Berlin/Ludwigsburg – Volkskrankheit „Trockenes Auge” im Fokus
- Bundesverband AUGE informiert Patienten über Neuerungen bei der Erkennung und Behandlung chronischer Augenerkrankungen
- Vorträge renommierter Ärzte über Trockenes Auge, Glaukom, Katarakt, AMD sowie Versorgungsforschung stoßen auf großes Interesse
- Krankenkasse DAK-Gesundheit überreichte Förderscheck
Rund 150 Teilnehmer aus ganz Deutschland kamen am 22. April 2017 nach Ludwigsburg zum Aktionstag AUGE, zu dem die Patientenorganisation „Bundesverband AUGE e.V.” eingeladen hatte. Die Besucher erwartete ein breitgefächertes Programm mit spannenden Themen, Vorträgen und neuen Forschungsergebnissen rund um das Thema Chronische Augenerkrankungen. Für die Stadt Ludwigsburg hielt der Apotheker und Stadtrat Claus-Dieter Meyer ein Grußwort, in dem er die Bedeutung der Selbsthilfegruppen als Informationsquelle wie auch zum persönlichen Erfahrungsaustausch hervorhob.
Des weiteren begrüßte Matthias Ziegler, Direktor des Klinikums Ludwigsburg, das Publikum. Er wies darauf hin, dass mit jährlich rund 1.300 Augenoperationen diesem Behandlungsfeld am Klinikum große Bedeutung zukommt.
Großzügige Förderung für „Aktionstag AUGE 2017”
Im Anschluss übergab Wolfgang Nitschke, Leiter des Servicezentrums der Krankenkasse DAK-Gesundheit in Ludwigsburg, einen Förderscheck in Höhe von 9.000 Euro an den Veranstalter Bundesverband AUGE e.V.
Die Krankenkasse DAK-Gesundheit fördert den Bundesverband AUGE mit Projektmitteln der Selbsthilfeförderung. „Wir freuen uns sehr über diese Spende der DAK-Gesundheit aus Mitteln der Selbsthilfeförderung, weil dadurch unsere ehrenamtliche Arbeit in der bundesweiten Patientenselbsthilfe wirkungsvoll unterstützt wird und diesen Aktionstag AUGE 2017 erst möglich gemacht hat“, bedankte sich der Bundesvorsitzende des Vereins, Dieter Staubitzer (Bild).
Hochkarätige Referenten „bearbeiten” breites Themenspektrum
Den Vortragsreigen eröffnete Professor Philipp Steven, der in der Uniklinik Köln den Bereich für Erkrankungen der Augenoberfläche und speziell das Trockene Auge verantwortet. Der Mediziner klärte die Zuhörer über das in der Öffentlichkeit unterschätzte Krankheitsbild auf: „Das Trockene Auge”, so Steven, „ist eine der häufigsten Augenerkrankungen überhaupt – mit bis zu 35 Prozent Betroffene einer Bevölkerung. Und damit häufiger als Bluthochdruck, Diabetes oder Rheuma. Allein in Deutschland gibt es rund 9 Millionen Betroffene.”
Zwar ist durch das Trockene Auge keine Erblindung zu befürchten, gleichwohl kann es die Patienten massiv in ihrer Lebensqualität einschränken. So haben Glaukom-Patienten ein 50-prozentiges Risiko, dass sie ein Trockenes Auge bekommen – durch die Glaukomerkrankung und die angewandte Therapie wie Augentropfen, Tränenersatzmittel oder auch eine OP.
Mit zunehmendem Alter wächst das Risiko für Trockene Augen. Frauen erkranken häufiger daran als Männer. Als Risikofaktoren für diese Augenerkrankung gelten zudem Rauchen und Alkoholkonsum, niedrige Luftfeuchtigkeit, Laserung der Hornhaut, Vitamin A-Mangel, Hepatitis, Diabetes-Medikamente, Antihistaminika, Antidepressiva und Betablocker.
Die Therapie erfolgt stufenweise. Wichtig dabei ist, dass man alle drei Komponenten – Instabilität des Tränenfilms, Zunahme der Osmolarität (Salzhaltigkeit der Träne) und Entzündung der Augenoberfläche – gemeinsam behandelt. Zu den wichtigsten Maßnahmen der Stufentherapie zählen Tränenersatzmittel als Basistherapie, Lidrandtherapie sowie anti-entzündliche Wirkstoffe. Der Trend geht dabei zu multifunktionellen Produkten, die mehrere Einflussnahmen auf die Augenoberfläche bewirken.
Besondere Herausforderungen in der Therapie sieht Professor Steven in der Versorgung von schweren und seltenen Formen der Erkrankung. Erschwerend hinzu kommt die sehr eingeschränkte Kostenerstattung bei dieser Gruppe. „Da kämpfen wir sehr, das ist die größte Herausforderung”, so Steven.
Professor Norbert Körber analysierte in seinem Vortrag die „Wertigkeit der minimalinvasiven Glaukomchirurgie”. In letzter Zeit ist man, so Prof. Körber, zunehmend zu der Erkenntnis gelangt, dass das Hauptproblem beim Glaukom der Abfluss durch das sogenannte Trabekelmaschenwerk ist. Es kommt teilweise zum Verschluss des Kanals als auch der Verbindungsgefäße (Kollektorkanälchen). Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, den Kanal zu erweitern und den Abfluss zum Kanal und dann zum Abflusssystem zu verbessern.
Wie dieses Ziel mit Hilfe neuer OP-Verfahren der minimal- oder mikroinvasiven Glaukomchirurgie (MIGS) erreicht werden kann, erläuterte Prof. Körber in seinem anschaulichen Vortrag. Unter Einsatz von OP-Videos machte er mit den Besonderheiten folgender OP-Verfahren vertraut: Trabektom, iStent, Hydrus-Implantat, Xen-Implantat sowie Kanaloplastik ab interno mit zwei Verfahren.
Die Indikation für solche minimalinvasive Operationen ist ein nur mäßiger Schaden – also Nervenfaserschichtverluste, die eine gemäßigte oder geringe Gesichtsfeldbeeinträchtigung aufweisen. Der Zieldruck bewegt sich demgemäß dann auch eher bei 15 mmHg maximal. Das ist das, was mit diesen minimalinvasiven Verfahren erreichbar ist. Das Ziel ist dabei immer auch die Reduktion der Medikamente. Denn, so Prof. Körber, „ein operatives Verfahren soll dem Patienten nicht nur einen besseren Druck bringen, sondern wenn irgend möglich ihn auch von den Nebenwirkungen der Medikamente befreien. Das ist aus meiner Sicht ein wesentliches Ziel einer OP.”
Mit dem Thema altersabhängige Makuladegeneration, kurz AMD. befasste sich Professor Helmut Höh vom Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum in Neubrandenburg in seinem Referat. Darin führte er aus, dass AMD die häufigste Erblindungsursache in Deutschland ist. Sie zeigt sich am häufigsten im Alter zwischen 70 und 80 Jahren und nimmt dann noch weiter zu. Rauchen verdoppelt das Risiko zu erkranken, Vererbung erhöht zumindest das Erkrankungsrisiko. Ebenso spielen Arteriosklerose und Lichtexposition in diesem Zusammenhang eine Rolle.
Die Makuladegeneration hat zwei Formen: die trockene und die feuchte. 85 bis 90 Prozent aller Patienten haben eine trockene Form. Das Charakteristikum der trockenen Makuladegeneration ist: sie kommt schleichend. „Das geht über 10, 20, 30 Jahre”, wie Professor Höh erklärte.
Bei der feuchten Makuladeneneration wachsen Blutgefäße ein und zerstören die Netzhaut. Zur Behandlung der feuchten Makuladegeneration gibt es ein neuartiges Therapieverfahren mit Röntgenstrahlen. Wenn man also – vereinfacht gesagt – die Blutgefäße, die ein abnormes Wachstum zeigen, mit Röntgenstrahlen bestrahlt (IRay-Verfahren), dann wachsen diese nicht mehr nach.
Das Ziel bei der Behandlung der trockenen AMD ist, das Forschreiten der Krankheit zu stoppen und mit Hilfe von Spritzen das Sehvermögen zu erhalten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, ausreichend Lutein zu sich zu nehmen. „Die Standardtherapie heute bei der trockenen Makuladegeneration ist daher die Supplementierung mit Lutein und mit Antioxidantien”, erklärte Prof. Höh. Die trockene Makuladegeneration ist im Augenblick eines der Hauptforschungsgebiete in der Augenheilkunde. „Es laufen”, so der Mediziner, „derzeit weltweit mindestens 30 Studien.” Im Rahmen der Spritzentherapie stellt sich die Frage: Wieviel Spritzen sollten es sein, um die Sehschärfe zu erhalten, aber auf der anderen Seite, um den Patienten möglichst wenig zu belasten? „Derzeit zeichnet sich ab”, erläuterte Prof. Höh, „dass das sogenannte Treat & Extend-Schema – dass man also mit der Zeit die Abstände einfach verlängert – das erfolgreichste Verfahren auf diesem Weg sein wird.
Professorin Julika Loss ging in ihrem Vortrag auf die Frage ein, welche gesellschaftlichen Auswirkungen Krankheiten haben bzw. wie auch die Krankenversorgung von bestimmten Rahmenbedingungen in der Gesellschaft beeinflusst werden. Nach einer kurzen Einführung in den Bereich Versorgungsforschung stellte die Wissenschaftlerin ein von ihr geleitetes Forschungsprojekt an der Universität Regensburg vor. Thema ist die „Kommunikation von genetischen Risiken für Volkskrankheiten – Das Beispiel altersabhängige Makuladegeneration (AMD)”. Ziel des eigens gebildeten Forschungsverbundes ist es, zu untersuchen, wie sich an AMD erkrankte Patienten informieren, welchen Wissensstand und welchen spezifischen Informationsbedarf sie haben. Gleichzeitig geht der Verbund auch der Frage nach, ob und wie neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur AMD, die z.B. Genetik oder Prävention betreffen, überhaupt Ärzte, Optiker, Medien und Patienten erreichen, und wie die Presse zu AMD berichtet. Erstmals wird in Deutschland mit dieser Studie umfassend aufgearbeitet, wie die Versorgung von AMD-Patienten hinsichtlich Aufklärung und Beratung aussieht, und welche Prozesse des Wissenstransfers von neuen Erkenntnissen hin zu Medien, Experten und Patienten stattfinden und wie sie beeinflussen, welches Wissen bei AMD-Patienten ankommt bzw. wie es wahrgenommen wird. Eine wichtige Erkenntnis aus der Studie hat Frau Prof. Loss bereits gezogen: „Patienten möchten mehr informiert werden.”
Hinweis: Ein ausführliches Interview mit Frau Prof. Loss zum Thema Versorgunsforschung und die oben erwähnte Studie finden Sie in Kürze unter www.bundesverband-auge.de
Mit Professor Marcus Kernt trat ein ausgewiesener Spezialist für den Grauen Star (Katarakt) ans Rednerpult. Er verwies eingangs darauf, dass „die bei weitem häufigste Urasche für Erblindung in der Welt nach wie vor der Graue Star ist”. Besonders ältere Menschen sind davon betroffen. „Der Graue Star ist”, wie Prof. Kernt ausführte, „in den meisten Fällen hervorragend zu behandeln und die Patienten können, wenn keine anderen Augenerkrankungen vorliegen, in der Regel wieder eine hervorragende Sehschärfe erreichen”.
Der Mediziner vermittelte anschaulich die anatomischen Hintergründe für die Entwicklung des Grauen Stars, erläuterte verschiedene Ausprägungen des Krankheitsbildes und stellte detailliert die heute angewandten Diagnoseverfahren vor. „Leider”, so der Katarakt-Experte, „gibt es für den Grauen Star bislang keine Behandlungsoptionen, die mit Medikamenten zu erreichen wäre. Die einzige Möglichkeit, diese Erkrankung sinnvoll zu behandeln, ist nach wie vor die Operation”. Aber da es sich heute um einen sehr kleinen unkomplizierten minimalinvasiven Eingriff handelt, ist es nichts, wovor betroffene Patienten Angst haben müssten, beruhigte der Mediziner. Er schilderte in Grundzügen den Ablauf der Katarakt-OP, die durchschnittlich etwa eine Viertelstunde dauert.
Prof. Kernt informierte auch über Art und Aufbau von Linsen und legte dar, wie mit Hilfe biometrischer Verfahren die optimale Linse für den einzelnen Patienten bestimmt wird.
Im Hinblick auf Diagnose, neue Technologien und Therapieoptionen resümierte Prof. Kernt: „Es gibt vieles, was man machen kann, aber nicht alles muss immer sein. Das muss man individuell sehr genau entscheiden. Und es ist nicht so, dass für jeden das gleiche immer gut ist. Deshalb ist es wichtig, dass man es genau zwischen Patient und Augenarzt bespricht, um eben eine optimale Lösung für den Patienten zu finden”.
Bundesverband AUGE e.V.
Der gemeinnützige Verein kümmert sich um Menschen, die vorwiegend unter chronischen Augenerkrankungen leiden, wie beispielsweise Glaukom (Grüner Star), Altersabhängige Makuladegeneration (AMD), Katarakt (Grauer Star), Trockenes Auge sowie Netzhaut- und Hornhauterkrankungen. Einige Erkrankungsformen können die Sehkraft erheblich einschränken und bei fehlender Behandlung zur Erblindung führen. Der Selbsthilfeverein gibt Betroffenen und Angehörigen Tipps und Hilfestellung zum richtigen Umgang mit der Augenerkrankung als auch bei der Inklusion im Alltagsleben. Der Verband unterstützt bei der Gründung und Fortführung lokaler und regionaler Selbsthilfegruppen in ganz Deutschland, informiert die Bevölkerung über augenspezifische Krankheitsbilder und ruft zur Früherkennung auf. In den Medien und in Mitglieder-Infos berichtet der Verein über aktuelle Therapieentwicklungen aus Wissenschaft und Forschung und alternative Behandlungsmethoden. Der 1999 gegründete Verein ist eine Selbsthilfeorganisation mit bundesweit rund 1000 Mitgliedern sowie Selbsthilfegruppen in fast allen Bundesländern. Der Bundesverband ist Mitglied im Wohlfahrtsverband DER PARITÄTISCHE-Bayern und in verschiedenen Dachverbänden der Selbsthilfe. Die Organisation finanziert sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen, öffentlichen Projektmitteln der Krankenkassen und Stiftungen sowie über Spenden. Der Verein betreibt eine barrierefreie Homepage und ein kostenloses Beratungstelefon. Die Geschäftsstelle befindet sich in Aurach bei Ansbach in Mittelfranken, Vereinssitz ist in Berlin.
Weitere Informationen: www.bundesverband-auge.de
Links:
mvz.uk-koeln.de/mvz-ii/augenheilkunde/patienten-1/spezialsprechstunde-trockenes-auge
www.augencentrumkoeln.de
dbknb.de/dbk/aug
Versorgungsforschung zur AMD
www.augen-arzt.net