München – Welches Antidepressivum bei einem Patienten wirkt, mussten Ärzte bislang über zum Teil mehrere Behandlungsversuche herausfinden. Ein häufig für beide Seiten unbefriedigender Zustand: Bei rund zwei Drittel aller Patienten mit Depression blieb in den ersten Monaten eine volle Remission aus.
Ein labordiagnostisches Verfahren ermöglicht nun die gezielte Medikation. „Zum ersten Mal gibt es einen Test, mit dem der Arzt die heute verfügbaren Antidepressiva optimal einsetzen kann“, sagt Professor Florian Holsboer, einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Depressionsforschung und Geschäftsführer des Münchner Unternehmens HMNC Brain Health, das gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie den ABCB1-Test entwickelt hat. Der molekulargenetische Test liefert Ärztinnen und Ärzten wichtige Entscheidungshilfen für die Auswahl des Wirkstoffs und seiner Dosierung.
Ungefähr siebzig Prozent aller erhältlichen Antidepressiva werden durch P-Glykoproteine (P-gp), sogenannte Transportermoleküle an der Blut-Hirn-Schranke, am Übergang ins Hirngewebe gehindert. Der genetische Bauplan des P-Glykoproteins ist im ABCB1-Gen verankert, das beim Menschen in unterschiedlichen Varianten vorliegt. Am Max-Planck-Institut für Psychiatrie konnte ein Zusammenhang zwischen bestimmten Sequenzvarianten auf dem ABCB1-Gen und der Effektivität des Transportermoleküls nachgewiesen werden. Abhängig vom ABCB1-Genotyp des Patienten ist die Passage von Antidepressiva ins Gehirn entweder vermindert oder erleichtert.
Mit dem ABCB1-Test werden diese Gen-Variationen analysiert. Das Testergebnis liefert behandelnden Ärztinnen und Ärzten Aufschluss darüber, mit welchem Medikament das individuell beste Behandlungsergebnis zu erzielen sein wird. Ferner enthält der Befundbericht Dosisempfehlungen und gibt Anregungen für den Einsatz von Konzentrationsmessungen des Wirkstoffs im Plasma (TDM) sowie für zusätzliche Maßnahmen, die das Therapieergebnis optimieren können.
„Patienten, deren Therapieplan das ABCB1-Testergebnis berücksichtigt, haben in kürzerer Zeit ein besseres Behandlungsergebnis“, so Holsboer. Der ABCB1-Test ist nur einmal im Leben erforderlich, das Testergebnis lebenslang gültig. Bislang ist der Test noch nicht von der GKV übernommen, er wird über die Private Krankenversicherung oder als Selbstzahlerleistung abgerechnet.
Wissenschaftlicher Hintergrund
Manfred Uhr und Mitarbeiter konnten 2004 am Max-Planck-Institut für Psychiatrie zeigen, dass Varianten des ABCB1-Gens mit der Wirksamkeit von Antidepressiva zusammenhängen. Dies wurde in zahlreichen internationalen Studien bestätigt. Patienten, deren Genotyp bei der Behandlung berücksichtigt wurde, waren bei ihrer Entlassung mit höherer Wahrscheinlichkeit symptomfrei als Patienten, deren Genotyp unbekannt war.
Weitere Informationen und Hintergründe zum ABCB1-Test finden Ärzte und Labore auf www.abcb1-test.de
Das Unternehmen
HMNC Brain Health ist auf die Entwicklung innovativer Therapieverfahren gegen Depression und Angsterkrankung spezialisiert. Das 2010 in München gegründete Unternehmen wendet das Konzept der personalisierten Medizin auf psychische Erkrankungen an und bietet mit neuartigen Medikamenten, Gentests und Biomarkern behandelnden Ärzten die Möglichkeit, für jeden Patienten individuell das am besten geeignete Medikament zu wählen.