Andere Länder zeigen uns – und wir können davon lernen: Bei der dritthäufigsten Todesursache, dem plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand, stellen einfache gesetzliche Maßnahmen, die gleichzeitig hoch kosteneffektiv sind, das Überleben tausender Betroffener sicher. Diese sollten daher auch kurzfristig in Deutschland etabliert werden.
In Deutschland erleiden mehr als 120.000 Menschen in jedem Jahr einen plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand. Meist kommt dieser aus heiterem Himmel. Etwa 70.000 dieser Betroffenen werden vom Rettungsdienst versorgt. Davon überleben bisher gerade einmal 10 %, obwohl man bei einem frühzeitigen Beginn der Herzdruckmassage nach einem Herz-Kreislaufstillstand genauso gut weiterleben kann wie vorher.
Der Grund dafür ist: das Gehirn fängt bereits nach 3-5 Minuten an zu sterben. Der Rettungsdienst braucht im Mittel 9 Minuten vom Kollaps bis zum Eintreffen. Es muss also die Zeit überbrückt werden, bis der Rettungsdienst vor Ort ist. Hierfür braucht es Anwesende oder Ersthelfende. Und diese müssen wissen, was zu tun ist. Wenn Anwesende mit der Herzdruckmassage beginnen, bevor der Rettungsdienst eintrifft, dann verbessert dies das Überleben um den Faktor drei. Also dreimal mehr Menschen überleben. Das ist viel besser und effektiver als alles, was der Rettungsdienst oder das Krankenhaus tun können.
Wir wissen sehr genau aus anderen Ländern, dass gesetzliche Vorgaben hier außerordentlich helfen und das Überleben sehr deutlich verbessern. Gesetzliche Vorgaben sind bei diesem Krankheitsbild sehr viel effektiver als jede medizinische Intervention. Gleichzeitig zeigen aktuelle Analysen: der Nutzen solcher Vorgaben ist nicht nur individuell, es rechnet sich auch volkswirtschaftlich und viele Betroffene können danach sogar wieder arbeiten.
Was genau muss gesetzlich geregelt werden?
- Verpflichtende Schülerausbildung in Wiederbelebung: Diese wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und vom Schulausschuss der Deutschen Kultusministerkonferenz seit zehn Jahren empfohlen. Die Umsetzung ist bisher marginal. Es braucht hier daher bundesweite Vorgaben und Anreize für die Länder. Gleiches gilt für Arbeitsstätten.
- Verpflichtende Telefonreanimation: Die telefonische Anleitung von Laien zur Herzdruckmassage durch die Leitstellen ist hocheffektiv und verdreifacht die Überlebensrate. Wie in anderen Ländern muss dies bundesweit verpflichtend sein und in das SGB V übernommen werden.
- Flächendeckende Ersthelfersysteme: Befindet sich bei einem Notfall eine ausgebildete und in der Leitstelle via App registrierte Person in der Nähe, so kann diese mehrere Minuten vor dem Rettungsdienst vor Ort sein und so das Leben retten. Auch dies muss in das SGB V übernommen werden.
- Verpflichtendes AED (automatisierte externe Defibrillatoren) Register: AEDs in den Händen von entsprechend ausgebildeten Menschen können zusätzlich Leben retten. Es muss auf Knopfdruck klar sein wo der nächste funktionsfähiger AED zugänglich ist. Auch hierfür braucht es bundesweite gesetzliche Vorgaben.
Es ist aus unserer Sicht daher unbedingt erforderlich, dass die zukünftige neue Bundesregierung diese Dinge auch bei uns kurzfristig umsetzt und bereits im Koalitionsvertrag fest etabliert. Hierdurch können nicht nur viele Schicksale positiv beeinflusst werden, eine solche Intervention wäre auch volkswirtschaftlich überaus relevant. Es darf nicht weiter so bleiben, dass so viele Menschen mit Herz-Kreislaufstillstand in unseren Nachbarländern deutlich bessere Überlebenschancen haben als bei uns. Die neue Bundesregierung könnte keinen besseren Einstieg finden als die drängendsten Defizite in unserem Gesundheitssystem bewusst zur Kenntnis zu nehmen und umgehend zu beheben. 10.000 vermeidbare Todesfälle in jedem Jahr, das sind 10.000 zu viel.
Univ.-Prof. Dr. Dr. Bernd W. Böttiger, für den Deutschen Rat für Wiederbelebung (GRC)
Dr. Christian Deindl, für das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS)
Quellen:
Über den Deutschen Rat für Wiederbelebung e.V. (GRC): Der Deutsche Rat für Wiederbelebung (German Resuscitation Council; GRC) wurde im Dezember 2007 gegründet und zählt mittlerweile über 2.000 Mitglieder, 19 Mitgliedsorganisationen, 58 Fördermitglieder und zahlreiche Businesspartner*innen. Ziel des GRC ist es, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Organisationen und Personen, die sich mit den verschiedenen Aspekten der Wiederbelebung befassen, zu unterstützen und zu harmonisieren sowie die Laienreanimation und die Schüler*innenausbildung in Wiederbelebung zu fördern.
Über das Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS): Vertreter*innen der Gesundheitsberufe, ihrer Verbände, der Patientenorganisationen sowie aus Industrie und Wirtschaft haben sich im Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS) zusammengeschlossen, um eine gemeinsame Plattform zur Verbesserung der Patientensicherheit in Deutschland aufzubauen. Zusammen entscheiden und tragen sie die Projekte und Initiativen des Vereins. Das APS wurde im April 2005 als gemeinnütziger Verein gegründet. Es setzt sich für eine sichere Gesundheitsversorgung ein und widmet sich der Erforschung, Entwicklung und Verbreitung dazu geeigneter Methoden. Patienteninformationen und Handlungsempfehlungen entstehen beim Aktionsbündnis Patientensicherheit durch Erarbeitung in ehrenamtlich tätigen Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Patientensicherheitsthemen, aus der Praxis für die Praxis, und bilden das Herzstück der Arbeit. Die Kampagne #DeutschlandErkenntSepsis hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit initiiert und betreibt sie in Kooperation mit seinen Partnern. Informationen finden Sie unter www.aps-ev.de.
Deutscher Rat für Wiederbelebung (GRC)
Prittwitzstraße 43
89070 Ulm
Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS)
Alte Jakobstraße 81
10179 Berlin