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Adipositas bei Kindern und Jugendlichen: verzehnfacht in nur 40 Jahren

Pressemitteilung

Heidelberg – Hält der derzeitige Trend an, so werden von 2022 weltweit mehr fettleibige als untergewichtige Kinder und Jugendliche leben. Das ermittelte ein internationales Konsortium unter der Leitung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Imperial College London. In Deutschland waren Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum an der Studie beteiligt.

Die in der Zeitschrift Lancet veröffentlichte Arbeit ist die größte jemals publizierte epidemiologische Studie: Mehr als 1000 Wissenschaftler erfassten den Body Mass Index* und dessen Veränderungen von über 130 Millionen Menschen weltweit zwischen 1975 und 2016.

Innerhalb dieses Zeitraums stieg die Rate fettleibiger Kinder von unter einem Prozent (ca. 11 Millionen Kinder) auf annähernd sechs Prozent bei Mädchen (50 Millionen) sowie fast acht Prozent bei Jungen (74 Millionen). Die Anzahl fettleibiger 5- bis 19-Jähriger verzehnfachte sich von 1975 bis 2016 (von 11 auf 124 Millionen). Weitere 213 Millionen Kinder sind übergewichtig, erreichen jedoch noch nicht die Grenze zur Fettleibigkeit.

„In Ländern mit höheren Durchschnittseinkommen stagniert dieser Trend seit einigen Jahren – bei einer inakzeptabel hohen Rate an stark übergewichtigen Kindern”, sagt Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum, der an der aktuellen Studie beteiligt ist. „In den Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen steigt die Rate dagegen leider immer noch an.”

Ab 2022: mehr adipöse als untergewichtige 5- bis 19-Jährige

Die Autoren rechnen hoch, dass bei anhaltendem Anstieg des Übergewichts 2022 die Rate adipöser Kinder und Jugendlicher die der Altersgenossen mit moderatem und schwerem Untergewicht überschreiten wird. Nichtsdestotrotz bleibt die extrem hohe Anzahl untergewichtiger (2016: 75 Mio. Mädchen; 117 Mio. Jungen weltweit) ein erhebliches Gesundheitsproblem – vor allem in den ärmsten Teilen der Welt.

Kinder und Heranwachsende haben sich in vielen Teilen der Welt sehr schnell von der untergewichtigsten zur übergewichtigsten Bevölkerungsgruppe entwickelt – so etwa in Ostasien oder Lateinamerika. Die Autoren gehen davon aus, dass dies vor allem mit dem Konsum von Lebensmitteln mit hoher Energiedichte zusammenhängt, etwa stark verarbeitete Kohlenhydrate.

Der DKFZ-Epidemiologe Rudolf Kaaks, ebenfalls Ko-Autor der Studie, sagt: „Ein extrem hoher BMI in der Kindheit führt vielfach zu lebenslangen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Daher ist die hohe Rate an Adipositas und Übergewicht heute eine globale Gesundheitsbedrohung, die sich in den kommenden Jahren noch weiter zu verschlimmern droht, wenn wir nicht drastisch dagegen steuern.”

Regionale Unterschiede

Die Steigerung der Adipositas-Rate in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, insbesondere in Asien, hat sich seit 1975 beschleunigt. In Ländern mit hohem Einkommen sinkt sie dagegen oder hat ein Plateau erreicht.

Die größte Steigerung innerhalb des gesamten Untersuchungszeitraums ermittelten die Wissenschaftler für Ostasien sowie für die englischsprachigen Länder mit hohem Einkommen (USA, Kanada, Australien; Neuseeland, Irland, UK) sowie für den mittleren Osten und Nordafrika.

2016 verzeichneten Polynesien und Mikronesien weltweit die höchste Rate an adipösen Kindern und Jugendlichen (25,4 Prozent der Mädchen und 22,4 Prozent der Jungen).

In Europa sind Mädchen in Malta (11,3 Prozent) und Jungen in Griechenland (16,7 Prozent) am stärksten von Adipositas betroffen, Jungen und Mädchen in Moldawien dagegen am wenigsten (3,2 Prozent und 5 Prozent).

Während des gesamten Untersuchungszeitraums wurde in Indien die höchste Rate an untergewichtigen Kindern und Jugendlichen dokumentiert (1975: 24,4 Prozent der Mädchen und 39,3 Prozent der Jungen; 2016: 22,7 Prozent und 30,7 Prozent). 2016 waren 97 Millionen indische Kinder und Jugendliche untergewichtig.

Um diese Entwicklungen abzufangen, hat die WHO den Aktionsplan „Ending Childhood Obesity (ECHO) Implementation Plan” veröffentlicht: Die Länder sollen sich besonders bemühen, den Konsum von billigen, hochverarbeiteten, energiedichten Nahrungsmitteln einzuschränken. Parallel dazu sollen Kinder zu mehr körperlicher Aktivität in ihrer Freizeit angehalten werden.

* Body-Mass-Index, BMI: Körpergewicht [kg] dividiert durch Körpergröße [m] im Quadrat. Bei Erwachsenen sprechen Wissenschaftler ab einem BMI von 30 von Adipositas (Fettleibigkeit), bei Kindern ist dieser Grenzwert altersabhängig.

James Bentham et al.: “Worldwide trends in body-mass index, underweight, overweight, and obesity from 1975 to 2016: a pooled analysis of 2416 population-based measurement studies in 128·9 million children, adolescents, and adults” by NCD Risk Factor Collaboration (NCD-RisC)
The Lancet 2017, DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(17)32129-3

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.