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20 Jahre Transplantationsgesetz – Nierenlebendspenderschutz vorhanden?

Der Gesetzgeber stellt die Organlebendspender unter besonderen Schutz.

Thedinghausen – Vor 20 Jahren, am 01. Dezember 1997 trat das Transplantationsgesetz (TPG) in Deutschland in Kraft. Ziel war eine einheitliche gesetzliche Regelung für die Organentnahme bei verstorbenen und lebenden Spendern, um erkrankten Menschen einen gesundheitlichen Vorteil zu verschaffen.

Die Organlebendspende wurde ausdrücklich zugelassen, obwohl auch noch nach Inkrafttreten des Gesetzes kaum belastbare Langzeitdaten über die gesundheitlichen Risiken für die Spender vorlagen (Bundesdrucksache 16/12554).

Das Jubiläum des TPG ist für die Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V. Anlass, sich den Schutz der Nierenlebendspender genauer anzusehen.

Medizinischer Schutz

Inzwischen sind zahlreiche Langzeitrisiken einer Nierenlebendspende bekannt. Mit verkürzter Lebenserwartung, erhöhtem Dialyserisiko, Bluthochdruck und teilweise erheblichen körperlichen und kognitiven Leistungsverlusten und dauerhaften Erschöpfungserscheinungen (Fatigue-Syndrom) muss gerechnet werden. Mitursache ist der eintretende Nierenfunktionsverlust von bis zu 40 % (Heemann, Der Weg zur Nierenlebendspende, 2015). Weitere Komplikationen an Narben und des Harnsystems werden beschrieben. Ebenfalls kommt es zu depressiven Episoden in Folge der erlebten Einschränkungen und Komplikationen.

Die Häufigkeit der auftretenden Komplikationen steht im klaren Widerspruch zum Gesetzgeberauftrag. Dieser hat im TPG deutlich gemacht hat, dass eine Organentnahme nur zulässig ist, wenn der Spender „voraussichtlich nicht über das Operationsrisiko hinaus gefährdet oder über die unmittelbaren Folgen der Entnahme hinaus gesundheitlich schwer beeinträchtigt wird.“, § 8 (1) Nr. 1. c) TPG. Von einem “Erfolgsmodell” Nierenlebendspende, wie die Transplantationsmedizin gerne behauptet, kann unter diesen Umständen nicht gesprochen werden. Es wird Spendern seitens der Mediziner reflexhaft eine „stabile Nierenfunktion“ bescheinigt, ohne auf die spürbaren Folgen der erniedrigten Nierenfunktion einzugehen.

Mehrfach angekündigte verbindliche Richtlinien zur Organlebendspende sind bis dato nicht vorgelegt worden!

Fazit zum medizinischen Schutz: Nicht vorhanden!


Juristischer Schutz

Drei seit 2016 ergangene Urteile der Oberlandesgerichte Düsseldorf und Hamm (OLG Düsseldorf, 25.08.2016 – I-8 U 115/12 – OLG Hamm, 07.09.2016 – 3 U 6/16 – OLG Hamm, 05.07.2017 – 3 U 172/16) bestätigen, dass schon 2007 bzw. 2009 und 2010 über bereits bekannte Risiken wie das Fatigue-Syndrom und den Nierenfunktionsverlust aufzuklären gewesen wäre. Dennoch lehnt das OLG Hamm in seinen Urteilen die Haftung der Ärzte ab, da von der sogenannten „hypothetischen Einwilligung“ auszugehen sei. Begründet wird dies mit den Aussagen der Kläger, dass sie Angst um die kranken Organempfänger gehabt hätten und dass ihnen das Leid unerträglich gewesen sei. Einem Kläger wird „Liebe“ als Motiv vorgehalten. Das OLG Hamm zeigte sich davon überzeugt, dass die Kläger, trotz gegenteiliger Aussagen vor Gericht; auch bei vollständiger Risikoaufklärung eine Niere gespendet hätten.

Der Gesetzgeber verlangt im TPG eine besondere Verbundenheit zwischen Organspender und Organempfänger. Es liegt also „in der Natur der Sache“, dass die Motivation für den Spender, sein Organ zu übertragen besonders hoch ist. Folgt man nun der Argumentation des Gerichts, dann ist nahezu jede wegen eventueller Aufklärungsmängel an sich rechtswidrige Organlebendspende, trotz fehlerhafter Aufklärung über die Risiken, rechtmäßig.

Die „hypothetische Einwilligung“, ursprünglich als Arztschutz bei medizinisch notwendigen Eingriffen an möglicherweise zudem nicht mehr einwilligungsfähigen erkrankten oder verletzten Menschen von der Rechtsprechung entwickelt, darf bei einem fremdnützigen Eingriff, der nicht dem eigenen gesundheitlichen Vorteil dient, nicht angewandt werden. Sollten sich diese noch nicht rechtskräftigen Urteile durchsetzen, gibt es faktisch keinen juristischen Schutz für Organlebendspender.

Im TPG wird bei der Aufklärung ein zweiter, unabhängiger Arzt vorgeschrieben. Allerdings haben die OLGe eine Haftung aus dem bei der Aufklärung fehlenden im TPG vorgeschriebenen zweiten, unabhängigen Arztes verneint. Dieser zweite Arzt, der nicht am Transplantationsverfahren beteiligt sein darf, soll eine freie Entscheidung des möglichen Organlebendspenders unterstützen.

Bei Rechtskraft der Urteile aus Hamm können sich die aufklärenden Ärzte zukünftig zurücklehnen. Weder wird es für den formalen Verstoß des fehlenden zweiten Arztes eine Haftung geben, noch für eine inhaltlich unvollständige und / oder mangelhafte Aufklärung.

Die Hoffnungen der gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kläger liegen nun beim BGH.

Fazit zum juristischer Schutz: Aktuell nicht vorhanden!


Unfallversicherungsrechtlicher Schutz

Nun ist es dem Gesetzgeber nicht entgangen, dass es erhebliche Probleme bei der Umsetzung des Versicherungsschutzes der Organlebendspender gab. Unklare Zuständigkeiten zwischen Kranken- und Unfallkassen, sowie Leistungsverweigerungen durch die Unfallkassen nach eingetretenen Schäden zeichneten bis 2012 ein düsteres Bild für die Absicherung der Organlebendspender.

Mit der Novellierung des TPG 2012 wurden Zuständigkeiten eindeutiger geregelt. Allerdings gibt es hier nach wie vor Umsetzungsprobleme. So ist bei vielen Unfallkassenmitarbeitern der Gesetzgeberwille zum Schutz der Organlebendspender nicht angekommen. Dieser hat 2012 im § 12a SGB VII nach Empfehlung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ (Bundesdrucksache 15/5050) die Beweislastumkehr bei gesundheitlichen Folgen aus der Organlebendspende eingeführt. Trotzdem wird z. B. das in der Literatur beschriebene Fatigue-Syndrom als Folge der Nierenlebendspende negiert. Häufig sind Beurteilungen von Beratungsärzten, die für die Unfallkassen tätig sind, wissenschaftlich nicht nachvollziehbar. Der Gesetzgeberwille wird offensichtlich bewusst ignoriert. Mehrere Sozialgerichtsverfahren sind anhängig.

Fazit zum unfallversicherungsrechtlichen Schutz: Aktuell kaum vorhanden!


Krankenversicherungsrechtlicher Nachsorgeschutz

Ebenfalls 2012 wurde im Gesetz der Anspruch von Organlebendspender auf eine umfassende Nachsorge inklusive einer Anschlussheilbehandlung (AHB)- bzw. Rehabilitationsmaßnahme nach der Spende neu geregelt. Nach dem neu eingeführten § 27 (1a) SGB V besteht ein eindeutiger Rechtsanspruch von Organlebendspendern auf eine AHB oder Reha. Auch hier zeigen sich zahlreiche Krankenkassen der Organempfänger erstaunlich unwissend.

In einem mehrseitigen Papier haben kürzlich die Leiterin der Vertrauensstelle Transplantationsmedizin Prof. Dr. jur. Ruth Rissing-van Saan und das Mitglied der Ethikkommission an der medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Herr Dr. jur. Sebastian Müller, M.mel. noch einmal eindeutig die Rechtslage skizziert (AHB- und Reha-Behandlungen als Teile des eigenen Anspruchs des Lebendspenders auf „Krankenbehandlung“ i.S.d. § 27 Abs. 1a SGB V gegen die Krankenversicherung des Organ- oder Gewebeempfängers, 2017). Dennoch kommt es immer noch zu Antragsablehnungen.

Fazit krankenversicherungsrechtlicher Nachsorgeschutz: Eingeschränkt vorhanden!


Als Gesamtfazit muss festgestellt werden, dass sowohl medizinisch, als auch juristisch und versicherungsrechtlich der Schutz der Nierenlebendspender, trotz klarem Gesetzgeberwillen, nicht greift.

20 Jahre Transplantationsgesetz ist für Nierenlebendspender keine Erfolgsgeschichte.


Sich gegen eine Nierenlebendspende zu entscheiden, ist ein legitimer Eigenschutz!

Beratung

Telefon: 04204- 685478 / E-Mail: beratung@nierenlebendspende.com.

„Eine Lebendspende kann mit hohen Risiken verbunden sein. (…) Eine umfassende Aufklärung ist daher umso wichtiger. Die Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V. leistet dazu einen wichtigen Beitrag.“ Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe