Dortmund – Gesundheit selbst erleben und mit Empathie auf die Gesundheit oder Erkrankung der Patienten eingehen – beide Seiten dieser Medaille standen im Mittelpunkt des 26. Bundeskongresses des Verbandes medizinischer Fachberufe e.V.
Rund 750 Medizinische, Zahnmedizinische und Tiermedizinische Fachangestellte sowie Zahntechniker/innen waren am vergangenen Wochenende ins Kongresszentrum Westfalenhallen nach Dortmund gereist, um drei Tage lang praxisnahe Informationen für ihren Berufsalltag zu erhalten und Erfahrungen auszutauschen.
Dem Kongressmotto „Gesundheit (er)leben“ widmete sich am Freitagnachmittag Prof. Stefan Wilm. Der Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf beschäftigte sich in seinem Referat mit dem Konflikt zwischen Fürsorgeauftrag, Patientenautonomie und gesellschaftlicher Teilhabe. „Praxisteams stehen im Spannungsfeld zwischen gesetzlichen Vorgaben, medizinischen Leitlinien, Qualitätsmanagement, Budgetierung und Patientenautonomie“, so Prof. Wilm. „Während das Praxisteam Krankheiten – also primäre biologische und/oder psychophysiologische Fehlfunktionen oder Fehlanpassungen von Organen oder Systemen – in Begriffen medizinischer Theorie definiert, wird Krank-Sein beim Patienten durch seine Wahrnehmung, sein Erleben und den Umgang mit der eigenen Krankheit empfunden. Deshalb sei es wichtig, wenn sich eine Patient-Team-Beziehung im Sprechen, Verstehen, Handeln, Reflektieren und Wahrnehmen sowie Anerkennen der jeweiligen Kompetenzen vollziehe.
Gefahren für die Professionen im Gesundheitswesen sieht Prof. Wilm in der Demontage des Arztberufes und der Praxisteams. Diese geschehe nicht nur durch Nicht-Ärzte und die Gesellschaft, sondern auch durch die Ärzteschaft und die Praxisteams selbst. So sehe er die Individuellen Gesundheitsleistungen als sehr kritisch: „Kranksein ist keine Ware, der Patient ist kein Kunde. Wir begegnen dem Patienten in seiner existentiellen Verwundbarkeit und in seinem Leiden“. Zudem müsse die Fokussierung nicht auf die Behandlung von Krankheiten, sondern auf die Begleitung von kranken Menschen gelegt werden.
„Die Ursachen für diese Entwicklung liegen zum Teil in der Ausbildung bzw. den Studieninhalten“, ergänzt die Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe e.V., Sabine Ridder. „Die Fokussierung in Studium und Ausbildung auf die pathologischen Prozesse und deren Diagnostik und Therapie sowie die Abgrenzung der medizinischen Fachrichtungen verstärken das Dilemma. So verliert sich das Praxisteam sehr häufig im schulmedizinischen Paradigma der Pathogenese. In vielen unserer Seminare beim Bundeskongress stand deshalb eine andere Sicht im Mittelpunkt: Patienten sollen durch Behandlung und Begleitung durch die Praxisteams in die Lage versetzt werden, ihre Ressourcen zu erkennen und zu stärken und sich so aktiv am Gesundungsprozess zu beteiligen. Für uns Gesundheitsberufe heißt das, wir müssen unseren Blick von der reinen Krankenversorgung loslösen. Dafür sind eine salutogenetische Orientierung, das Überdenken der eigenen Rolle und der Beziehung zum Patienten notwendig.“
Referenten und Teilnehmer/innen diskutierten in verschiedenen Seminaren unter anderem mit die Grundelemente einer erfolgreichen Kommunikation. Positive Wertschätzung gegenüber den Patienten, einfühlsames Verstehen, Wahrhaftigkeit gegenüber den Patienten und Verschwiegenheit, die einen geschützten Rahmen und Vertrauen schafft, gehören dazu. Ebenso wurden Möglichkeiten besprochen, sicher mit traumatisierten Patienten umzugehen. Hier spielt das Entdecken, Bewusstwerden und Nutzen von unterschiedlichen Ressourcen beim Patienten eine ganz entscheidende Rolle.
„Gleichzeitig war es uns bei diesem Kongress wichtig, den Blick auf die eigenen Ressourcen zu lenken“, so Sabine Ridder weiter: „Die Teilnehmer/innen haben bei Dr. Peter Schröder gelernt, das eigene Schatzbuch zu schreiben und bei Ute Kappes der Achtsamkeit sich selbst gegenüber mehr Raum gegeben.“
Dieser Grundgedanke sei sehr gut angekommen und habe den Verband medizinischer Fachberufe e.V. bestärkt, die Thematik in Fachtagungen, Thementagen und bei Bezirksstellenveranstaltungen zu vertiefen, auch in Kooperation mit ärztlichen Partnern und anderen Gesundheitsfachberufen.
Der Verband medizinischer Fachberufe e.V. wurde 1963 als Berufsverband der Arzthelferinnen (BdA) gegründet und vertritt als Gewerkschaft seit 1980 auch die Interessen der Zahnarzt- und Tierarzthelferinnen. Seit dem 6. Juni 2006 trägt der ehemalige BdA den Namen Verband medizinischer Fachberufe e.V. Mit der Satzungsänderung 2010 können auch angestellte Zahntechniker/innen den Verband beitreten. Der Verband medizinischer Fachberufe e.V. engagiert sich in zahlreichen Veranstaltungen für die Fortbildung des Praxispersonals. Mehr Infos unter www.vmf-online.de