungskrankheiten und Blasenentzündungen, auf wirksame pflanzliche Präparate wie die Senföle aus Kapuzinerkresse und Meerrettich auszuweichen. Auf diese Weise würden hocheffektive Antibiotika für ernste und bedrohliche Erkrankungen aufgespart. Die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit des Senfölgemischs bei Atem- und Harnwegsinfektionen ist in zahlreichen Studien belegt, auch bei häufig wiederkehrenden Zystitiden und Erkältungskrankheiten[11-16]. Sogar gegenüber resistenten Problemkeimen wie MRSA, Vancomycin-resistenten Enterokokken oder Penicillin-resistenten Pneumokokken sind die Pflanzenstoffe wirksam [11,12]. Bislang wurden keine Resistenzentwicklungen gegen die Isothiocyanate beobachtet, wie auch eine jüngere Studie aus den USA bestätigt[17].
„Im Gegensatz zu chemisch-synthetischen Antibiotika handelt es sich bei den Senfölen um Viel- bzw. Mehrstoffgemische mit vielfältigen antimikrobiellen Wirkmechanismen. Synergistisch und synchron ablaufende Effekte, die teilweise noch nicht aufgeklärt wurden, verhindern bei diesen Pflanzenstoffen die Resistenzentwicklung bei Mikroorganismen, wie sie von Standard-Antibiotika bekannt sind“, erklärt der Wissenschaftler.
„Damit könnten derartige pflanzliche Arzneimittel in Zukunft einen neuen Stellenwert in der Therapie von unkomplizierter Atem- und Harnwegsinfektionen einnehmen und zur Entschärfung des Resistenzproblems beitragen“, resümiert Frank.