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37 Grad: Ich gebe Dir meine Niere – ZDF verpasst Chance auf sachliche Information

PRESSEMITTEILUNG

Berlin – Am 10.09.2019 hat das ZDF in der Reihe 37 Grad, unter dem Titel „Ich gebe Dir meine Niere“, die Geschichten von drei Nierenlebendspenden gesendet.

Eine Mutter möchte ihrem nierenkranken Sohn eine Niere spenden, eine Frau ihrem Mann und ein Mann seinem besten Freund. Alle drei Konstellationen sind hervorragend geeignet, um die Problematik der Nierenlebendspende von allen Seiten zu beleuchten.

Tatsächlich dürfte die Organlebendspende für das eigene Kind die emotionalste Variante sein. Dafür sind viele Mütter und Väter bereit hohe Risiken einzugehen.

Wie sehr wünschen sich Lebens- und Ehepartner von nierenkranken Menschen das „alte Leben“ zurück. Jedoch zerbrechen durch unerfüllte Erwartungshaltungen sehr viele Partnerschaften. Keineswegs kommt „das alte Leben“ zurück. Schon allein auf Grund der Immunsuppressiva und der zeitlichen Limitierung der Nierenlebensdauer, oder Einschränkungen beim Spender.

Die Spende unter Freunden ist ebenso eine nach dem Gesetz zugelassene Variante, sofern eine besondere persönliche Verbundenheit vor der Ethikkommission nachgewiesen wird. Allerdings wird durch die Organspende unter Umständen eine Nähe erzeugt die auch als „einengend“ empfunden werden kann.

Bei der Abwägung des Fremdnutzens mit den Eigenrisiken sind für den potenziellen Spender eigene Lebensziele und die eigene Erwerbsfähigkeit zu bewerten. Diese Überlegungen spielten in dem Beitrag jedoch keine Rolle.

Der Bericht begleitete die drei Fälle sehr nah und emotional. Bestandteil des Berichts waren u. a. auch ein Aufklärungsgespräch, ohne den Inhalt der Aufklärung in ganzer Bandbreite darzustellen. Und da liegt eine deutliche Schwäche des Beitrages. Die Aufklärung muss u. a. folgendes umfassen:

  • Ca. 25 % der Nierenlebendspender erkranken an Bluthochdruck
  • Ca. 25 % der Nierenlebendspender sind nach dem Eingriff nierenkrank, trotz verbliebener gesunder Einzelniere.
  • Ca. 12 % der Nierenlebendspender leiden mindestens 24 Monate und länger an einem Erschöpfungssyndrom.

Die Problematik des im Schadensfall nach wie vor rechtlich ungeklärten Versicherungsschutzes wurde in keiner Weise erwähnt.

Seit dem der Bundesgerichtshof am 29. Januar 2019 mit zwei wegweisenden Urteilen (VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17) sehr weitreichende Anforderungen an die Aufklärung stellt, muss die Aufklärung sämtliche bekannten Risiken des Organverlustes beinhalten.

Ob die Protagonisten des Films auch tatsächlich eine umfassende Risikoaufklärung erhalten haben, wurde nicht näher erläutert. So wurde zumindest über die verkürzte Lebenserwartung berichtet und ein Chirurg sagte sehr deutlich, dass es „Blödsinn“ sei, davon auszugehen, dass man nach der Organentnahme genauso weiterleben kann, wie vorher.

Pikanterweise ist einer der auftretenden aufklärenden Mediziner rechtskräftig vom BGH wegen fehlerhafter Aufklärung verurteilt worden.

Es wäre gutes journalistisches Handwerk gewesen, diese Risiken deutlich anzusprechen und diskutieren zu lassen. So hat der Film bedauerlicherweise eine zu starke emotionale Gewichtung und stellt die Nierenlebendspende verharmlosend als unbedingt richtige Tat dar.

Tatsächlich gibt es aber auch berechtigte Gründe, einer Nierenlebendspende zum Eigenschutz nicht zuzustimmen. Der BGH bestätigt dies ausdrücklich. Die Risiken sind enorm. Auch ein „Nein“ ist eine legitime Entscheidung. Dies hätte unbedingt in eine sachliche Berichterstattung unter Abwägung der Pro- und Contra-Argumente gehört.

Statt suggestiv durch die Darstellung glücklicher Menschen zur Nachahmung aufzufordern, hätte der deutliche Hinweis am Ende des Beitrages stehen müssen, dass die Nierenlebendspende ein sehr schwerwiegender Eingriff mit erheblichen Risiken ist und eben keine Selbstverständlichkeit darstellt.

Auch beim Format „37 Grad“, welches bewusst Menschen und ihren Emotionen sehr nahekommt, gibt es den öffentlich-rechtlichen Auftrag zur sachlichen Berichterstattung. Beim Thema Nierenlebendspende ist das ZDF diesem nicht nachgekommen.

Link zum Beitrag in der ZDF Mediathek. Verfügbar bis 10.09.2022.

Die vom Gesetzgeber bewusst streng formulierten und in § 19 Abs. 1 Nr. 1 TPG gesondert strafbewehrten Aufklärungsvorgaben sollen den potentiellen Organspender davor schützen, sich selbst einen größeren persönlichen Schaden zuzufügen; sie dienen dem „Schutz des Spenders vor sich selbst.“ Bundesgerichtshof am 29. Januar 2019 (VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17)

„Eine Lebendspende kann mit hohen Risiken verbunden sein. (…) Eine umfassende Aufklärung ist daher umso wichtiger. Die Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V. leistet dazu einen wichtigen Beitrag.“ Hermann Gröhe (Bundesgesundheitsminister 2013 bis 2018)